TE OGH 1961/5/16 4Ob313/61

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Veröffentlicht am 16.05.1961
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Norm

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §7

Kopf

SZ 34/76

Spruch

Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Werturteil. (§ 7 UWG.)

Entscheidung vom 16. Mai 1961, 4 Ob 313/61.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II, Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die klagende Partei beschäftigt sich mit der Erzeugung und dem Vertrieb eines zement- und rostlösenden Öles, des sogenannten "X-Öles", für die Bauindustrie. Im Juni 1960 brachte der Beklagte, der bis Oktober 1959 Gesellschafter und Geschäftsführer der klagenden Partei war, an verschiedene Baufirmen ein Rundschreiben zum Versand, in welchem es u. a. heißt: "Die wenig elegante Klingenführung unserer Konkurrenz, verbunden mit zahlreichen mündlich gestreuten Unwahrheiten zur Erzielung einer geballten Diffamierung, veranlaßt uns, Ihnen folgendes zur Kenntnis zu bringen: Herr Friedrich R.

...... hat als erster den Bluff und Schwindel "X-Öl" erkannt ......

Mit viel Aufwand, durch eine Häufung von Verträgen, kurz: mit viel

Schaumschlägerei - abgeblendet auf seriöse Wirkung - wurde ein

Grundstoff als Wundermittel dargestellt, von welchem sich

herausstellte, daß er Bluff ist, mit chemischer Wirkung gleich null

...... Wir lehnen es ab, mit "X-Öl" auf einen Nenner gebracht zu

werden ..... Die Gegenseite bezweckt nun, den ganzen Bluff "X-Öl"

mit gut gespielter Seriosität sich handelsgerichtlich schützen zu

lassen. Wir hingegen kämpfen dagegen an, daß ein ausgesprochener

Schwindel unter dem Deckmantel des Handelsgerichtes fundiert werden

soll ..... ".

Die klagende Partei begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung dieser Behauptungen, zur Zahlung eines Schadenersatzes von 20.000 S und einer Buße von 10.000 S, sowie die Erteilung der Befugnis zur Urteilsveröffentlichung. Der Beklagte wendete ein, daß seine Behauptungen der Wahrheit entsprächen.

Das Erstgericht gab mit Teilurteil dem Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehren statt und führte aus, daß sich der Beklagte gleichgültig, ob das Erzeugnis der klagenden Partei tatsächlich wertlos sei oder nicht, nicht der Methode des Rundschreibens vom 20. Juni 1960 bedienen durfte. Der pamphletartige Charakter und die unsachliche Gehässigkeit des Rundschreibens verletzten die guten Sitten.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es sei zwar dem Beklagten zuzugeben, daß überprüfbare Behauptungen, wie z. B. die Bezeichnung eines Konkurrenzunternehmens als "Schwindelfirma", seines Inhabers als "Betrüger", noch als tatsächliche Behauptungen im Sinne des § 7 UWG. angesehen werden könnten. Die beklagte Partei habe sich aber in ihrem Rundschreiben nicht mit solchen Behauptungen begnügt. Das Rundschreiben müsse in seinem Gesamtinhalt beurteilt werden; daraus ergebe sich aber die gehässige Absicht, mit der das Verhalten und die geschäftliche Betätigung der klagenden Partei als Konkurrenzfirma einer moralischen Beurteilung unterzogen würden. Solche Ankündigungen fielen aber nicht unter § 7 UWG., sondern unter § 1 UWG., der Wahrheitsbeweis sei daher nicht zulässig. Auch ein kritisierender Vergleich müsse in der Form würdig sein, Schärfe und Gehässigkeit unterlassen. Das Erstgericht habe das Vorgehen des Beklagten daher mit Recht dem § 1 UWG. unterstellt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge, hob die untergerichtlichen Urteile auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Mit Recht beschwert sich der Beklagte, daß er zu dem von ihm

angebotenen Wahrheitsbeweis nicht zugelassen worden ist. Von

entscheidender Bedeutung ist hiebei, ob die Behauptungen des

Beklagten als Tatsachen im Sinne des § 7 UWG. angesehen werden

müssen, oder ob es sich um ein bloßes Werturteil handelt, das nach §

1 UWG. beurteilt werden muß. Die Unterscheidung zwischen beiden ist

oft schwierig, wie Hohenecker - Friedl (Wettbewerbsrecht, S. 39)

richtig ausführen. Sie kann unabhängig von der gewählten

sprachlichen Form nur danach getroffen werden, ob die Behauptung

bewiesen werden kann oder ob es sich um eine unüberprüfbare

Meinungskundgebung handelt. Wenn man das Rundschreiben des Beklagten

nach seinem gesamten Inhalt unter diesem Gesichtspunkt betrachtet,

ergibt sich, daß er behauptet, das sogenannte "X-Öl" der klagenden

Partei sei vollkommen wertlos und besitze nicht die chemischen

Eigenschaften, die ihm zugesagt würden. In einem dem Rundschreiben

beigelegten Anhang wird dies im einzelnen belegt und die chemische

Zusammensetzung und Wirkung des "X-Öls" bekanntgegeben. Es handelt

sich daher im wesentlichen um Tatsachenbehauptungen, die allerdings

in der Form eines Werturteils aufgestellt werden. Da eine objektive Nachprüfung des Wahrheitsgehalts der Behauptungen aber ohne weiteres möglich ist, kann der Beklagte vom Wahrheitsbeweis nicht ausgeschlossen werden. Vor Durchführung des Wahrheitsbeweises kann aber auch noch nicht entschieden werden, ob der Beklagte darüber hinaus durch die Form und den Inhalt seiner Veröffentlichung auch gegen § 1 UWG. verstoßen hat. Erst die danach getroffenen Feststellungen über den behaupteten Tatbestand werden erkennen lassen, ob und in welchem Umfang dies der Fall gewesen ist. Der Beklagte hat sich auch darauf berufen, daß die klagende Partei es war, die in unlauterer Weise gegen sein Unternehmen vorgegangen ist. Wenn ein solches unlauteres Verhalten der klagenden Partei auch sein eigenes unlauteres Verhalten an sich nicht entschuldigen könnte, so ist es doch für die Beurteilung des Rundschreibens des Beklagten in seiner Gesamtheit, insbesondere für die Beurteilung der eingangs des Rundschreibens der klagenden Partei zum Vorwurf gemachten Handlungsweise, von wesentlicher Bedeutung.

Da die Untergerichte Beweisaufnahmen unterlassen haben, ist die Sache noch nicht spruchreif.

Anmerkung

Z34076

Schlagworte

Tatsachenbehauptung, Abgrenzung vom Werturteil, Werturteil, Abgrenzung von der Tatsachenbehauptung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0040OB00313.61.0516.000

Dokumentnummer

JJT_19610516_OGH0002_0040OB00313_6100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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