TE OGH 1962/12/12 6Ob299/62

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Veröffentlicht am 12.12.1962
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Norm

ABGB §1010
ABGB §1298
ABGB §1299
ZPO §31 (2)

Kopf

SZ 35/130

Spruch

Zum Schadenersatzanspruch des Klienten eines Rechtsanwaltes gegen dessen Substituten.

Entscheidung vom 12. Dezember 1962, 6 Ob 299/62.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Kläger Josef R., Kaufmann in Innsbruck, meldete in dem am 8. November 1957 beim Landesgericht Klagenfurt unter Sa 34/57 eröffneten Ausgleichsverfahren über das Vermögen der prot. Firma "Karl Tr.", Alleininhaber Karl Tr., eine Forderung von insgesamt 230.972.49 S an, die zum größeren Teil auf Warengeschäfte, zum kleineren Teil auf einen Schadenersatzanspruch zurückging. Zugleich machte er in Ansehung von Büromaschinen, welche er Tr. unter Eigentumsvorbehalt geliefert hatte, Aussonderungsansprüche sowie bezüglich einer Eigentumswohnung Tr.'s auf Grund einer zwangsweisen Pfandrechtbegründung Absonderungsansprüche geltend. Die Forderung des durch den Innsbrucker Rechtsanwalt Dr. Eduard Th. vertretenen Klägers wurde ursprünglich von Tr. und auch vom Ausgleichsverwalter bezüglich eines Teilbetrages von 100.000 S bestritten.

Am 27. Jänner 1958 fand in der Kanzlei des seither verstorbenen Rechtsanwaltes Dr. Eduard Th. in Innsbruck eine Besprechung statt, an welcher außer dem Kläger und Dr. Th. auch Tr. und der Beklagte, Dr. Kurt D., ein Kärntner Rechtsanwalt, welcher Tr. in früheren Causen gegen den Kläger vertreten hatte und nun selbst auch Ausgleichsgläubiger war, teilnahmen. Das Ergebnis dieser Besprechung wurde in einem von Dr. Th. diktierten Aktenvermerk folgenden Wortlautes niedergelegt (Beilage A):

"Besprechung zwischen den Herren Josef R., Innsbruck, Rechtsanwalt Doktor Kurt D., Karl Tr., Klagenfurt, und Dr. Eduard Th., Rechtsanwalt, Innsbruck, vom 27. Jänner 1958.

1. Eigentumswohnung in Graz.

Herr Tr. gibt bekannt, daß die vom Wiederaufbaufonds für das gegenständliche Haus aufgewendeten Fondsmittel zirka 1.600.000 S betragen und daß sein Anteil rund 1/16 beträgt. Die Wohnung ist als Dienstwohnung an G. überlassen. Hierüber besteht ein schriftlicher Vertrag und ein mündliches, durch Zeugen nachweisbares Übereinkommen. Herr Tr. übernimmt es, G. aus der Wohnung zu entfernen und einen Käufer für die Wohnung ausfindig zu machen. Der Erlös wird nach Annahme Tr.'s mindestens 45.000 S betragen. Er ist ungekürzt an Herrn R. abzuführen gegen Löschung des Pfandrechtes.

2. Verpfändete, unter Eigentumsvorbehalt des Herrn R. stehende Maschinen.

Herr Tr. wird die im Dorotheum Graz verpfändeten fünf Stück "Regna" QE 52 auslösen und an Hern R. zurückstellen, wodurch sich seine Verpflichtung gegenüber Herrn R. um 33.000 S verringert. Die Maschinen müssen neu und originalverpackt sein.

3. Laut Anmeldung beträgt das Guthaben des Herrn R. für Warenlieferungen samt Zinsen und Kosten 135.965.73 S. Herr Tr. anerkennt aus der von Herrn R. angemeldeten Schadenersatzforderung per 95.006.76 S die Hälfte, das ist 47.503.38 S, so daß sich das Gesamtguthaben des Herrn R. erstellt auf 183.469.11 S. Herrn R. kommt daher das Stimmrecht für diesen Betrag zu.

