TE OGH 1961/2/15 1Ob490/60

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Veröffentlicht am 15.02.1961
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Norm

ABGB §830

Kopf

SZ 34/20

Spruch

Die Zwangsverwaltung einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft hindert die Teilung nicht.

Entscheidung vom 15. Februar 1961, 1 Ob 490/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger verlangt die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft an der ihm und der Beklagten je zur Hälfte gehörenden Liegenschaft EZ. 2216 des Grundbuches M., Haus in der V.-Gasse 35, durch gerichtliche Feilbietung.

Die Beklagte beantragt Abweisung dieses Begehrens, weil die Teilung zur Unzeit und zu ihrem Nachteil begehrt werde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest:

Nach der rechtskräftigen Entscheidung des Erstgerichtes vom 28. Mai 1957, 49 Msch 144/57-13, rechtfertigen die Instandsetzungsarbeiten im klagsgegenständlichen Haus im Umfang von 355.050 S samt Geldbeschaffungskosten und angemessener Verzinsung gegenüber den Mietern eine Erhöhung der Hauptmietzinse pro Friedenskrone 1914 auf die Dauer von zehn Jahren im Sinne des § 7 MietG.; für die durchzuführenden Arbeiten wäre ein Betrag von 361.709 S 34 g erforderlich. Die damals noch dem Bruder der Beklagten zugeschrieben gewesene Hälfte jener Liegenschaft ist am 18. August 1958 dem Kläger um das Meistbot von 31.500 S rechtskräftig zugeschlagen worden. Die Gesamtliegenschaft wurde in jenem Verfahren mit 130.000 S, die zur Versteigerung gelangte Hälfte mit 63.000 S geschätzt.

Wegen der vollstreckbaren Forderungen der Gemeinde W. für Ersatzvornahmen von 17.427 S 40 g s. A. gegen beide Streitteile und von 63.115 S 50 g s. A. gegen die Beklagte allein wurde mit den rechtskräftigen Beschlüssen des Erstgerichtes vom 21. Jänner und 22. April 1960 ob der Liegenschaft die zwangsweise Pfandrechtsbegründung bewilligt und mit Beschluß des Exekutionsgerichtes Wien vom 19. April 1960 die Zwangsverwaltung der gesamten streitgegenständlichen Liegenschaft zur Hereinbringung jener Forderung eingeleitet (und - nach Schluß der Verhandlung in diesem Verfahren - mit Beschluß vom 3. Juni 1960 der Beitritt hinsichtlich der zweiten Forderung nur gegen die Beklagte hiezu bewilligt); die Zwangsverwaltung ist noch aufrecht.

