TE OGH 1962/1/30 4Ob512/61

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Veröffentlicht am 30.01.1962
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Norm

ABGB §863
ABGB §891
ABGB §893
Handelsgesetzbuch §346
Wechselgesetz 1955 Art. 48 (1) Z3
Wechselgesetz 1955 Art. 49 Z3

Kopf

SZ 35/17

Spruch

"Kosten" und "Auslagen" i. S. der Art. 48, 49 WG. sind nur jene Kosten, die der Regreßberechtigte aufzuwenden gezwungen war, um den Regreß zu nehmen, nicht aber Prozeß- und Exekutionskosten gegen einen anderen Wechselschuldner.

Auch unter Kaufleuten ergibt sich aus der zwischen dem Gläubiger und einem Solidarschuldner getroffenen Vereinbarung der Vorausklage der anderen Schuldner noch nicht notwendig die Pflicht dieses Solidarschuldners zum Ersatz der gegen die anderen aufgewendeten Prozeß- und Exekutionskosten.

Entscheidung vom 30. Jänner 1962, 4 Ob 512/61.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die beklagte Partei hatte einen auf 12.000 S lautenden Wechsel ausgestellt, den Maria M., Anna M. und Johann Sch. akzeptierten und die beklagte Partei an die klagende Partei indossierte. Infolge Nichtbezahlung hat nach Protesterhebung die klagende Partei die drei Akzeptanten und die beklagte Partei als Aussteller auf Bezahlung der Wechselsumme geklagt. Da sich im Laufe des Wechselprozesses herausstellte, daß der Wechsel vom Geschäftsführer der beklagten Partei der klagenden Partei seinerzeit mit der Vereinbarung übergeben worden war, daß die klagende Partei im Falle der nicht pünktlichen Zahlung seitens der Akzeptanten nur dann gegen die beklagte Partei vorgehen dürfe, wenn sie gegen die Akzeptanten sämtliche möglichen Exekutionsschritte erfolglos vorgenommen habe und der Betrag uneinbringlich geblieben sei, zog die klagende Partei die damalige Wechselklage mangels Fälligkeit der Wechselforderung gegenüber der beklagten Partei zurück.

Die klagende Partei begehrt nunmehr von der beklagten Partei die Bezahlung des Wechselbetrages von 12.000 S samt den inzwischen aufgelaufenen Prozeß- und Exekutionskosten gegen die drei Akzeptanten von insgesamt 4336.26 S mit der Begründung, daß die Wechselsumme bei den Akzeptanten uneinbringlich geblieben sei.

Das Erstgericht verurteilte. In seinen Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus:

Die klagende Partei hat tatsächlich alle möglichen Schritte zur Hereinbringung ihrer Wechselforderung gegen die drei Akzeptanten unternommen. Da mangels irgend eines Vermögens (zwei Akzeptanten hatten bereits einen Offenbarungseid abgelegt, der dritte im Zuge des Exekutionsverfahrens gegen ihn) die drei Akzeptanten völlig zahlungsunfähig sind, ist somit der Fall eingetreten, daß die klagende Partei berechtigt ist, die Wechselforderung auch gegen die beklagte Partei als Aussteller geltend zu machen.

Die Parteien haben keine Vereinbarung getroffen, wer die Kosten eines allfälligen vergeblichen Verfahrens gegen die Wechselschuldner zu tragen habe. Der Geschäftsführer der beklagten Partei Ernst St. hat der klagenden Partei den Wechsel übersandt und ihr mitgeteilt, daß er den Wechsel der klagenden Partei vereinbarungsgemäß nur unter der Voraussetzung überlasse, daß sie diesen im Falle nicht pünktlicher Zahlung seitens der Akzeptanten nur dann gegen ihn verwende, wenn sie gegen diese sämtliche Exekutionsschritte erfolglos vorgenommen hat und der Betrag uneinbringlich geblieben ist. Außerdem hat er der Überlassung dieses Wechsels die Bedingung beigefügt, daß die klagende Partei diesen nicht weitergebe. Das Indossament der beklagten Partei ist an den Kläger persönlich gerichtet und das Weitergabeverbot im Wechsel vermerkt. Wenn keine besondere Vereinbarung vorhanden ist, trifft einen Schuldner zwar keine Pflicht zur Zahlung von Einbringungskosten für Forderungen gegen weitere Solidarschuldner, außer sie sind im selben Rechtsstreit entstanden, der auch gegen die Solidarschuldner geführt worden ist. Vorliegendenfalls ist jedoch davon auszugehen, daß das Vorgehen gegen die Hauptschuldner von der beklagten Partei verlangt wurde, daß gleichsam von der beklagten Partei gefordert wurde, die klagende Partei müsse versuchen, von den Hauptschuldnern jene Beträge hereinzubringen, die ansonsten die beklagte Partei, falls sie vorerst in Anspruch genommen würde, später von den Wechselakzeptanten im Regreßweg zu begehren hätte. Daraus ergibt sich, daß die beklagte Partei stillschweigend übernommen hat, der klagenden Partei die Kosten der im Interesse der beklagten Partei unternommenen Schritte zu ersetzen.