4. Demnach hat Herr R. zu erhalten: Die 40%ige Quote aus 183.469.11

S, d.s. .................  73.387.64 S weiters für die

rückzustellenden Maschinen ..............  33.000.-- S ------------

zusammen ................................................ 106.387.64

S ferner den Erlös aus der Eigentumswohnung Graz bis zum Betrage von

.....................................  29.578.09 S ------------

135.965.73 S

5. Falls für die Wohnung in Graz ein höherer Betrag erzielt wird als 29.578.09S, ist der Mehrerlös gleichfalls an Herrn R. abzuführen und auf die Ausgleichsquoten zu verrechnen. Sollte für die Eigentumswohnung ein geringerer Betrag als 29.578.09 S an Herrn R. abgeführt werden, so übernimmt Herr Ulrich Tr., von Beruf Rentner und Hausbesitzer, die Haftung für den Ausfall. Die schriftliche Haftungserklärung wird vor der Ausgleichstagsatzung beigebracht.

Die Verwertung der Eigentumswohnung in Graz und die Abführung des Erlöses an Herrn R. muß bis 31. Dezember 1958 erfolgen.

6. Die Firma R. hat an die Firma Tr. fünf Regna-Kassen Modell 56 zu liefern, deren Kaufpreis heute mit 19.894 S bezahlt wurde.

Die Rückstellung der im Dorotheum Graz verpfändeten fünf anderen Regna-Modelle 52 QE erfolgt innerhalb vier Wochen nach Auslieferung der obenerwähnten fünf Maschinen, Modell 56.

Die Firma Tr. hat an jene Kunden, die mit den Kassen Modell 56 beliefert werden sollen, ersatzweise andere, teurere Modelle zur Verfügung gestellt, bezüglich deren der Eigentumsvorbehalt zugunsten der Firma R. besteht. Dieser Eigentumsvorbehalt bleibt so lange aufrecht, bis die fünf Dorotheum-Kassen bei R. eingelangt sind.

7. Herr Ferdinand G. hat sich gegenüber Herrn R. verpflichtet, für allfällige Verluste, die Herr R. aus der Geschäftsverbindung mit Herrn Tr. erleidet, bis zu einem Höchstbetrage von 50.000 S aufzukommen, und er hat für diese Verpflichtung einen Deckungswechsel gegeben. Falls Herr Tr. allen heute übernommenen Verbindlichkeiten voll nachkommt, verzichtet Herr R. auf die Inanspruchnahme des Herrn G. und stellt den Wechsel zurück.

8. Sollte Herr Tr. auch nur eine der im heutigen Abkommen übernommenen Verpflichtungen nicht erfüllen, behält sich Herr R. vor, auch die zweite, von Tr. nicht anerkannte Hälfte der Schadenersatzforderung geltend zu machen."

Es ist unbestritten, daß der Beklagte eine Ab- oder Durchschrift dieses Aktenvermerkes erhielt; der genaue Zeitpunkt, wann sie ihm ausgehändigt wurde, steht allerdings nicht fest.

Dr. Th. schickte dem Beklagten weiters eine - nunmehr im Akt Sa 34/57 erliegende - schriftliche Vollmacht folgenden Wortlautes:

"Als zu Sa 34/57 des Landesgerichtes Klagenfurt ausgewiesener Vertreter der Firma R. in Innsbruck bevollmächtige ich Herrn Dr. Kurt D. bei der Ausgleichstagsatzung am 4. Februar 1958 das Stimmrecht für den Betrag von 183.469.11 S auszuüben. Dr. Th."

Am 4. Februar 1958 intervenierte der Beklagte als Substitut Dris. Th. für den Kläger bei der Ausgleichstagsatzung. Dabei gab er die Erklärung ab, daß Aus- und Absonderungsrechte von diesem nicht mehr geltend gemacht werden, und stimmte mit der in dieser Höhe von Tr. und dem Ausgleichsverwalter nunmehr anerkannten Forderung von 183.469.11 S für den Ausgleich, der tatsächlich angenommen wurde.

