TE OGH 1961/1/25 1Ob419/60

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Veröffentlicht am 25.01.1961
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Norm

ABGB §1440

Kopf

SZ 34/13

Spruch

Das Aufrechnungsverbot des § 1440 ABGB. gilt für das Mandat nicht. Die Aufrechnung von Gegenforderungen des Mandatars gegen die Forderung des Mandanten auf Herausgabe einkassierter Kundengelder ist nur dann ausgeschlossen, wenn im Einzelfall die Beträge eigenmächtig oder listig entzogen oder in Verwahrung genommen wurden.

Entscheidung vom 25. Jänner 1961, 1 Ob 419/60.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Gegen den vom Erstgericht erlassenen Wechselzahlungsauftrag hat der Beklagte eingewendet:

1. die Wechselschuld sei bereits bezahlt worden;

2. der Beklagte habe fällige Gegenforderungen in einer die Wechselschuld übersteigenden Höhe, die aufrechnungsweise eingewendet würden;

3. die Unterschrift auf dem Wechsel sei irrtümlich geleistet worden, der Irrtum sei von der klagenden Partei veranlaßt worden.

Nach den vom Beklagten in der mündlichen Streitverhandlung vom 18. März 1960 gegebenen Erläuterungen seien diese Einwendungen wie folgt zu verstehen:

Zu 1: Es werde nicht behauptet, daß die Wechselschuld bezahlt sei, sondern daß der Beklagte der klagenden Partei nichts schulde; zu 2:

Der Beklagte sei Subunternehmer der klagenden Partei für den Bau von Blitzschutzanlagen gewesen. Diese habe ihn nicht vereinbarungsgemäß unterstützt, sondern ihm insbesondere bei der Materialbeschaffung Schwierigkeiten gemacht. Daraus sei ihm ein Schaden von mindestens 50.000 S erwachsen, der aufrechnungsweise eingewendet werde. Auch ohne Berücksichtigung dieses Schadens hätte er von der Klägerin aus dem Geschäftsverhältnis 3642 S 52 g zu erhalten. Die klagende Partei habe eigenmächtig seinen Personenkraftwagen, der 45.000 S wert sei, und die dazu gehörigen Kraftfahrzeugpapiere zurückbehalten. Die Herausgabeforderung werde ebenfalls aufrechnungsweise eingewendet; zu 3: Der Beklagte sei von der klagenden Partei durch listige Vorstellungen unter der Drohung, er werde eingesperrt werden und man werde seinen Personenkraftwagen verkaufen, zur Leistung der Annahmeunterschrift auf dem Wechsel gezwungen worden. Er habe sich gefürchtet, daß die Drohungen wahr gemacht würden, und habe deshalb den Wechsel unterschrieben.

