TE OGH 1962/5/9 6Ob114/62

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Veröffentlicht am 09.05.1962
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Norm

ABGB §795
ABGB §1487

Kopf

SZ 35/48

Spruch

Ein Unterhaltsanspruch nach § 795 ABGB. kommt nur bei gesetzmäßigem Ausschluß des Noterben von seinem Pflichtteil, nicht aber bei Verjährung des Pflichtteilsanspruches gemäß § 1487 ABGB. in Betracht.

Entscheidung vom 9. Mai 1962, 6 Ob 114/62.

I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung monatlich im vorhinein zu leistender Unterhaltsbeiträge von 1000 S. Hiezu brachte sie vor, daß sie als eheliche Tochter nach ihrem am 18. Jänner 1951 verstorbenen Vater Josef X. wegen ihrer Enterbung keinen Pflichtteil empfangen habe. Das die Enterbung anordnende Testament ihres Vaters sei im vorangegangenen Erbrechtsstreite rechtskräftig als gültig festgestellt und der Nachlaß ihres Vaters der beklagten Witwe des Erblassers als Alleinerbin rechtskräftig eingeantwortet worden. Der Beklagten sei hiedurch ein reiner Nachlaßwert von 309.777.14 S zugekommen. Die Klägerin sei wegen Krankheit erwerbsunfähig, empfange keine Rente oder Unterstützung, sei vermögenslos und könne auch sonst gegen niemand einen Unterhaltsanspruch geltend machen.

Das Erstgericht wies dieses Unterhaltsbegehren ab. Die Klägerin sei zwar enterbt worden, weil sie dem Erblasser seit Jahren das Leben schwergemacht, gegen ihn zahllose Prozesse angestrengt und immer wieder aus nichtigen Gründen Entmündigungsanträge eingebracht und ihn in jeder Weise schlecht behandelt hätte. Nach der Ansicht des Prozeßgerichtes sei aber der Ausschluß der Klägerin von ihrem Pflichtteil nicht gesetzmäßig; denn die vom Erblasser angeführten Gründe ließen sich selbst bei weitherzigster Auslegung nicht unter einen der in § 768 ABGB. taxativ angeführten Enterbungstatbestände subsumieren.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist gemäß § 502 ZPO. zulässig, weil es sich diesfalls um den Grund des Unterhaltsanspruches der Klägerin handelt (§ 502 Abs. 2 ZPO., Judikat 60 neu = SZ. XXVII 177 u. a.) und der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 10.000 S übersteigt (§§ 58 (1) JN., 502 (3) ZPO.). Die Revision ist aber nicht begrundet.

Die Ansicht der Untergerichte, daß § 795 ABGB. nur in Betracht kommen würde, wenn ein gesetzmäßiger Ausschluß der Klägerin von ihrem Pflichtteil vorläge, ist nicht rechtsirrig (Weiß in Klang[2] III S. 957). Diese Ansicht entspricht dem Wortlaut und Sinn des § 795 ABGB. zufolge der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang (§ 6 ABGB.). Zutreffend wird in der Revisionsbeantwortung ausgeführt, daß bei einer anderen - von der Klägerin angestrebten - Auslegung ein nicht rechtmäßig enterbter Noterbe ein Wahlrecht zwischen dem Begehren auf Zahlung des gesetzlichen Pflichtteils und dem Begehren auf Gewährung des notwendigen Unterhaltes hätte, was nicht als die sich aus § 795 ABGB. ergebende Absicht des Gesetzgebers angenommen werden kann.

Es kann aber auch entgegen der in der Revision vorgetragenen Ansicht deshalb, weil die Klägerin in einem früheren Verfahren ihren Pflichtteilsanspruch verspätet geltend gemacht hatte und die Klage deshalb wegen Verjährung gemäß § 1487 ABGB. rechtskräftig abgewiesen wurde, noch keineswegs angenommen werden, die Klägerin sei von ihrem Pflichtteilsanspruch im Sinne des § 795 ABGB. gesetzmäßig ausgeschlossen gewesen, also ihr an und für sich gegebener Pflichtteilsanspruch sei aus den im Gesetz vorgesehenen Gründen (§§ 768, 769, 770 bzw. 540 bis 542 und 782 ABGB.) überhaupt nicht zur Entstehung gelangt. Nur wenn der Pflichtteilsanspruch des Noterben aus den im Gesetz angeführten Gründen überhaupt nicht zur Entstehung gelangt wäre, wäre ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung des notwendigen Unterhaltes im Sinne des § 795 ABGB. entstanden.

Eine rechtmäßige Enterbung der Klägerin durch ihren Vater im Sinne des § 768 ABGB. haben die Untergerichte aber nicht als erwiesen angenommen. Nach der allgemeinen Beweislastregel hätte die Klägerin die tatsächlichen Voraussetzungen der für sie im vorliegenden Falle günstigen Norm über die Möglichkeit ihrer Enterbung beweisen müssen und nicht etwa die Beklagte das Gegenteil (vgl. 2 Ob 678/55 u. a.). Daß die Vorinstanzen bloß auf Grund der von der Klägerin als Beweismittel angeführten Akten einen Beweis für die Enterbung der Klägerin nicht als erbracht angesehen haben, ist keineswegs denkgesetzwidrig; denn das sich aus den angeführten Akten ergebende Verhalten der Klägerin würde weder zur Annahme des Enterbungsgrundes des § 768 Z. 2 noch des des § 768 Z. 4 ABGB. hinreichen (vgl. gleichfalls 2 Ob 678/55). Die Rechtsrüge der Revision greift auch insoferne nicht durch, als sie aus dem Umstande, daß die Klägerin von ihrem Vater im Testament vom 6. November 1950 enterbt wurde, bereits das tatsächliche Vorliegen eines gesetzlichen Enterbungsgrundes ableiten will. Deshalb, weil jemand in einem Testament enterbt wurde, steht noch keineswegs fest, daß die Enterbung rechtmäßig erfolgt ist.

Anmerkung

Z35048

Schlagworte

Enterbung, Rechtmäßigkeit, Noterbe, Unterhaltsanspruch, Pflichtteil, Verjährung und Unterhaltsanspruch des Noterben, Unterhaltsanspruch des Noterben, Verjährung des Pflichtteilanspruchs

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1962:0060OB00114.62.0509.000

Dokumentnummer

JJT_19620509_OGH0002_0060OB00114_6200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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