Rechtlich meinte das Erstgericht, der schlechte Zustand der Liegenschaft könnte die begehrte Teilung allerdings nur dann als unzeitgemäß erscheinen lassen, wenn die Mittel für die erforderlichen Ausbesserungsarbeiten leicht aufgebracht werden könnten. Aus den zur Hereinbringung der noch mit über 80.000 S aushaftenden Forderungen der Gemeinde W. für durchgeführte Ersatzvornahmen bzw. Sicherungsmaßnahmen erst jüngst eingeleiteten und noch anhängigen Exekutionsverfahren ergebe sich (ebenso wie aus dem zu 49 Msch 144/57 anhängig gewesenen Verfahren) jedoch das Gegenteil, daß nämlich die zur Behebung des schlechten Bauzustandes erforderlichen Mittel offenbar nicht leicht und rechtzeitig aufgebracht werden könnten. Dies stelle also kein Teilungshindernis dar. Dagegen werde die zum Teil sogar hinsichtlich der Hälften beider Streitteile eingeleitete Zwangsverwaltung den Verkaufswert der Liegenschaft zweifellos ungünstig beeinflussen, weshalb dieser Umstand als Teilungshindernis anzusehen sei.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil infolge Berufung des Klägers dahin ab, daß es gemäß dem Teilungsbegehren erkannte. Es stimmte dem Erstgericht darin zu, daß der schlechte Bauzustand der zu teilenden Liegenschaft, dessen Behebung bereits im Jahr 1957 355.050 S gekostet hätte, deshalb einen Aufschub nicht rechtfertigen könne, weil bei der schlechten finanziellen Lage der Beklagten nicht zu erwarten sei, daß ihr die zur Verbesserung des Bauzustandes notwendigen Mittel zur Verfügung stunden oder von ihr in absehbarer Zeit beschafft werden könnten. Die Beklagte habe zwar behauptet, die Mittel zur Instandsetzung innerhalb kurzer Zeit durch Aufnahme eines Kredites aufzubringen, doch ergebe sich aus verschiedenen Umständen, daß diese Erwartungen keinesfalls in absehbarer Zeit realisierbar sein würden. So sei schon die Klagebehauptung unbestritten und unwiderlegt geblieben, daß die Beklagte mittellos sei, weshalb davon ausgegangen werden müsse, daß sie aus eigenem nicht in der Lage sein werde, die Reparaturkosten zu tragen. Auch der Umstand, daß die Gemeinde W. in den letzten Jahren verschiedentlich Ersatzvornahmen größeren Ausmaßes vornehmen habe müssen, weil die Beklagte Bauaufträgen nicht nachgekommen sei, weise auf die Mittellosigkeit der Beklagten hin. Der Aufnahme eines Kredites im notwendigen Ausmaß stehe aber sicherlich entgegen, daß die Liegenschaftshälfte der Beklagten überaus hoch belastet sei. Gehe man von dem anläßlich der Zwangsversteigerung festgestellten Schätzwert von 130.000 S für die ganze Liegenschaft aus, so sei die Liegenschaftshälfte der Beklagten schon weit über den Schätzwert, nämlich, wie der vorliegende Grundbuchsauszug ergebe, mit über 250.000 S belastet. Die unbedingt notwendigen Erhaltungsarbeiten hätten sich aber schon im Jahr 1957 auf 355.050 S belaufen. Wäre es der Beklagten tatsächlich leicht möglich, einen Kredit in dieser Höhe zu erhalten, so sei es unverständlich, warum sie seit dem Jahr 1957 nichts in dieser Richtung zur Behebung der Schäden am Hause unternommen habe, obwohl sie sogar auf Grund der rechtskräftigen Entscheidung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28. Mai 1957, 49 Msch 144/57, die gesamten Instandhaltungskosten auf die Mieter gemäß § 7 MietG. überwälzen hätte können und überdies damals eine Kreditbeschaffung schon deshalb leichter gewesen wäre, weil die zweite Liegenschaftshälfte noch im Eigentum ihres Bruders gestanden sei. Alle diese Umstände ließen eindeutig erkennen, daß die Beklagte offensichtlich aus Unvermögen zur Kreditbeschaffung drei Jahre habe verstreichen lassen, ohne den mangelhaften Bauzustand zu beseitigen. Wenn der Kläger nunmehr die Teilung begehre, könne sich die Beklagte mit Recht nicht mehr auf den von ihr schon so lange Zeit unbeachteten schlechten Bauzustand zur Begründung der Unzeit des Anspruches berufen. Entgegen der Rechtsmeinung des Erstgerichtes stehe aber auch der Umstand, daß der Hälfteanteil der Beklagten an der Liegenschaft mit verschiedenen Pfandrechten der Gemeinde W. aus dem Titel der Ersatzvornahmen belastet sei und die ganze Liegenschaft zwangsverwaltet werde, dem Teilungsbegehren nicht entgegen. Andernfalls hätte es jeder Teilhaber in der Hand, die Teilung durch Belastung seines Anteiles willkürlich zu vereiteln (GlUNF. 4029). Die Beklagte werde in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein, diese Belastungen zu beseitigen. Die Zwangsverwaltung wäre zwar grundsätzlich geeignet, eine Teilung infolge der damit verbundenen Wertminderung der Liegenschaft derzeit untunlich erscheinen zu lassen, sofern die Belastung voraussichtlich in absehbarer Zeit beseitigt werden könnte. Dennoch brauche im gegenständlichen Fall auf die Beseitigungsmöglichkeit nicht näher eingegangen zu werden, weil die Zwangsverwaltung für den Forderungsbetrag von nur 17.427 S 70 g bei einer Entwertung der Liegenschaft durch die übermäßige, das Doppelte des Schätzwertes der ganzen Liegenschaft übersteigende Belastung der Liegenschaftshälfte der Beklagten nicht mehr ins Gewicht falle. Bei dieser Sachlage könne die Zwangsverwaltung nicht als Grund für eine Wertverminderung der Liegenschaft, die im Teilungsverfahren zu beachten wäre, eingewendet werden. Die auf der Liegenschaft lastende Zwangsverwaltung sei daher weder wertvermindernd noch aber geeignet, Unzeit der Teilung zu begrunden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, daß der schlechte Bauzustand der Liegenschaft eine Teilung zum Nachteil der Beklagten nicht ergebe, weil ein nicht wohl vermeidlicher Aufschub dem nicht abhelfen könne, ausführlich begrundet. Es hat zutreffend auf die Belastung der Liegenschaftshälfte der Beklagten mit einem Betrag von 250.000 S bei einem Schätzwert im Versteigerungsverfahren von 130.000 S für die ganze Liegenschaft und darauf hingewiesen, daß die Entscheidung der Mietkommission, wonach die Erhaltungsarbeiten im Betrag von rund 360.000 S auf die Mieter überwälzt werden könnten, bisher zu keiner Kreditaufnahme geführt habe, sowie darauf, daß durch die Gemeinde W. bereits Ersatzvornahmen durchgeführt werden mußten. Diese Umstände liegen so klar zutage und sprechen eine so eindeutige Sprache, daß sie durch die Aufnahme des Beweises durch Vernehmung des ehemaligen Hausverwalters M. als Zeugen darüber, daß die Beklagte in der Lage sei, Mittel innerhalb kurzer Zeit zu beschaffen, und zwar durch Aufnahme eines Kredits, nicht aus der Welt geschafft werden könnten. Die bereits bestehende, fast den doppelten Schätzwert der Liegenschaft erreichende Belastung des Anteils der Beklagten und das Erfordernis eines fast dreifachen Betrags für die Erhaltungskosten sowie die Durchführung von Ersatzvornahmen durch die Gemeinde W. stehen fest. Daraus hat das Berufungsgericht mit Recht geschlossen, daß insbesondere auch wegen des Zeitverlaufs seit der Entscheidung der Mietkommission durch einen angemessenen Aufschub die derzeit gegen die Feilbietung von der Beklagten vorgebrachten Umstände nicht behoben werden könnten.