Im vorliegenden, seit 28. Juli 1960 anhängigen Prozeß belangte der Kläger den Beklagten auf Schadenersatz, wobei er geltend machte, dieser habe in schuldhafter Überschreitung seiner Substitutionsvollmacht die Aus- und Absonderungsrechte aufgegeben, welche bis zur Erfüllung der am 27. Jänner 1958 festgelegten Ansprüche des Klägers hätten aufrecht bleiben sollen; daß der Kläger dadurch Schaden erlitten habe, sei in einem beim Bezirksgericht Innsbruck unter 7 C 47/59 durchgeführten Oppositionsprozeß zwischen den Streitteilen dem Gründe nach bereits festgestellt worden.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Die Begründung seines Urteils läßt sich wie folgt zusammenfassen: Tr. habe sich bei der Besprechung vom 27. Jänner 1958 in der Lage des Bittstellers befunden, weil er auf das Entgegenkommen des Klägers, seines größten Gläubigers, angewiesen gewesen sei; das Bestreben des Tr. sei es gewesen, dem Kläger eine Summe zu nennen, die es ihm schmackhaft erscheinen lassen sollte, für den Ausgleich zu stimmen; der Kläger habe damals von seiner Warenforderung von 135.695.73 S nichts nachlassen wollen; die Durchsetzung seiner diesbezüglichen Ansprüche habe er seinem Vertreter Dr. Th. überlassen; daß der Kläger einen von Ferdinand G. akzeptierten nichtdatierten Wechsel über 50.000 S besaß, sei allen bekannt gewesen: der Beklagte habe den Eindruck gehabt, daß der Kläger die Möglichkeit gehabt habe, mit dem Wechsel bei Tr. ausfallende Beträge hereinzubekommen; nach dem Eindruck des Beklagten hätten alle Beteiligten darin übereingestimmt, daß die Ausübung des Stimmrechtes für den eingeschränkten Betrag von 183.469.11 S die Aufgabe der Aus- und Absonderungsrechte des Klägers im Ausgleichsverfahren zur Folge habe; nach Erinnerung des Beklagten hätte der Kläger damals folgende Werte in Händen gehabt:

5 Regna-Kassen ..........................................  33.000.-

S Sparbuch Ulrich Tr. .....................................

10.000.-  S 1

Ausgleichsrate.........................................  14.677.53 S

G.-Wechsel ..............................................  50.000.-

S ------------ zusammen

................................................ 107.677.53 S

Nach Ansicht des Beklagten habe sich der Kläger den Betrag von 50.000 S (G.-Wechsel) nicht in die Ausgleichsquote einrechnen lassen müssen, sondern wäre ebenso wie im Falle der Bürgschaft des Ulrich Tr. (10.000 S) berechtigt gewesen, den Wechsel neben der Ausgleichsquote zu verwerten; einen Auftrag, Ab- und Aussonderungsrechte bei der Ausgleichstagsatzung nicht aufzugeben, habe der Beklagte nicht erhalten; wenn dem Kläger hinterher auf Grund der Aufgabe der Aus- und Absonderungsrechte durch den Beklagten oder aus welchen Gründen immer ein Schaden erwachsen sei, rechtfertige dies weder die Annahme, daß vom Eintritt eines solchen Schadens bei der Besprechung vom 27. Jänner 1958 die Rede gewesen sei, noch, daß der Beklagte von Dr. Th. oder vom Kläger den Auftrag erhalten habe, über die in der Niederschrift vom 27. Jänner 1958 angeführten Rechte hinaus noch die Aus- und Absonderungsrechte aufrechtzuerhalten.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es vertrat die Ansicht, daß dem Beklagten gemäß § 1298 ABGB. entweder der Beweis dafür obliege, er sei vom Kläger oder Dr. Th. positiv beauftragt worden, auf die Geltendmachung der Ab- und Aussonderungsrechte zu verzichten, oder aber der Nachweis der Richtigkeit seines Vorgehens trotz fehlenden Auftrages; der Übertretung eines ausdrücklichen Verbotes habe es zur Begründung seiner Verpflichtung, allfällige Schäden des Klägers zu ersetzen, hingegen nicht bedurft; der Beklagte habe vielmehr als Rechtsanwalt wissen müssen, daß er die wertvollen Ab- und Aussonderungsrechte des Klägers nicht ohne dessen ausdrückliche Zustimmung preisgeben durfte; der Erstrichter hätte darum zunächst festzustellen gehabt, ob der Beklagte diesen Nachweis erbracht habe, wozu aber die subjektive Meinung desselben allein nicht genüge;, im Zweifel wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, beim Kläger oder dessen Anwalt rückzufragen; falls der Erstrichter den geforderten Nachweis als nicht erbracht ansehe, müßte weiter geprüft werden, ob dem Kläger aus der Aufhebung der Ab- und Aussonderungsansprüche durch den Beklagten überhaupt ein Schaden entstanden sei und - zutreffendenfalls - in welcher Höhe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten, mit welchem Rekurs Spruchreife der Sache im Sinne einer Bestätigung des Urteils des Erstrichters geltend gemacht wurde, allerdings nicht durchwegs in dem vom Beklagten angestrebten Sinn Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was zunächst die Frage der Beweislastverteilung betrifft, welche das Berufungsgericht hinsichtlich des Verschuldens unter Heranziehung der Bestimmung des § 1298 ABGB. zum Nachteil des Beklagten lösen wollte, ist davon auszugehen, daß diese Bestimmung nur zur Anwendung kommt, wenn jemandem durch Nichterfüllung einer Verpflichtung ein Schaden entsteht, sich aber nicht auf Fälle bezieht, in denen jemand anläßlich einer Schulderfüllung geschädigt wird (vgl. hiezu Wolff in Klang[2], zu § 1298 ABGB., 7 Ob 398/57 = EvBl. 1957 Nr. 400 = JBl. 1958 S. 72, 6 Ob 24/61, 7 Ob 143/62).

