TE OGH 1961/11/22 6Ob390/61

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Veröffentlicht am 22.11.1961
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Norm

ABGB §1295

Kopf

SZ 34/173

Spruch

Zur Haftung der Sesselliftunternehmung für den Unfall eines über den mit Schnee überdeckten, nicht gekennzeichneten Betonsockel einer früheren Liftanlage gestürzten Skiläufers.

Entscheidung vom 22. November 1961, 6 Ob 390/61.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Der Kläger ist am 12. März 1959 beim Befahren der sogenannten S.- Abfahrt, einer Skipiste,. welche entlang der Trasse von der Kopfzur Talstation des Sesselliftes der beklagten Berglift-Gesellschaft hinabführt, gestürzt, wobei er verletzt wurde. Als Ursache des Sturzes bezeichnet der Kläger einen Betonsockel in der Nähe der Stütze 18, welcher nach dem Umbau des Sesselliftes nicht entfernt, sondern stehengelassen wurde. Er begehrt Schadenersatz in der Höhe von 11.310 S 30 g.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil die Haftung der beklagten Partei für die dem Kläger aus dem Unfall entstandenen Schäden als zu Recht bestehend.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es steht fest, daß im Jahre 1955 die zuvor bestandene Liftanlage der beklagten Berglift-Gesellschaft umgebaut wurde und die als Strebenfundamente der früheren Anlage dienenden Betonsockel teilweise nicht entfernt wurden, sondern im Gelände stehenblieben, daß weiters der oberhalb der Stütze 18 stehengebliebene Betonsockel, der den Unfall beim Unterfahren der Sessellifttrasse verursacht hat, zur Zeit des Unfalles mit Schnee überdeckt, jedoch in keiner Weise gekennzeichnet war. Schon daraus ergibt sich die Richtigkeit der Schlußfolgerung der Vorinstanzen, daß die beklagte Partei durch die Weiterbelassung dieses massiven, bei hoher Schneelage nicht erkennbaren Hindernisses für die Benützer der sogenannten S.-Abfahrt eine Gefahrenquelle geschaffen hat, mit welcher der Skifahrer nicht wie bei einem auf der Piste befindlichen natürlichen Hindernis rechnen muß. Für die Frage eines Fahrlässigkeitsverschuldens der beklagten Gesellschaft erscheint aber von wesentlicher Bedeutung, daß deren Komplementär Ing. H. nach den Feststellungen das wiederholte Unterfahren der Sessellifttrasse durch die Benützer der S.-Abfahrt wohlbekannt war. Hiezu kommt, daß auf der im Gelände der beklagten Partei (Bergstation) angebrachten Markierungstafel auf die bei der S.-Abfahrt einzuhaltende Route, welche sich einige Male mit der Sessellifttrasse überschneidet, ausdrücklich hingewiesen wird. Schließlich steht fest, daß auch die S.-Abfahrt vom örtlichen Verkehrsverein, dessen Obmann der Komplementär der Beklagten ist, im Verein mit der Skischule betreut wird, wozu fallweise auch Bedienstete der beklagten Partei herangezogen werden. Aus diesen Feststellungen ergibt sich einwandfrei, daß der Komplementär der Beklagten, der selbst bei der Betreuung der S.-Abfahrt mitgewirkt hat, die Gefährdung, die sich durch die Weiterbelassung der alten Betonsockel im Bereich der S.-Abfahrt, so auch an der Unfallsstelle, für die Skifahrer bei hoher Schneelage notwendigerweise insbesondere dann ergab, wenn diese Hindernisse nicht ausreichend kenntlich gemacht waren, bei Anwendung des bei ihm vorauszusetzenden Grades der Aufmerksamkeit (§ 1297 ABGB.) hätte erkennen müssen. Die von ihm getroffene Anordnung, die stehengebliebenen, nicht mehr benützten Betonsockel mit Rasenstücken zu überdecken, kann schon nach der Natur dieser Vorkehrungsmaßnahme nicht als hinreichend erachtet werden, um der durch das massive Hindernis eines Betonsockels geschaffenen Gefahrenquelle erfolgreich zu begegnen. Da die Verfügungsberechtigung der beklagten Partei über die stehengebliebenen Strebenfundamente unbestritten ist, wäre sie verpflichtet gewesen, entweder diese im Bereich der S.-Abfahrt befindlichen gefährlichen Hindernisse zu beseitigen oder aber für deren entsprechende Kenntlichmachung zu sorgen. Durch das schuldhafte Unterlassen der notwendigen Vorkehrungen, die geeignet gewesen wären, eine Schädigung durch die von ihr selbst geschaffene Gefahrenquelle abzuwenden, hat die beklagte Partei demnach gegen das sich schon aus § 335 StG. ergebende allgemeine Verbot der Gefährdung der körperlichen Sicherheit verstoßen. Es kann daher schon auf Grund der vorliegenden Verfahrensergebnisse der Beweis eines für den Unfall kausalen Fahrlässigkeitsverschuldens der beklagten Partei als vom Kläger erbracht angesehen werden. Schließlich ergeben sich auf Grund der Feststellung, wonach der Kläger bei der Abfahrt den mit Schnee überdeckten Betonsockel unmöglich sehen konnte, auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß er infolge eigener Unvorsichtigkeit zum Sturz gekommen wäre. Ein Mitverschulden des Klägers (§ 1304 ABGB.) wurde daher von den Vorinstanzen mit Recht verneint. Da sohin schon mit Rücksicht auf die oben dargelegte rechtliche Beurteilung der Schadenersatzanspruch des Klägers dem Gründe nach zu bejahen ist, kann die Frage, ob der festgestellte Sachverhalt auch dem Tatbestand des § 1319 ABGB. auf Grund einer vorliegenden Gesetzesanalogie zu unterstellen wäre, auf sich beruhen.

Anmerkung

Z34173

Schlagworte

Haftung einer Sesselliftunternehmung, Skiunfall, Schadenersatz Haftung einer Sesselliftunternehmung für Skiunfall, Sesselliftunternehmung, Haftung für Skiunfall, Skiunfall, Haftung einer Sesselliftunternehmung, Unfall eines Skiläufers, Haftung einer Sesselliftunternehmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0060OB00390.61.1122.000

Dokumentnummer

JJT_19611122_OGH0002_0060OB00390_6100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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