In eine Prüfung der Interessenlage ist das Berufungsgericht mit Recht nicht eingegangen, weil deswegen, weil die ungünstigen Umstände durch einen angemessenen, dem Kläger zumutbaren Aufschub nicht beseitigt werden können, ein Teilungsaufschub überhaupt nicht in Betracht kommt.

Daß die Zwangsverwaltung das Teilungsbegehren nicht hindern kann, hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend erkannt. Die Zwangsverwaltung ist nur eine Folge der Belastung des Liegenschaftsanteils der Beklagten und kann nicht die Teilung hindern, wenn die Verschuldung als solche nicht als Teilungshindernis erkannt wird. Überdies steht auch hier einem Aufschub der Teilung entgegen, daß sich nicht absehen läßt und von der Beklagten auch gar nicht in fundierter Weise behauptet und dargetan wurde, wann die Zwangsverwaltung beendet oder eingestellt wird werden können.

Anmerkung

Z34020

Schlagworte

Eigentumsgemeinschaft, Teilungsklage, Zwangsverwaltung kein Hindernis, Miteigentum Teilungsklage, Zwangsverwaltung kein Hindernis, Teilungsklage Zwangsverwaltung kein Hindernis, Zwangsverwaltung kein Hindernis für die Teilungsklage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0010OB00490.6.0215.000

Dokumentnummer

JJT_19610215_OGH0002_0010OB00490_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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