Um den Beklagten wegen Nichterfüllung einer vertraglich übernommenen Verpflichtung - nur eine solche kommt diesmal ja in Betracht - belangen zu können, mußte der Kläger zunächst behaupten und unter Beweis stellen, daß zwischen ihm und dem Beklagten unmittelbar vertragliche Beziehungen begrundet worden waren. Das Vorbringen des Klägers in I. Instanz lief darauf hinaus, daß der Beklagte in schuldhafter Überschreitung der ihm erteilten Substitutionsvollmacht gehandelt habe, daß er, wenn er auch nach außen hin durch die ihm erteilte Vollmacht zur Abgabe der ihm nun angelasteten Erklärungen ermächtigt gewesen sei, doch im Innenverhältnis gegen seine Interessen gehandelt habe; es wäre seine Pflicht gewesen, nachdem sich die Vereinbarung vom 27. Jänner 1958 als undurchführbar erwiesen habe, auf der Durchsetzung der berechtigten Ansprüche des Klägers zu bestehen; dabei hätte er niemals auf die dem Kläger zustehenden Sicherheiten verzichten dürfen; daher hafte er ihm gemäß §§ 1295 (1) bzw. 1009 und 1012 ABGB. Ergänzend brachte der Kläger noch in seinem bei der Tagsatzung vom 21. Oktober 1960 vorgetragenen Schriftsatz vor, daß bei Einhaltung der Vereinbarung vom 27. Jänner 1958, in welcher ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, daß die Ab- und Aussonderungsrechte nicht aufgegeben werden dürften, keine Gefahr für den Kläger bestanden habe; es wäre Sache des Beklagten bzw. des Ausgleichsschuldners Tr. gewesen, diese Vereinbarung gegenüber dem Ausgleichsverwalter durchzusetzen; falls der Ausgleichsverwalter seine Zustimmung verweigerte, wäre die Vereinbarung hinfällig gewesen; keinesfalls habe der Beklagte eigenmächtig und ohne den Kläger zu fragen in schuldhafter Überschreitung seiner Vollmacht von der geschlossenen Vereinbarung abweichen dürfen; der Beklagte selbst habe den Vorschlag gemacht, ihm Vollmacht für die Ausgleichstagsatzung zu erteilen.

Eine Behauptung, der Beklagte sei in unmittelbare vertragliche Beziehungen zum Kläger getreten, kann in alldem aber wohl nicht erblickt werden. Erst in der Berufung machte der Kläger ausdrücklich geltend, er sei selbst Klient des Beklagten gewesen bzw. dieser sei auch als Substitut Dris. Th.s ihm, dem Kläger, direkt verantwortlich gewesen. Soweit damit tatsächliche Behauptungen nachgetragen werden sollten, sind sie aber als im Berufungsverfahren unzulässige Neuerungen unbeachtlich. Soweit es sich dabei nur um ein rechtliches Argument in Ansehung des schon in I. Instanz vorgebrachten Sachverhaltes handeln sollte, ist zu prüfen, ob aus dem Auftreten des Beklagten bei der Ausgleichstagsatzung vom 4. Februar 1958 als Substitut Dris. Th.s für sich allein schon das Zustandekommen unmittelbarer vertraglicher Beziehungen zwischen ihm und dem Kläger abgeleitet werden kann.

Die Frage, ob zwischen dem Klienten eines Rechtsanwaltes und dem von letzterem bestellten Substituten unmittelbare vertragliche Beziehungen bestehen, wird von der Lehre nicht einheitlich beantwortet. Sie wird z. B. von Schey ("Obligationsverhältnisse", S. 614), Skedl ("Das österreichische Zivilprozeßrecht", S. 317), Pollak (System, Bd. I., S. 153) bejaht, von Hupka ("Die Vollmacht", S. 360), Neumann (Bd. I., S. 360), Swoboda (in Klang[1], zu § 1010 ABGB.) und Fasching (Kommentar, Anm. 13 zu §§ 31, 32 ZPO.) verneint, während Ehrenzweig (§ 382 unter I) offenbar auf die besonderen Umstände des einzelnen Falles abstellen will. Der Plenissimarbeschluß vom 9. Juni 1914, JB. 212, geht auf dieses Problem nicht ein. Der Oberste Gerichtshof gelangt bei seiner Prüfung nunmehr zum Ergebnis, daß aus dem Bestand des Substitutionsverhältnisses zwischen dem substituierenden und dem substituierten Anwalt allein noch keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zwischen dem Klienten des substituierenden Anwaltes und dem Substituten abgeleitet werden können. Dies aus der Erwägung, daß andernfalls dem Klienten des substituierenden Anwaltes wohl auch das Recht zugebilligt werden müßte, unter Aufrechterhaltung seines Vertragsverhältnisses zu diesem die vertraglichen Beziehungen zwischen ihm und dem Substituten durch Vollmachtswiderruf zu lösen. Eine solche Möglichkeit wird aber auch von Skedl, der ansonsten den Bestand unmittelbarer vertraglicher Beziehungen zwischen dem Klienten und dem Substituten besonders bejahen will, ausgeschlossen.

Damit ist freilich über die Frage, ob der Klient vom Substituten unmittelbar Ersatz für ihm verursachte Schäden begehren kann, nicht abgesprochen. Die Notwendigkeit einer solchen Haftung betonte schon Sperl (S. 228) und neuerdings besonders Wahle in seiner Kritik an Faschings Kommentar (JBl. 1961, S. 452). Die Geltendmachung einer eigenmächtigen Beeinträchtigung der Interessen des Klägers durch den Beklagten unter Überschreitung der ihm von Dr. Th. erteilten Substitutionsvollmacht läuft - durchaus gedeckt durch die Bestimmung des § 1295 (1) ABGB., 2. Halbsatz - im wesentlichen darauf hinaus, daß der Kläger den Beklagten als bzw. wie einen Geschäftsführer ohne Auftrag in Anspruch nimmt, weil sich dieser außerhalb des Substitutionsverhältnisses ohne Not und eigenmächtig in seine Geschäfte gemengt habe (vgl. dazu auch schon Hupka a. a. O.). Ist also ein Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten an und für sich durchaus ableitbar, so ist unter diesen Umständen für eine Umkehrung der Beweislast im Sinne des § 1298 ABGB. doch kein Raum.

Daß der Beklagte Rechtsanwalt ist, also der Haftung des

Sachverständigen unterliegt (§ 1299 ABGB.), vermag daran nichts zu

ändern, weil diese Bestimmung keine Umkehrung der Beweislast

normiert, sondern nur den Maßstab der Beurteilung der vom

Sachverständigen anzuwendenden Sorgfalt dahin ändert, daß für einen

Sachverständigen ein sogenannter Kunstfehler ein gewöhnliches

Versehen ist (1 Ob 312/55, 7 Ob 6/57 = EvBl. 1957 Nr. 171, 6 Ob

279/61 = JBl. 1962 S. 152; Ehrenzweig[2], § 302 unter I, 1. b).

Auch bei der Substitution ist - abgesehen von der auf das Außenverhältnis bezüglichen Vollmacht - zwischen Auftrag und Ermächtigung zu unterscheiden, die sich beide auf das Innenverhältnis beziehen. Während auf der Vollmacht das Können des Vertreters beruht, beruht auf dem Auftrag sein Sollen, auf der Ermächtigung sein Dürfen (vgl. Ehrenzweig, § 110 unter I). Für den Auftrag und die Ermächtigung ist aber weiters charakteristisch, daß die Sach- und Rechtsbereiche, hinsichtlich welcher sie wirksam werden sollen, in der Regel zusammenfallen. Im Innenverhältnis wird nämlich in der Regel die Besorgung des aufgetragenen Geschäftes ebensoweit übernommen, als hiezu die Ermächtigung erteilt wird (vgl. Swoboda a. a. O. zu § 1002 ABGB. unter VIII a und die dort angeführte Literatur).

Das Schreiben Dris. Th.s an den Beklagten vom 27. Jänner 1958 stellte nun einerseits die Substitutionsvollmacht des letzteren nach außen hin dar, verbriefte aber andererseits im Innenverhältnis auch seine Ermächtigung dahin, in Ansehung der vom Kläger angemeldeten Forderung "das Stimmrecht für den Betrag von 183.469.11 S auszuüben". Von dem dem Beklagten erteilten und von ihm übernommenen Auftrag war in diesem Schreiben weiters keine Rede. Im Sinn obiger Ausführungen muß daher zunächst davon ausgegangen werden, der Auftrag an den Beklagten sei gleich weit gegangen wie die ihm erteilte Ermächtigung. Wer von den Streitteilen Rechte daraus ableiten will, daß zwischen Auftrag und Ermächtigung eine Diskrepanz bestanden habe, ist für letztere beweispflichtig.

Bestunde keine solche Diskrepanz, wäre dem Beklagten darin recht zu geben, daß ohne Aufgabe der Aus- und Absonderungsrechte des Klägers die Ausübung des Stimmrechtes für die (eingeschränkte) Forderung von 183.469.11 S bei der Ausgleichstagsatzung vom 4. Februar 1958 gar nicht möglich gewesen wäre, daß also das Vorgehen des Beklagten für die ihm nicht nur obliegende, sondern auch zuzubilligende "denkende Befolgung des Auftrages" (vgl. hiezu Swoboda a. a. O. zu § 1009 ABGB. unter III) durchaus am Platz gewesen wäre. Die vom Kläger im Ausgleich angemeldete Forderung für Warenlieferungen samt Zinsen und Kosten von zusammen 135.965.73 S. welche laut Punkt 3 der Vereinbarung vom 27. Jänner 1958 als Grundlage der Stimmrechtausübung uneingeschränkt aufrechterhalten werden sollte, umfaßte nämlich auch die Forderung auf Bezahlung des Kaufpreises samt Anhang für jene Maschinen, welche Tr. ungeachtet des Eigentumsvorbehaltes des Klägers teils an Kunden weitergegeben, teils im Dorotheum in Graz verpfändet hatte und bezüglich welcher der Kläger Aussonderungsrechte in Anspruch genommen hatte. Das ergibt sich sinngemäß schon aus Punkt 2 der Vereinbarung vom 27. Jänner 1958 und geht eindeutig aus der Forderungsanmeldung des Klägers im Akt Sa 34/57 (Anm.-Verz. PZ. 52) und seiner Eingabe vom 12. Dezember 1957 in letzterem Akt (ONr. 13) hervor. Aber auch das Pfandrecht, das er an der Eigentumswohnung Tr.s unter 9 E 1575/57 des Bezirksgerichtes für ZRS., Graz, auf Grund des rechtskräftigen Wechselzahlungsauftrages vom 18. Februar 1957 erwirkt hatte, konnte

-

da für die im Ausgleichsverfahren bestrittene Schadenersatzforderung noch kein Exekutionstitel erwirkt worden war

-

sich nur auf einen Teil der Forderung des Klägers an Tr. aus Warenlieferungen beziehen, was sich übrigens auch eindeutig aus den Ausführungen des Klägers zur Begründung des Absonderungsanspruches anläßlich der Forderungsanmeldung im Ausgleichsverfahren ergibt. Aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen der §§ 11, 39 (1) und 46 (1) AO. folgt, daß zur Ausübung des Stimmrechtes für die eingeschränkte Forderung von 183.469.11 S der Verzicht auf die mit ihr kollidierenden Aus- und Absonderungsrechte des Klägers nötig war.

In Erkenntnis dieser Rechtslage hat der Kläger denn auch behauptet und unter Beweis gestellt, daß der Beklagte mit Rücksicht auf die am 27. Jänner 1958 getroffenen Vereinbarungen dessenungeachtet nicht berechtigt gewesen sei, eine solche Verzichtserklärung abzugeben, daß es sogar Sache des Beklagten gewesen wäre, die Vereinbarung vom 27. Jänner 1958 dem Ausgleichsverwalter gegenüber durchzusetzen, und daß diese Vereinbarung hinfällig sein sollte, falls der Ausgleichsverwalter seine Zustimmung verweigern sollte.

Hätte nun der Erstrichter seine Feststellung, der Beklagte habe keinen Auftrag in der Richtung erhalten, daß die Aus- und Absonderungsrechte des Klägers bei der Ausgleichstagsatzung nicht aufgegeben werden sollten, ausschließlich auf Grund des Aktenvermerkes über die Besprechung vom 27. Jänner 1958 getroffen, hätte der Oberste Gerichtshof dazu selbst Stellung nehmen können, weil es sich dann nur um eine Frage der Urkundenauslegung gehandelt hätte, deren Überprüfung zum Bereich der rechtlichen Beurteilung gehört. Der Erstrichter hat die erwähnte Feststellung aber auch - und zwar im wesentlichen - auf die Parteienaussage des Beklagten begrundet. Die vom Kläger dagegen vorgebrachten Rügen im Rahmen des Berufungsgrundes unrichtiger Beweiswürdigung hat das Berufungsgericht - zufolge seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Auffassung von der Beweislastverteilung - bisher nicht erledigt. Dies führt zwangsläufig dazu, daß die Rechtssache zu neuerlicher Entscheidung an die II. Instanz zurückverwiesen werden muß. Es kann ja nicht von vornherein unterstellt werden, daß die dem Erstrichter vom Berufungsgericht aufgetragene Verfahrensergänzung zur Frage des vom Kläger behaupteten Schadens ergibt, das Klagebegehren werde - unabhängig von der Frage eines Verschuldens des Beklagten - schon mangels Nachweises eines dem Kläger verursachten Schadens abzuweisen sein. Daß bei Erledigung des Berufungsgrundes unrichtiger Beweiswürdigung, soweit es sich um die Frage handelt, wie der Beklagte die Abmachungen vom 27. Jänner 1958 verstanden hat, seine besondere Sachkunde als Rechtsanwalt ebenso eine Rolle spielen wird wie der gesamte Inhalt des Aktenvermerkes Dris. Th.s vom 27. Jänner 1958 - und nicht etwa nur die vom Beklagten im Rekurs zur Stützung seines Standpunktes herangezogenen Punkte 3 und 4 -, ist selbstverständlich.

Insofern der Beklagte meint, weitere Feststellungen seien nicht notwendig, weil man Dr. Th. und ihm doch nicht werde nachsagen wollen, sie hätten von vornherein etwas geplant bzw. geschaffen, was wegen seiner Rechtswidrigkeit dem Kläger Nachteile bringen bzw. zum Scheitern verurteilt sein mußte, womit offenbar auf die Frage eines Versuches einer unzulässigen Gläubigerbegünstigung im Ausgleichsverfahren angespielt wird, ist ihm entgegenzuhalten, daß dieser Fragenkomplex erst wird beurteilt werden können, wenn die Unterinstanzen ein klares Sachverhaltsbild über den Umfang, Sinn und Zweck seines Substitutionsauftrages und über die Umstände geschaffen haben, die ihn veranlaßten, ohne Fühlungnahme mit Dr. Th. die ihm jetzt angelastete Erklärung bei der Ausgleichstagsatzung abzugeben.

Auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Frage der Ermittlung eines allfälligen Schadens des Klägers einzugehen, erübrigt sich, weil sie vom Beklagten im Rekurs ausdrücklich als zutreffend angesehen werden und der Kläger seinerseits kein Rechtsmittel erhoben hat.

Anmerkung

Z35130

Schlagworte

Ausgleich, unsachgemäßes Verhalten eines Rechtsanwaltes, Rechtsanwaltssubstitut, Haftung gegenüber dem Klienten, Substitut eines Rechtsanwaltes, Haftung gegenüber dem Klienten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1962:0060OB00299.62.1212.000

Dokumentnummer

JJT_19621212_OGH0002_0060OB00299_6200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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