Das Berufungsgericht bestätigte.

Der Oberste Gerichtshof änderte die Urteile der Unterinstanzen dahin ab, daß er die beklagte Partei lediglich zur Bezahlung eines Betrages von 12.000 S samt 5% Zinsen seit 16. November 1960 verurteilte und das Mehrbegehren auf Zahlung von 4336.26 S s. A. abwies.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In rechtlicher Beziehung ist den Untergerichten dahin zu folgen, daß die klagende Partei der Vereinbarung mit der beklagten Partei, sie erst in Anspruch zu nehmen, wenn gegen die Akzeptanten sämtliche mögliche Exekutionsschritte erfolglos geblieben sind, entsprochen hat. Es steht fest, daß zwei Akzeptanten einen Offenbarungseid bereits abgelegt hatten und daß der dritte ihn im Zuge des Exekutionsverfahrens gegen ihn ablegte. Damit ist der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien Genüge getan. Ihr Sinn kann nur dahin verstanden werden, daß die klagende Partei zunächst alle vernünftigen Schritte zur Hereinbringung der Wechselforderung unternehmen solle, bevor sie die beklagte Partei in Anspruch nimmt. Gegen Mitschuldner weiter vorzugehen, bevor der Gläubiger einen Mitschuldner in Anspruch nimmt, dem er versprochen hat, zunächst Befriedigung bei diesen anderen Mitschuldnern zu suchen, kann dem Gläubiger dann nicht mehr zugemutet werden, wenn die Mitschuldner den Offenbarungseid abgelegt haben, mag dann auch einer dieser Mitschuldner in wenig konkreter Form behaupten, Forderungen gegen einen Dritten zu haben.

Dagegen ist der beklagten Partei in rechtlicher Beziehung insoweit zu folgen, als sie ausführt, es bestehe keine Rechtsgrundlage dafür, daß sie die Eintreibungskosten der klagenden Partei zu ersetzen habe. Daß dieser Anspruch der klagenden Partei nicht auf Art. 48 WG. gestützt werden kann, erkennt das Berufungsgericht zutreffend selbst.

Daß mit den in Art. 48, 49 WG. 1955 (früher Art. 50, 51 ADWO.) genannten Kosten und Auslagen nur die Kosten erfaßt sind, die der Regreßberechtigte aufzuwenden gezwungen war, um den Regreß zu nehmen, nicht aber Prozeß- und Exekutionskosten gegen einen anderen Wechselschuldner, ist durchaus herrschende Auffassung (siehe insbesondere Grünhut II, S. 422 f.; Hupka, Das einheitliche Wechselrecht der Genfer Verträge, S. 136; Armijon - Cary, La lettre de Change, S. 352; Stranz, WG.[14], Berlin 1952, S. 280; Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht, Berlin 1955, S. 798 f.).

Auch eine andere als eine wechselgesetzliche Grundlage für den hier erhobenen Anspruch besteht nicht. Der Anspruch könnte allenfalls auf einer Vereinbarung beruhen. Dazu hat das Erstgericht aber festgestellt, daß eine solche Vereinbarung nicht getroffen wurde. Die Rechtsmeinung, daß es die beklagte Partei stillschweigend (schlüssig) übernommen habe, der klagenden Partei die Kosten der im Interesse der beklagten Partei unternommenen Schritte zu ersetzen, vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu teilen. Ein solcher Parteienwille kann aus der Vereinbarung, daß zunächst die Akzeptanten in Anspruch genommen werden sollen, nicht abgeleitet werden (§ 863 (1) ABGB.).