Das Erstgericht hat den Wechselzahlungsauftrag aufrechterhalten. Es hat ausgesprochen, daß die Gegenforderungen nicht zu Recht bestehen, und hat im wesentlichen festgestellt: Der in der Deutschen Bundesrepublik wohnhafte Beklagte habe im Sommer 1959 erfahren, daß die klagende Partei einen Bautrupp für die Montierung von Blitzschutzanlagen suche. Er sei mit zwei Leuten nach Wien gereist und habe der klagenden Partei seine Dienste angeboten. Da letztere keine Gewerbeberechtigung für die Errichtung solcher Anlagen habe, sei nach außen die Spenglerei M. als Auftragnehmerin aufgetreten. Mit dieser habe der Beklagte nach vorausgegangener Vereinbarung mit der klagenden Partei am 26. August 1959 einen Vertrag geschlossen, wonach unter anderem der Beklagte als Subunternehmer der Spenglerei M. Blitzschutzanlagen errichten und hiefür 25% der Auftragssumme erhalten sollte, während die klagende Partei die für die Montage erforderlichen Fahrzeuge beistellen und die für diese erforderlichen Unkosten sowie verschiedene Fahrtspesen der Monteure tragen sollte. Für den Fall einer Vertragsverletzung sei eine Vertragsstrafe von 50.000 S vorgesehen worden. Im Schreiben vom gleichen Tag, mit welchem die klagende Partei ihr Einverständnis zu dieser Vereinbarung erklärte und in die von der Spenglerei M. dem Beklagten gegenüber übernommenen Verpflichtungen eintrat, sei noch festgehalten worden, daß der Beklagte im Zug seiner Tätigkeit von Kunden entgegengenommene Zahlungen direkt mit der klagenden Partei abzurechnen habe. Nach den weiteren Feststellungen des Erstgerichtes sei am 4. Dezember 1959 abgerechnet worden. Der Beklagte habe hiebei zugegeben, daß er noch einkassierte Geldbeträge in der Höhe von 6279 S 48 g abzuliefern habe. Zur Sicherung dieser Zahlungsverpflichtung habe er einen Wechsel über diesen Betrag unterfertigt. In der Folge habe die klagende Partei erfahren, daß der Beklagte noch weitere 8500 S einkassiert habe, die er nicht abgeliefert habe. Um den 5. Jänner 1960 habe der Beklagte die Gesamtschuld von 14.779 S 48 g anerkannt und einen (neuen) Wechsel über diesen Betrag als Annehmer unterfertigt. Zur weiteren Sicherung der Forderung der klagenden Partei habe er dieser seinen Personenkraftwagen und die dazugehörigen Papiere übergeben. Von Gegenforderungen habe er dabei nichts gesprochen. Solche bestunden auch nicht zu Recht. Die Auslagen für Benzin und Reparaturen seien ohnehin berücksichtigt worden. Die Fahrtspesen der Monteure seien diesen gesondert vergütet worden. Eine Ersatzleistung für Stehtage und für Fahrtspesen von Wien zu den Baustellen sei nicht vereinbart worden. Schadenersatzansprüche seien nicht begrundet. Dem Beklagten sei gesagt worden, daß gegen ihn eine Strafanzeige erstattet werde, wenn er entgegen seinem Versprechen keine Zahlung leiste. Dies sei keine ungerechte Drohung gewesen. Davon abgesehen, sei eine Einwendung des Inhaltes, daß die Annahmeerklärung durch ungerechte Drohung erzwungen worden sei, nicht rechtzeitig erhoben worden.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil mit der Maßgabe, daß es die vom Beklagten erhobene Einrede von Gegenforderungen zur Aufrechnung gegen den Klageanspruch zurück wies. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsauffassung, daß Punkt 3 der Einwendungen, der im übrigen überhaupt kein Tatsachenvorbringen, sondern nur die beiläufige Wiedergabe des Gesetzestextes enthalte, die nachträgliche Umdeutung nicht decke, daß daher das spätere Vorbringen in diesem Belange nicht zu beachten sei. Hinsichtlich der Einwendung in Punkt 2 vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß eine Aufrechnung von Gegenforderungen gegen die Wechselforderung im Hinblick darauf, daß letzterer der Anspruch der klagenden Partei auf Herausgabe der vom Beklagten für sie einkassierten, bisher aber nicht abgeführten Kundenzahlungen zugrunde liege, gemäß § 1440 ABGB. nicht zulässig sei. Die Behauptung, daß die Zurückbehaltung einkassierter Kundenzahlungen zur Deckung von Ansprüchen des Beklagten gegen die klagende Partei im Vertrag vorgesehen worden sei, habe der Beklagte selber gar nicht aufgestellt. Es erübrige sich daher eine Untersuchung, ob der Prüfung der Gegenforderungen durch das Erstgericht die vom Beklagten geltend gemachten Mängel anhafteten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Vorliegen eines Irrtums im Sinne des Punktes 3 der Einwendungen wurde allerdings nicht dargetan. Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß die späteren Erläuterungen des Beklagten, er sei von der klagenden Partei durch listige Vorstellungen und durch die Drohung, er werde eingesperrt werden und es werde sein Personenkraftwagen verkauft werden, zur Unterfertigung des Wechsels als Annehmer gezwungen worden, nicht als nähere Ausführung der ursprünglich erhobenen Einwendung angesehen werden können. Es handelt sich wohl durchwegs um Umstände, die, wenn sie vorlägen, den Vertrag wegen Willensmängel ungültig machen würden. Die tatsächlichen Voraussetzungen sind aber ganz verschiedene. Das Vorbringen bei der mündlichen Streitverhandlung stellt daher in Wahrheit keine Ergänzung der Einwendungen dar, sondern die Geltendmachung eines neuen Tatbestandes. Es wurde daher wegen der hier zur Anwendung kommenden Eventualmaxime mit Recht auf dieses neue Vorbringen nicht Bedacht genommen. Dem Umstand, daß dem für den Beklagten bestellten Kurator im Zeitpunkt der Erhebung der Einwendungen noch keine Information zur Verfügung stand, kommt keine entscheidende Bedeutung zu, weil dies nicht zur Verlängerung der für die Erhebung von Einwendungen zur Verfügung stehenden Frist führen kann.

Was jedoch Punkt 2 der Einwendungen anlangt, so stellen sich die späteren Erläuterungen tatsächlich nur als nähere Ausführung der rechtzeitig erhobenen Einwendung dar, daß dem Beklagten Gegenforderungen in einer die Wechselschuld übersteigenden Höhe zustunden. Das diesbezügliche Vorbringen des Beklagten haben daher die Vorinstanzen mit Recht nicht als verspätet angesehen.

