TE OGH 1961/5/30 4Ob330/61

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Veröffentlicht am 30.05.1961
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Norm

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §15

Kopf

SZ 34/86

Spruch

Begrenzter Anspruch auf Unterlassung der Beschäftigung von Arbeitnehmern gegen Arbeitgeber, die die Arbeitnehmer in sittenwidriger Weise abgeworben haben.

Entscheidung vom 30. Mai 1961, 4 Ob 330/61.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin beantragte die Verurteilung der Beklagten, die Beschäftigung ihrer bisherigen Vertreter Otto E., Arthur IV. und Eduard J. zu Zwecken der Kundenbetreuung beim Vertrieb von Kugelschreibern und Kugelschreiberersatzminen, insbesondere zum Besuch des Papier- und Bürowarenfachhandels, zu unterlassen. Sie begrundet ihr Begehren damit, daß sie bis 28. Februar 1961 die Generalvertretung für Kugelschreiber und Kugelschreiberersatzminen der B.-Werke besessen, die drei genannten Personen als Vertreter für diese Erzeugnisse und ihre eigenen Erzeugnisse (A.-Kugelschreiber) in Österreich mit Ausnahme Wiens verwendet habe und die Beklagte die Generalvertretung ab 1. März 1961 übernommen und diese Personen als Vertreter zu günstigeren Bedingungen angestellt habe, obwohl ihr bekannt gewesen sei, daß die Vertreter dadurch die mit der Klägerin vereinbarte Konkurrenzklausel verletzten. Die Abwerbung des gesamten in den Bundesländern tätigen Vertreterstabes sei ein Verstoß gegen § 1 UWG. Die Klägerin beantragte gleichzeitig die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gleichlautend mit dem Klagebegehren.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung.

Das Rekursgericht wies den Antrag ab.

Der Oberste Gerichtshof hob die untergerichtlichen Beschlüsse auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Bescheinigungsverfahrens auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Auch die Klägerin geht von der in der Rechtslehre (so z. B. Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht, S. 82; Baumbach - Hefermehl,

Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 8. Aufl. S. 312 f.; Reimer,

Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl. S. 517 ff.) und in der Rechtsprechung (so z. B. 3 Ob 520/56) einhelligen Rechtsansicht aus, daß das Abwerben (auch Ausspannen oder Abdingen) fremder Arbeitnehmer durch einen anderen Unternehmer grundsätzlich zulässig ist, und zwar auch dann, wenn gleichzeitig vorteilhaftere Arbeitsbedingungen angeboten werden, und daß eine sittenwidrige und daher gemäß § 1 UWG. unzulässige Wettbewerbshandlung nur vorliegt, wenn zum Abdingen fremder Arbeitskräfte verwerfliche Mittel angewendet werden oder ein verwerflicher Zweck verfolgt wird.

Als angeblich sittenwidrige Wettbewerbshandlungen der Beklagten führt die Klägerin an: a) das Abwerben ihres gesamten in den Bundesländern tätigen Vertreterstabes, b) die Verleitung dieser Vertreter zum Vertragsbruch, c) die Anstellung der Vertreter in Kenntnis von deren Verträgen mit der Klägerin, insbesondere in Kenntnis der in diesen Verträgen enthaltenen Konkurrenzklausel, d) das Versprechen, den Vertretern die geschuldete Konventionalstrafe zu ersetzen, und e) das planmäßige Vorgehen der Beklagten zu dem Zweck, die Kunden der Klägerin an sich zu ziehen.

Die Untergerichte haben sich mit diesen Umständen nicht hinlänglich befaßt, das Erstgericht, weil es der Ansicht war, daß schon die Bescheinigung der Gefahr genüge, der ganze Kundenstock der Klägerin werde in die Hände der Beklagten übergeführt, das Rekursgericht, weil es die Rechtsansicht vertrat, die genannten Vertreter hätten keinen Vertragsbruch begangen, wenn sie trotz der vereinbarten Konkurrenzklausel in der gleichen Branche in der gleichen Art weiterarbeiteten, sofern sie nur die vereinbarte Konventionialstrafe zahlten.

Beiden Untergerichten kann nicht ohne weiteres gefolgt werden. Zunächst trifft die Rechtsansicht des Rekursgerichtes nicht zu. Liegt eine nach § 36 AngG. gültig vereinbarte Konkurrenzklausel vor - wozu die Untergerichte noch Stellung zu nehmen haben werden -, so liegt im Zuwiderhandeln gegen die vereinbarte Konkurrenzklausel jedenfalls ein Vertragsbruch, dessen Rechtsfolgen allerdings für den Angestellten kraft der ausdrücklichen Bestimmung des § 37 Abs. 3 AngG. beschränkt sind. Dieser Umstand aber ändert nichts an der Tatsache, daß ein Vertragsbruch vorliegt, wenn der Angestellte wider die geschlossene Vereinbarung handelt, gleichgültig ob er die für den Fall des Zuwiderhandelns vereinbarte Konventionalstrafe zahlt oder nicht.

Das Erstgericht hat erklärt, daß eine Verleitung der drei genannten Vertreter zum Vertragsbruch nicht bescheinigt sei. Das Erstgericht hat aber nicht alle angebotenen Bescheinigungsmittel ausgeschöpft, insbesondere nicht die angebotenen Auskunftspersonen vernommen; so daß diesbezüglich das Verfahren mangelhaft ist. Sollte eine Verleitung der Vertreter E., W. und J. zum Vertragsbruch bescheinigt werden, dann müßte diese Verleitung jedenfalls als gegen die guten Sitten verstoßend angesehen werden (so auch Hohenecker - Friedl a. a. O., Baumbach - Hefermehl a. a. O. S. 313, Reimer a. a. O. S. 516) und von der Beklagten vertreten werden, wenn diese Verleitung von ihr oder ihren Angestellten oder Beauftragten ausgegangen wäre.

Sittenwidrig muß aber auch jede Unterstützung fremden Vertragsbruches angesehen werden, so z. B. die Unterstützung durch Übernahme der vom Vertragsbrüchigen zu zahlenden Konventionalstrafe (Reimer a. a. O. S. 517), oder auch die Anstellung der genannten Vertreter in Kenntnis des Umstandes, daß diese sich durch Vereinbarung einer Konkurrenzklausel in ihrer Erwerbstätigkeit freiwillig beschränkt haben und durch Annahme der neuen Beschäftigung gegen die mit dem alten Dienstgeber getroffene Vereinbarung verstoßen (Baumbach - Hefermehl a. a. O. S. 315). Auch in dieser Hinsicht hat das Erstgericht zum Vorbringen beider Parteien nicht Stellung genommen.

Es genügt nämlich nicht, wie das Erstgericht rechtsirrig annimmt, daß die Beklagte die erwähnten drei Vertreter - die allerdings den gesamten Provinzvertreterstab der Klägerin darstellen - angestellt hat. Wenn die Beklagte trotz gehöriger Aufmerksamkeit tatsächlich nichts davon gewußt haben sollte, daß die drei Vertreter durch Eingehen neuer Dienstverträge mit ihr wegen der vereinbarten Konkurrenzklausel vertragsbrüchig wurden, und wenn sie auch deren Vertragsbruch weder durch Anstiftung noch durch Versprechungen gefördert oder sonstwie unterstützt hätte, dann könnte der Beklagten ein sittenwidriges Verhalten nicht vorgeworfen werden, wenn sie die drei Vertreter in ihrem Betrieb beschäftigt, weil sie nach ihrer Meinung ordnungsgemäß bei der Klägerin ausgeschieden wären (Baumbach - Hefermehl a. a. O. S. 314 f.).

Ausgenommen ist allerdings der Fall, daß die Beklagte planmäßig darauf ausgegangen wäre, dadurch den gesamten Kundenstock der Klägerin oder doch einen erheblichen Teil davon zu sich herüberzuziehen, wenn sie also mit der Anstellung der drei Vertreter verwerfliche Zwecke verfolgt hätte (Baumbach - Hefermehl a. a. O. S. 312). Hiezu hat die Klägerin auf den Umstand verwiesen, daß die drei erwähnten Angestellten noch vor Beendigung ihrer Dienstverhältnisse bei der Klägerin Gäste der B.-Werke waren und von dort den Kunden der Klägerin für B.-Erzeugnisse werbend geschrieben haben. Schließlich hat die Klägerin auch auf ein Zeitungsinserat in der Märznummer 1961 der Zeitschrift "Der Papierhändler" verwiesen. Alle diese Bescheinigungsmittel könnten Schlüsse auf ein planmäßiges Vorgehen der Beklagten zulassen. Ein solches planmäßiges Anwerben müßte, wenn es als bescheinigt angenommen würde, als sittenwidrig angesehen werden, weil die planmäßige Entziehung von Angestellten das Bestehen des Unternehmens in bedrohlicher Form angreift. Denn es verliert dadurch auf einen Schlag oder nach und nach seine eingearbeiteten Kräfte, so daß es zur Fortführung des Betriebes auf der gewohnten Höhe nicht mehr imstande ist. Zu einer derartigen planmäßigen Schwächung der Konkurrenz ist aber niemand berechtigt (Reimer a. a. O. S. 518).

Wenn nach Durchführung der angebotenen Bescheinigungsmittel ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten als bescheinigt angenommen werden könnte, so wäre nach § 1 UWG. nicht nur der (hier nicht geltend gemachte) Anspruch auf Unterlassung weiterer sittenwidriger Abwerbung von Dienstnehmern bescheinigt, sondern auch - mit Einschränkungen, auf die noch zurückzukommen sein wird - der Anspruch auf Unterlassung der Beschäftigung der drei erwähnten Vertreter durch die Beklagte in bestimmten Arbeitsgebieten. Ein solcher Anspruch muß als Anspruch auf Beseitigung der Folgen der unlauteren Handlungsweise (§ 15 UWG.) gewertet und daher zugelassen werden. Der Anspruch muß aber als Beseitigungsanspruch zeitlich und allenfalls auch örtlich näher umgrenzt werden. So wird ein Verbot nicht zeitlich unbeschränkt ausgesprochen werden können, sondern es wird auf die Verhältnisse des einzelnen Falles, so z. B. auf die Dauer des Konkurrenzverbotes und auf die Verhältnisse in der Branche, Bedacht genommen werden müssen. Das Verbot wäre auf jenen Zeitraum zu beschränken, während welchem nach der Vorstellung der Parteien bei Vereinbarung der Konkurrenzklausel oder nach den Verhältnissen in der Branche eine Fortwirkung der sittenwidrigen Wettbewerbshandlung zu erwarten ist.

Daß durch ein derartiges Verbot nicht in die Rechte Dritter eingegriffen wird, haben die Untergerichte zutreffend ausgeführt. Den Angestellten E., W. und J. würde durch die Erlassung der einstweiligen Verfügung nichts verboten werden; ihre vertraglichen Ansprüche gegen die Beklagte würden voll aufrecht bleiben.

Anmerkung

Z34086

Schlagworte

Beschäftigungsverbot, sittenwidrige Abwerbung, Unlauterer Wettbewerb, sittenwidrige Abwerbung, Wettbewerb unlauterer sittenwidrige Abwerbung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0040OB00330.61.0530.000

Dokumentnummer

JJT_19610530_OGH0002_0040OB00330_6100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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