Es ist ebenso gut möglich, daß die Parteien überhaupt an die Kosten nicht gedacht haben, wie daß sie sich Verschiedenes gedacht haben; sicher hat der Beklagte nicht die Absicht gehabt, sich zum Kostenersatz zu verpflichten. Davon, daß bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund bestehe, an einer Vereinbarung über die Kostentragung durch die Parteien zu zweifeln, kann keine Rede sein. Dies um so weniger, als eine ausdrückliche Vereinbarung hierüber recht nahe gelegen wäre und gerade das Schweigen der Parteien eher darauf hinweist, daß sie diese Frage, sofern sie sie nicht doch übersehen haben, nicht berühren wollten.

Zureichende Behauptungen über einen Sachverhalt, aus dem sich eine übereinstimmende Parteienabsicht hinsichtlich der Kostentragung ergeben soll, hat die klagende Partei nicht aufgestellt. In der Klage findet sich nur die allgemeine Rechtsansicht, daß die Abrede der Vorausklage unter Kaufleuten dahin ausgelegt werden müsse, daß der Beklagte auch die Kosten zu zahlen habe. Der dann folgende Satz, der Beklagte habe sich ja den Vorteil sichern wollen, daß die klagende Partei die Exekution restlos durchführe, ist bloß eine Wiedergabe des selbstverständlichen Sinnes der Einrede jeder Vorausklage und eine allgemeine Erwägung, die die Kostentragungspflicht stützen soll. Die klagende Partei meint eben, die Pflicht zum Kostenersatz sei selbstverständlich und ergebe sich notwendig aus der Vereinbarung der Vorausklage. Diese Auffassung ist unrichtig.

Wenn das Berufungsgericht meint, die beklagte Partei habe sich auf diese Art erspart, selbst die Hereinbringung bei den Annehmern zu betreiben, so mag dies bei bloß wirtschaftlicher Betrachtung der Sachlage zutreffen. Es ist aber nicht richtig, daß die Klägerin, wenn sie auch im eigenen Namen eingeschritten ist, doch auch ein Geschäft der Beklagten, besorgt hat. Die Klägerin hat vielmehr ihre eigenen Wechselforderungen gegen die Annehmer geltend gemacht und daher im Rechtssinne nur ein eigenes Geschäft besorgt. Wenn die beklagte Partei ein wirtschaftliches Interesse hatte, daß die Klägerin so vorgehe, so gibt dies allein keine ausreichende Rechtsgrundlage, um der beklagten Partei die Kosten dieses Vorgehens zum Ersatz an die Klägerin anzulasten. Es ist nicht so, daß die klagende Partei von vorneherein Anspruch auf Ersatz dieser Kosten hatte und auf ihn nicht verzichtet hat, sondern vielmehr so, daß die klagende Partei mangels eines Rechtsgrundes den Ersatz der bei der Durchsetzung ihrer eigenen Ansprüche ihr entstandenen Kosten von der beklagten Partei nicht verlangen kann.

Gegen die eben vertretene Meinung scheint der von Kapfer, Wechselgesetz und Scheckgesetz[5], Wien 1961, unter Nr. 4 zu Art. 48 Abs. 1 Zahl 3 (S. 152) als Inhalt der Entscheidungen vom 28. März 1872, Krall 209 = GH. 1872 S. 176; 2. Mai 1876, Czel. 125 = JBl. 1876 S. 312;, 17. Oktober 1876, Czel. 148 = GH. 1876 S.548; 24. April 1877, Czel. 165 = JBl. 1877 S. 331, angegebene folgende Rechtssatz zu sprechen: "Die Verpflichtung des Wechselschuldners erstreckt sich außer auf den Ersatz aller mit dem kaufmännischen Verkehr in Wechseln verbundenen Auslagen auch auf den Ersatz der durch die Klage- und Exekutionsführung gegen den belangten Wechselschuldner (und die gemeinsam mit ihm belangten Mitschuldner) entstandenen Kosten, nicht aber auch jener Prozeß- und Exekutionskosten, die durch gesonderte Klageführung des Wechselinhabers gegen einen anderen Wechselschulder entstanden sind." Die Entscheidungen widersprechen aber, wenn man auf die ursprünglichen Fundstellen zurückgeht, nicht der oben vom Obersten Gerichtshof ausführlich entwickelten Rechtsmeinung. Verwirrend ist der Hinweis auf die E. 28. März 1872, wonach der Mitakzeptant für die gegen den Akzeptanten aufgelaufenen Kosten haftet; als Mitakzeptant wurde nämlich vor dem Genfer EWG. der Wechselbürge des Akzeptanten bezeichnet (Grünhut, Wechselrecht II, S. 31, Anm. 28):

um diesen Fall handelt es sich hier aber nicht, weil vom Aussteller und Indossanten die in dem Verfahren gegen die drei Annehmer entstandenen Kosten verlangt werden. In der E. 2. Mai 1876 wurde ein Anspruch des Inhabers auf Ersatz der gegenüber anderen Wechselschuldnern entstandenen Verfahrenskosten schlechthin verneint und ausgesprochen, daß unter den in Art. 50 und 51 ADWO. - die den Art. 48 und 49 WG. 1955 entsprachen - erwähnten Auslagen und Kosten nur die mit dem kaufmännischen Verkehr in Wechseln verbundenen Auslagen und Kosten, nicht aber die Kosten gerichtlichen Einschreitens zu verstehen sind. Diese Entscheidung steht also bereits völlig auf dem Boden der oben vom Obersten Gerichtshof vertretenen Meinung. Ebenso wurde in der E. 17. Oktober 1876 ausgesprochen, daß eine Solidarverbindlichkeit der Wechselverpflichteten für Exekutionskosten gegen andere Wechselverpflichtete in den Bestimmungen der ADWO. nicht enthalten ist. In der E. 24. April 1877 war ein Exekutionstitel gegen den Akzeptanten, den Aussteller und den Indossanten erwirkt worden. Der betreibende Gläubiger hatte zunächst gegen den Akzeptanten fruchtlos Exekution geführt und sodann im Exekutionsverfahren gegen den Indossanten auch die gegen den Akzeptanten entstandenen Exekutionskosten geltend gemacht. Die Kosten wurden von der zweiten Instanz ausgeschieden, was der Oberste Gerichtshof billigte, "weil die Solidarverpflichtung der belangten Wechselschuldner über den im Wechselrecht begrundeten und im Zahlungserkenntnisse ausgesprochenen Umfang nicht ausgedehnt werden kann und sich schon aus der Veranlassung und dem Entstehungsgrunde des Gerichtskostenanspruches ergibt, daß diese Solidarverbindlichkeit der mittels einer Klage belangten mehreren Verpflichteten sich nur auf die Kosten des wider sie gemeinschaftlich durchgeführten Verfahrens erstrecken, im Falle des gegen einen Einzelnen der Belangten eintretenden abgesonderten Erkenntnis- oder Vollstreckungsverfahrens aber der Ersatz der hiedurch entstandenen Kosten nur denjenigen der Belangten treffen kann, gegen welchen dieses Verfahren stattgefunden hat." Auch dieser Fall liegt also völlig anders als der hier zu entscheidende. Zusammenfassend ergibt sich, daß die erste und vierte Entscheidung anders gelagerte Fälle betrafen, während die zweite und dritte Entscheidung gleichlaufende Fälle zum Gegenstand hatten und bereits der oben vom Obersten Gerichtshof vertretenen Rechtsauffassung entsprachen.

Der Revision war nach dem Vorgesagten teilweise dahin Folge zu geben, daß das Begehren auf Zahlung der der Klägerin gegen die Akzeptanten entstandenen Prozeß- und Exekutionskosten von insgesamt 4236.26 S samt Zinsen abgewiesen wurde. Die dem Inhaber im Rückgriffsweg über die Wechselsumme hinaus gebührenden Ansprüche, nämlich 6% Zinsen seit dem Verfalltag, die Protestkosten und die Vergütung von 1/3% (Art. 48 WG.) sind von der klagenden Partei nicht geltend gemacht worden, so daß sie ihr auch nicht zugesprochen werden konnten.

Anmerkung

Z35017

Schlagworte

Kosten des Wechselregreßberechtigten, Prozeßkosten, Vereinbarung der Vorausklage unter Kaufleuten, Regreßberechtigter, Wechsel, Kosten und Auslagen des -, Solidarschuldner, Vereinbarung der Vorausklage unter Kaufleuten„ Prozeßkosten, Vorausklage, Vereinbarung der - unter Kaufleuten, Wechsel, Kosten und Auslagen des Regreßberechtigten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1962:0040OB00512.61.0130.000

Dokumentnummer

JJT_19620130_OGH0002_0040OB00512_6100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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