Der Beklagte bekämpft nun die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß der Berücksichtigung seiner Gegenforderungen das Aufrechnungsverbot des § 1440 ABGB. entgegenstehe. Seiner Meinung, diese Gesetzesstelle komme deswegen nicht zur Anwendung, weil die ursprüngliche Schuld durch die Zusammenrechnung der einzelnen Teilbeträge noviert worden sei, kann allerdings nicht gefolgt werden. Durch diese Zusammenrechnung ist nichts daran geändert worden, daß es sich um eine Forderung auf Herausgabe einkassierter, aber nicht abgelieferter Kundenzahlungen handelt. Der in der Revision angeführten Entscheidung GlUNF. 6385 lag ein anders gearteter Sachverhalt zugrunde. Es handelte sich dort darum, ob durch die getroffene Vereinbarung, die im übrigen nicht, wie im vorliegenden Fall, lediglich eine Zusammenrechnung mehrerer Teilbeträge enthielt, die Wechselrechte untergingen. Aus dieser Entscheidung kann daher nichts zugunsten des Rechtsstandpunktes des Beklagten abgeleitet werden.

Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, ob tatsächlich - wie das Berufungsgericht annahm - der Aufrechnung von Gegenforderungen gegen die Forderung auf Herausgabe einkassierter Geldbeträge die Bestimmung des § 1440 ABGB. entgegensteht. Das Revisionsgericht vermag sich der auf die Entscheidungen RiZ. 1934 S. 53 und SZ. IX 75 gestützten Auffassung des Berufungsgerichtes, die Aufrechnung von Gegenforderungen gegen die Wechselforderung sei gemäß § 1440 ABGB. ohne Rücksicht darauf, ob der Beklagte zum Inkasso bevollmächtigt war oder nicht, schon allein deshalb unzulässig, weil der Wechselforderung der Anspruch auf Herausgabe einkassierter Beträge zugrunde liege, nicht anzuschließen. Die in der Entscheidung RiZ. 1934 S. 53 zum Ausdruck gebrachte Auffassung, daß gegen die Forderung auf Herausgabe einkassierter Beträge eine Aufrechnung grundsätzlich nicht in Betracht komme, gilt in dieser Allgemeinheit nicht. § 1440 ABGB. enthält eine Aufzählung der Stücke, die kein Gegenstand der Kompensation sind. Im Rahmen eines Auftragsverhältnisses einkassierte Beträge scheinen als solche darin nicht auf. Für das Mandat gilt, wie in der Rechtslehre (vgl. Gschnitzer in Klang 2. Aufl. VI 510 f.) und vielfach auch in der Rechtsprechung (vgl. SZ. XI 150, SZ. XVIII 156, in letzter Zeit EvBl. 1961 Nr. 8) ausdrücklich hervorgehoben wird, das Aufrechnungsverbot des § 1440 ABGB. nicht. Die Aufrechnung ist hier nur dann ausgeschlossen, wenn im Einzelfall Umstände vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß die Beträge eigenmächtig oder listig entzogen oder in Verwahrung genommen wurden. Es nimmt im übrigen auch die weitere vom Berufungsgericht angeführte Entscheidung SZ. IX 75 bis zu einem gewissen Grad auf die Eigenart des Verhältnisses zwischen den Parteien Bedacht. Hätte also der Beklagte etwa in Ausnützung der ihm auf Grund des Auftragsverhältnisses eingeräumten Stellung die Beträge einkassiert, ohne hiezu berechtigt zu sein, so würde er wohl dem Begehren auf Herausgabe solcher eigenmächtig an sich gebrachter Beträge nicht Gegenforderungen entgegenstellen können. Wäre er dagegen - worauf die im Schreiben der Klägerin vom 26. August 1959 enthaltene Wendung, der Beklagte habe im Zug seiner Tätigkeit von Kunden entgegengenommene Beträge direkt mit ihr abzurechnen, hindeuten könnte - berechtigt gewesen, im Zusammenhang mit der ihm aufgetragenen Tätigkeit Kundenzahlungen entgegenzunehmen und mit der Klägerin abzurechnen, dann würde die Bestimmung des § 1440 ABGB. der Aufrechnung nicht entgegenstehen.

Daraus folgt, daß das Berufungsgericht die Einwendung des Beklagten, es stunden ihm Gegenforderungen zu, nicht schon auf Grund der gegenwärtigen Prozeßlage hätte zurückweisen dürfen, sondern daß es auf die Bekämpfung der Beweiswürdigung des Erstgerichtes, das zum Ergebnis kam, daß der zur Begründung der Gegenforderungen behauptete Sachverhalt gar nicht erwiesen sei, hätte eingehen müssen.

Anmerkung

Z34013

Schlagworte

Aufrechnungsverbot nach § 1440 ABGB., Mandat, Bevollmächtigungsvertrag, Aufrechnungsverbot nach § 1440 ABGB., Kompensationsverbot nach § 1440 ABGB., Mandat, Mandat, Aufrechnungsverbot nach § 1440 ABGB.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0010OB00419.6.0125.000

Dokumentnummer

JJT_19610125_OGH0002_0010OB00419_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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