TE OGH 1961/6/28 6Nd73/61

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.06.1961
beobachten
merken

Norm

ABGB §276
ABGB §280
JN §109
JN §112 Abs2

Kopf

SZ 34/99

Spruch

Zuständigkeit zur Bestellung eines Abwesenheitskurators.

Entscheidung vom 28. Juni 1961, 6 Nd 73/61.

Text

Der Oberste Gerichtshof erklärte zur Entscheidung über den Antrag auf Kuratorbestellung das Bezirksgericht Innere Stadt Wien als zuständig.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien war seinerzeit unter 12 A 768/41 das Abhandlungsverfahren bezüglich des Nachlasses nach Siegmund A. anhängig, der in Wien 2., R.-Straße 8, seinen ordentlichen Wohnsitz gehabt hatte. Als nachträglich Vermögen hervorkam, das im Sprengel des Bezirksgerichtes Rottenmann liegt, wo auch die meisten Gläubiger des Erblassers ihren Wohnsitz haben - der Nachlaß ist erblos -, bewilligte der Oberste Gerichtshof auf Antrag des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien mit Beschluß vom 13. September 1960, 6 Nd 93/60, gemäß § 31 JN. die Delegierung an das Bezirksgericht Rottenmann, bei dem diese Verlassenschaftssache nunmehr unter A 200/60 anhängig ist. Zum Verlassenschaftskurator ist Dr. Hans S. bestellt.

Dr. Hans S. berichtete am 17. Mai 1961 dem Bezirksgericht Rottenmann, daß ob der in den Nachlaß nach Siegmund A. gehörigen Liegenschaft EZ. 79 KG. B. seit 16. April 1931 zugunsten des Hugo C. ein exekutives Pfandrecht für eine Forderung von 1028 S 70 g s. A. einverleibt sei; C. habe damals in Wien 19., K.-Straße 7. gewohnt; laut Postbericht bestehe dieses Haus nicht mehr, Hugo C. sei unbekannten Aufenthaltes; laut Bericht der Polizeidirektion Wien sei er nämlich am 10. Jänner 1939 von Wien 1., B.-Gasse 4, unbekannt wohin, abgemeldet worden; die Forderung dieses Gläubigers sei verjährt, weshalb der Kurator die Löschung des Pfandrechtes veranlassen wolle; damit der Liegenschaftseigentümer seine Rechte geltend machen könne, sei es erforderlich, für Hugo C. einen Abwesenheitskurator zu bestellen.

Das Bezirksgericht Rottenmann übermittelte diesen Antrag zuständigkeitshalber an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, wobei es sich auf die Bestimmungen der §§ 276, 280 ABGB., 109 JN. stützte und geltend machte, die Bestimmung des § 112 Abs. 2 JN. sei in diesem Fall nicht anwendbar.

Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien leitete den Akt aber dem Bezirksgericht Rottenmann mit der Begründung zurück, es handle, sich nicht um die Bestellung eines Kurators, der alle Angelegenheiten des Abwesenden besorgen solle "sondern - im Interesse des Antragstellers - um einen Kurator für ein einzelnes Rechtsgeschäft: im Sinne der Entscheidungen 4 Nc 344/60 des Oberlandesgerichtes Wien und 1 Nd 217/55 des Obersten Gerichtshofes richte sich die Zuständigkeit in einem solchen Fall nach § 112 Abs. 2 JN.

Nunmehr legt das Bezirksgericht Rottenmann den Akt "zur Genehmigung der Übertragung an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien" vor. Dies ist formell unzweifelhaft verfehlt, weil eine "Genehmigung der Übertragung" begrifflich voraussetzen würde, daß sich das antragstellende Gericht für zuständig erachtet, aber die Erledigung der Sache durch das Bezirksgericht Innere Stadt Wien für zweckmäßiger hält. Ebenso unzweifelhaft ist aber, daß sich das Bezirksgericht Rottenmann hier nur im Ausdruck vergriffen hat, denn es begrundet die Aktenvorlage ausdrücklich damit, daß es sich für unzuständig und das Bezirksgericht Innere Stadt Wien für zuständig erachte. Da das Bezirksgericht Innere Stadt Wien ebenso unzweideutig den gegenteiligen Standpunkt einnimmt, handelt es sich um den Fall eines Zuständigkeitsstreites, in dem der Oberste Gerichtshof gemäß § 47 JN. wie folgt entscheidet:

Dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien ist darin beizupflichten, daß § 112 Abs. 2 JN. eine subsidiäre Bestimmung darstellt. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 1 Nd 217/55 tatsächlich die Ansicht vertreten, sie komme schon dann zur Anwendung, wenn es sich nicht um die Bestellung eines Kurators, der alle Angelegenheiten des Abwesenden erledigen solle, handle, sondern um die eines Kurators, der lediglich für ein einzelnes Rechtsgeschäft, und zwar vorwiegend im Interesse des Antragstellers, berufen werden solle. Diese Ansicht vermag der Oberste Gerichtshof nicht aufrechtzuerhalten, weil sich aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen des § 112 Abs. 2 und Abs. 1 JN. ergibt, daß zunächst doch geprüft werden muß, ob nicht nach den für einzelne Fälle von Kuratelen erlassenen besonderen Vorschriften oder nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes oder nach den für das gerichtliche Verfahren geltenden Bestimmungen eine andere Zuständigkeitsregelung besteht. In Betracht kommen hier - darin ist nun dem Bezirksgericht Rottenmann beizupflichten - die Bestimmungen der §§ 276, 280 ABGB., die im Ergebnis auf § 109 JN. verweisen. Sie gehen einer Heranziehung des § 112 Abs. 2 JN. vor (ähnlich Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, I S. 542 ff.). Das Interesse des Antragstellers an der Berufung des Kurators für einen Abwesenden erscheint vollauf dadurch berücksichtigt, daß die Hemmung des Fortganges seiner Rechte Grund für die Kuratorbestellung ist (§ 276 ABGB.), kann aber für die Zuständigkeitsfrage - dies ist der im § 112 Abs. 2 JN. verfolgte Zweck - erst und nur in letzter Linie maßgebend werden, weil es bei Anordnung und Führung der Kuratel begrifflich doch auf die bestmögliche Wahrung der Interessen des Kuranden ankommen muß. Ob es sich dabei um die Vertretung des Abwesenden in einer einzelnen Rechtsangelegenheit oder um eine allgemeine Vertretung handelt, kann keinen wesentlichen Unterschied machen; eine solche Differenzierung kann auch aus §§ 276, 280 ABGB., 109 JN. nicht herausgelesen werden. Die Wahrung der Interessen des Abwesenden ist von dem für seinen Wohnsitz, allenfalls letzten Wohnsitz oder inländischen Aufenthaltsort, zuständigen Gericht gemeiniglich am besten möglich, umso mehr als es dort noch am leichtesten fällt, mit dem Abwesenden in Verbindung zu kommen (vgl. auch dazu § 276 ABGB.). Es ist darum auch im vorliegenden Fall zu prüfen, ob für Hugo C. ein allgemeiner Gerichtsstand besteht. Da nach den Umständen des Falles nicht gesagt werden kann, er habe in Wien noch seinen ordentlichen Wohnsitz (§§ 65, 66 JN.), und auch ein Wohnsitz im Ausland unbekannt ist, kommt als allgemeiner Gerichtsstand gemäß § 67 JN. wahlweise das Gericht des letzten Wohnsitzes oder Aufenthaltes im Inland in Betracht, vorausgesetzt, daß es sich darum handelt, Hugo C. wegen einer während seines Aufenthaltes im Inland begrundeten oder hier zu erfüllenden Verbindlichkeit zu belangen. Letzteres ist diesmal der Fall, denn es soll ihm gegenüber - in welcher Form immer - der Anspruch auf Einwilligung in die Lastenfreistellung der EZ. 79 KG. B. geltend gemacht werden. Die Bestimmung des § 112 Abs. 2 JN., die z. B. maßgebend wäre, wenn für jemanden eine Kuratel eröffnet werden müßte, der im Inland weder Wohnsitz noch Aufenthalt hatte, kommt darum im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung. Zuständig ist also das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, selbst wenn man unterstellt, Hugo S. habe in Wien 1., B.-Gasse 4, nur mehr seinen Aufenthalt, nicht aber seinen Wohnsitz gehabt.

Anmerkung

Z34099

Schlagworte

Abwesenheitskurator, Zuständigkeit zur Bestellung, Bestellung eines Abwesenheitskurators, Zuständigkeit, Kurator nach § 276 ABGB., Zuständigkeit zur Bestellung, Zuständigkeit Bestellung eines Abwesenheitskurators

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0060ND00073.61.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19610628_OGH0002_0060ND00073_6100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten