TE OGH 1962/12/13 5Ob289/62

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Veröffentlicht am 13.12.1962
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kisser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Turba, Dr. Graus, Dr. Greissinger und Dr. Mihatsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Othmar P*****, vertreten durch Dr. Josef Frauwallner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien I., Rosenbursenstraße 1, wegen Feststellung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 26. Juni 1962, GZ 2 R 142/62-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 6. März 1962, GZ 6 C 2690/61-11, abgeändert wurde in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Beide Parteien haben ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Am 20. 10. 1960 öffnete der Kläger in seinem Amtszimmer in Innsbruck zum Zwecke der Lüftung das Fenster. Dieses wurde durch einen Luftzug zugeschlagen, wobei eine Scheibe zerbrach. Am 27. 11. 1961 richtete die Finanzlandesdirektion ein Schreiben an den Kläger, in dem zuerst der Sachverhalt dargelegt, der Beklagte auf die Möglichkeit der Entlüftung des Zimmers durch Kippen des Fensters hingewiesen und ihm vorgehalten wurde, dass er den Erlass der Finanzlandesdirektion vom 20. 11. 1951, betreffend das Geschlossenhalten der Fenster an Föhntagen, unterschriftlich zur Kenntnis genommen habe. Sodann wurde ihm gemäß § 89 Abs 1 DP. der Ersatz der Reparaturskosten von 91 S auferlegt und ihm der Abzug dieses Betrages von den am 1. 12. 1961 zur Auszahlung gelangenden Dienstbezügen angedroht, falls er ihn nicht bis längstens 30. 11. 1961 selbst einzahle. Schließlich wurde er über die Möglichkeit belehrt, gemäß § 89 Abs 2 DP. gegen dieses administrative Ersatzerkenntnis eine Feststellungsklage bei Gericht zu erheben.

Die vom Kläger daraufhin eingebrachte mit 500 S bewertete Klage wurde vom Erstgericht abgewiesen, da der Kläger eine Schutznorm übertreten habe und er den ihm nach § 1311 ABGB obliegenden Beweis, dass der Schaden auch ohne diese Verletzung eingetreten wäre, nicht erbracht habe.

Das Berufungsgericht wiederholte die Aufnahme der Beweise und änderte sodann das Ersturteil dahin ab, dass es der Klage stattgab. Es fand, dass der Kläger weder eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB übertreten habe, noch dass ihm überhaupt ein Verschulden anzulasten sei.

Gegen seine Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei, in der die Anfechtungsgründe des § 503 Z 2 und 4 ZPO geltend gemacht werden und beantragt wird, entweder das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen oder das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Die Bewertung des nicht in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstandes durch den Kläger nach § 56 Abs 2 JN, die nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung insbesondere auch bei Feststellungsklagen gilt, ist - wie auch die sonstigen Bestimmungen der §§ 54 ff JN - nur für die Zuständigkeit und (§ 56 Abs 1 JN) für die Besetzung des Gerichtes maßgebend. Für die Frage, welcher Streitwert für die Anwendung des Verfahrens in Bagatellsachen maßgeblich ist, enthält der § 448 ZPO keine Bestimmungen. Gemäß § 7 ABGB werden daher im allgemeinen auch hiefür die Bestimmungen der §§ 54 ff JN anzuwenden sein (Neumann, Kommentar S. 1226, Wolff, in JBl. 1946, S. 140 ff, SZ III/87).

Dies gilt jedoch nicht unter allen Umständen, da es den öffentlich-rechtlichen Grundsätzen des Prozessrechtes widersprechen würde, dem Kläger die Entscheidung anheimzugeben, welches Verfahren anzuwenden ist. Die Parteien können einer Streitsache den Charakter einer Bagatellsache weder geben noch nehmen. Es muss sowohl dem Gericht freistehen, die Richtigkeit der Bewertung des Streitgegenstandes durch den Kläger zu prüfen, als auch dem Beklagten die Möglichkeit geboten werden, unrichtige Angaben des Klägers in dieser Beziehung zu berichtigen (Neumann, Kommentar, S. 1227, Sperl, Lehrbuch S. 547, GlUNF. 7546, JBl 1934, Nr. 299).

Nun muss sich zwar das Interesse des Klägers an der Feststellung des Nichtbestehens einer Geldforderung nicht unbedingt mit der Höhe dieser Forderung decken (ÖRZ. 1938, S. 58, GlUNF. 3973), doch müssen, wenn dies nicht zutreffen soll, irgendwelche Umstände zu erkennen sein, die ein Auseinanderfallen der beiden Werte rechtfertigen. Solche Umstände wurden hier weder behauptet noch sind sie im Zuge des Verfahrens hervorgekommen. Es ist auch nicht vorstellbar, inwiefern das Interesse des Klägers an der Feststellung, dass die gegen ihn erhobene Forderung von 91 S nicht zu Recht bestehe, höher zu bewerten sein soll als die Forderung selbst und warum der Wert dieses Interesses gerade 500 S betragen soll. Diese Bewertung geschah offenkundig nur zu dem Zwecke, die Behandlung des Rechtsstreites vom Verfahren in Bagatellsachen in das allgemeine bezirksgerichtliche Verfahren zu verschieben. Gerade das aber ist nicht zulässig (Neumann, aaO).

Dass die Rechtssache bisher nicht als Bagatellsache behandelt wurde, ist unentscheidend, da es für die Frage der Rechtsmittel nur darauf ankommt, ob sie eine Bagatellsache ist, und nicht darauf, wie über sie verhandelt wurde (Wolff aaO, S. 142).

Da die vorliegende Rechtssache somit als Bagatellsache anzusehen ist, musste die Revision der beklagten Partei als gemäß § 502 Abs 2 ZPO unzulässig zurückgewiesen werden.

Gemäß §§ 40 und 50 ZPO hat sowohl die beklagte Partei die Kosten ihrer unzulässigen Revision als auch der Kläger die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, da er darin die Unzulässigkeit der Revision nicht geltend gemacht hat und seine meritorischen Ausführungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung nicht notwendig waren.

Anmerkung

E76831 5Ob289.62

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1962:0050OB00289.62.1213.000

Dokumentnummer

JJT_19621213_OGH0002_0050OB00289_6200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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