TE OGH 1961/11/22 1Ob458/61

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Veröffentlicht am 22.11.1961
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Norm

Amtshaftungsgesetz §1
Zollgesetz 1955 §100

Kopf

SZ 34/170

Spruch

Der Betrieb von öffentlichen Zollagern durch den Bund oder andere Gebietskörperschaften gehört nicht zur Hoheitsverwaltung. Für die Haftung aus dieser Tätigkeit gilt daher nicht das Amtshaftungsgesetz.

Entscheidung vom 22. November 1961, 1 Ob 458/61.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger begehrt die Verurteilung der beklagten Republik Österreich zur Zahlung eines Betrages von 2090 S s. A. auf Grund folgender Behauptungen:

Er habe am 29. August 1960 einen PKW. im Zollager L. abgeholt, um den Wagen in Wien verzollen zu lassen. Bei der Ausfahrt über die Rampe des Zollagers habe er nicht verhindern können, daß der Wagen an mehreren völlig unsachgemäß gelagerten Eisenstäben anstreifte, wodurch das Auto beschädigt worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren bezüglich eines Betrages von 73 S statt und wies das Mehrbegehren ab.

Aus Anlaß der Berufung des Klägers hob das Berufungsgericht das Ersturteil und das gesamte vorausgegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es vertrat die Ansicht, daß die Lagerung eines Fahrzeugs im Zollager und ebenso auch die Auslagerung als ein Teil der Vollziehung des Zollwesens anzusehen seien und daher für die vorliegende Streitsache das Amtshaftungsgesetz Anwendung finde. Da der im § 8 AmtshaftungsG. vorgeschriebene Vorgang nicht eingehalten worden sei, sei der Rechtsweg unzulässig und das Verfahren demnach nichtig.

Der Oberste Gerichtshof gab den von beiden Parteien erhobenen Rekursen Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht auf, unter Abstandnahme von dem angenommenen Aufhebungs- und Zurückweisungsgrund über die Berufung zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zu bemerken ist, daß die Aufhebung des gesamten Urteiles und Verfahrens schon deshalb verfehlt ist, weil die klagende Partei den der Klage stattgebenden Teil des erstgerichtlichen Urteiles doch nicht anfechten konnte. Die beklagte Partei hat aber keine Berufung erhoben. Dieser Teil des Urteiles und das sieh darauf beziehende Verfahren konnte demnach nicht mehr für nichtig erklärt werden.

Abgesehen davon ist die Ansicht des Berufungsgerichtes über die Unzulässigkeit des Rechtsweges unzutreffend. Voraussetzung für die Anwendung des Amtshaftungsgesetzes auf Schadenersatzansprüche, die aus fehlerhaften Verwaltungsakten abgeleitet werden, ist, daß es sich um einen Akt der Hoheitsverwaltung handelt, während für den Bereich der Wirtschaftsverwaltung die allgemeinen Verfahrensbestimmungen gelten. Der Oberste Gerichtshof pflichtet den Rekursausführungen beider Parteien bei, daß es sich bei der Lagerung von Zollgut in einem öffentlichen Zollager lediglich um einen Akt der Wirtschaftsverwaltung handelt. Dies ergibt sieh aus folgenden Erwägungen:

Gemäß § 100 Abs. 2 ZollG. 1955 haben die Lagerverwaltungen die Lagerräume instandzuhalten, zollsicher abzuschließen und die erforderlichen Einrichtungen für die Abwendung und Bekämpfung von Feuergefahr zu treffen. Die Haftung richtet sich nach den Bestimmungen des Zivilrechtes. Daraus ergibt sich, daß die Aufgabe der Verwaltungen von Zollagern mit der eines Verwahrers identisch ist und daß den Organen, soweit es sich um die bloße Verwahrung handelt, eine Befehlsgewalt nicht zusteht.

Gemäß § 100 Abs. 1 ZollG. 1955 können öffentliche Zollager von natürlichen und juristischen Personen, so insbesondere vom Bund und anderen Gebietskörperschaften, errichtet und betrieben werden. Daraus folgt, daß derartige Lager nicht nur von Körperschaften des öffentlichen, sondern auch von natürlichen und juristischen Personen des Privatrechtes errichtet und betrieben werden können. Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, daß die Haftung von Lagerhaltern der letzteren Art nicht unter die Sonderbestimmungen des Amtshaftungsgesetzes fällt. Es wäre aber ein Widerspruch, die völlig gleichartige Tätigkeit der Organe von Zollagern, die von Körperschaften des öffentlichen Rechtes betrieben werden, als eine solche im Rahmen der Hoheitsverwaltung anzusehen.

Die erläuternden Bemerkungen (Nr. 497 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, VII. GP.) bestätigen die Richtigkeit dieser Auffassung. Sie lauten: "Öffentliche Zollager können auch vom Bund und den übrigen Gebietskörperschaften errichtet und betrieben werden. Der Betrieb (Festsetzung des Lagergeldes, Haftung) dieser Zollager ist in jedem Fall eine privatwirtschaftliche Tätigkeit der betreffenden Gebietskörperschaft und richtet sich daher nach den Bestimmungen des Zivilrechtes. Der öffentliche Charakter der Zollaufsicht wird dadurch in keiner Weise berührt."

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht aufzutragen, über die Berufung des Klägers zu entscheiden.

Anmerkung

Z34170

Schlagworte

Amtshaftung öffentliches Zollager, Öffentliches Zollager, keine Amtshaftung, Zollager, öffentliches, keine Amtshaftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0010OB00458.61.1122.000

Dokumentnummer

JJT_19611122_OGH0002_0010OB00458_6100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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