TE OGH 1963/2/27 6Ob19/63

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Veröffentlicht am 27.02.1963
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Norm

Mietengesetz §19 (1)
Mietengesetz §21 (2)

Kopf

SZ 36/31

Spruch

Der bei einer Änderungskündigung in sinngemäßer Anwendung des § 21

(2) MietG. zu fassende Beschluß über das Ausmaß der gerechtfertigten Zinserhöhung und die Höhe des daraus zu errechnenden Rückstandes ist für die im Urteil vorzunehmende Beurteilung der Zulässigkeit der Änderungskündigung nicht bindend.

Entscheidung vom 27. Februar 1963, 6 Ob 19/63.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt - Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hauses, in welchem der Erstbeklagte die Wohnung Nr. 7, die Zweitbeklagte die Wohnung Nr. 2 und der Drittbeklagte die Wohnung Nr. 3 gemietet haben.

Mit den vorliegenden, am 25. Mai 1960 gesondert eingebrachten Kündigungen machte die Klägerin geltend, die Bestandobjekte unterlägen hinsichtlich der Zinsbildung weder den Bestimmungen des Mietengesetzes noch jenen des Preisstopgesetzes, es sei bereits in früheren Rechtssachen rechtskräftig festgestellt worden, daß die Voraussetzungen sogenannter Änderungskündigungen gegeben seien; nunmehr habe sich die Notwendigkeit zur Durchführung weiterer Arbeiten ergeben; unter Berücksichtigung des Kostenaufwandes, eines Mietzinsdefizits, der Geldbeschaffungskosten usw. ergebe sich ein Gesamterfordernis von 187.076 S 62 g bzw. unter Berücksichtigung einer Laufzeit von zehn Jahren für ein aufzunehmendes Darlehen ein monatliches Erfordernis von 2249 S 90 g; daraus errechne sich für die Wohnung des Erstbeklagten eine Betrag von 252 S 11 g, für die Wohnungen der beiden anderen Beklagten ein Betrag von je 89 S 74 g; zu den so geänderten Bedingungen werde den Beklagten die Fortsetzung ihrer Mietverhältnisse angeboten.

Der Erstrichter setzte nun in sinngemäßer Anwendung der Bestimmung des § 21 (2) MietG. auf Grund des von den Parteien anerkannten Gutachtens des Sachverständigen Ing. S. den auf die drei Wohnungen ab 1. September 1960 entfallenden Hauptmietzins in einer für verschiedene Zeiträume bis inklusive ab 1. April 1971 gestaffelten Höhe ziffernmäßig fest und sprach aus, daß der ab 1. September 1960 bis 31. Oktober 1962 aufgelaufene Rückstand beim Erstbeklagten 4669 S 25 g, bei der Zweitbeklagten 1437 S 25 g und beim Drittbeklagten 1657 S 19 g betrage. In der Begründung seines Beschlusses führte er noch aus, die grundsätzliche Berechtigung der Klägerin zu Änderungskündigungen sei bereits in einem Vorprozeß mit rechtskräftigem Beschluß vom 23. Juni 1958 festgestellt worden, weshalb sich diesbezüglich weitere Erwägungen erübrigten.

Die Beklagten erklärten in ihrem dagegen erhobenen Rekurs ausdrücklich, die ziffernmäßige Höhe der vom Erstrichter festgesetzten Mietzinse nicht zu bekämpfen, es werde lediglich dessen Rechtsansicht angefochten, daß mit Rücksicht auf den in einem Vorprozeß ergangenen Beschluß die Berechtigung der Klägerin zu Änderungskündigungen nicht mehr geprüft zu werden brauche.

Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstrichters unter Rechtskraftvorbehalt mit dem Auftrag zu Verfahrensergänzungen auf. Es vertrat den Standpunkt, daß zwar eine Anwendbarkeit der Bestimmungen des ZinsstopG. schon jetzt nach den vorliegenden Unterlagen und dem Vorbringen der Beklagten selbst verneint werden könne, daß dies aber bezüglich der Anwendbarkeit der Zinsbildungsbestimmungen des Mietengesetzes noch nicht der Fall sei; den Beklagten sei nämlich darin beizupflichten, daß sich aus dem Beschluß vom 23. Juni 1958, womit auf Grund früherer Änderungskündigungen gegen die Beklagten ein kostendeckender Zins und ein damals aufgelaufener Zinsrückstand festgestellt wurde, noch nicht ableiten lasse, daß auch die vorliegenden Kündigungen zulässig seien.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Partei Folge und stellte die Entscheidung des Erstrichters wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Daß bei einer sogenannten Änderungskündigung in sinngemäßer Anwendung der Bestimmung des § 21 (2) MietG. ein Beschluß zu fassen ist, in dem der auf das gerechtfertigte Ausmaß erhöhte Zins, die Zeit, für die er verlangt werden kann, und die Höhe des daraus zu errechnenden "Rückstandes" festzustellen ist, entspricht der nahezu einhelligen und nunmehr ständigen Judikatur des Obersten

Gerichtshofes (vgl. hiezu 3 Ob 731/53 = MietSlg. 3360, 3 Ob 177/55 =

MietSlg. 4573, 1 Ob 89/58 = MietSlg. 6685, 3 Ob 22O/60 = MietSlg. 8283 u. a.). Dagegen könnte höchstens angeführt werden, daß in 6 Ob 22/58 = MietSlg. 6686 eine solche Beschlußfassung bei einer Kündigung nach § 19 (1) MietG. als verfehlt bezeichnet wurde, doch ergibt eine nähere Prüfung dieser Entscheidung, daß das Schwergewicht damals, wie auch in der dort zitierten Entscheidung 3 Ob 6/58 = RZ. 1958 S. 107, auf einer anderen Frage lag, nämlich auf der, ob ein rechtskräftiger Beschluß dieser Art für die Prüfung der Zulässigkeit einer Änderungskündigung im Urteil von Bedeutung sei bzw. bereits eine bindende Bejahung der Zulässigkeit einer solchen Kündigung darstelle. Diese Frage wurde schon damals verneint (3 Ob 6/58 = MietSlg. 6779 = RZ. 1958 S. 107, 6 Ob 22/58 = MietSlg. 6778), und daran hat der Oberste Gerichtshof auch in der Folge festgehalten (7 Ob 245/62). Er findet keinen Anlaß, hievon abzugehen. Wird gemäß § 19 (2) Z. 1 MietG., also wegen eines echten Zinsrückstandes auf Grund des bisherigen Vertrages, gekundigt, kommt also die Bestimmung des § 21 (2) MietG. unmittelbar und direkt zur Anwendung, kann die Frage, ob das Bestehen des rechtskräftig festgestellten Zinsrückstandes zum Anlaß einer Kündigung genommen werden darf, naturgemäß überhaupt nicht auftauchen. Bei der bloß sinngemäßen Anwendung des § 21 (2) MietG. im Fall einer nur im Rahmen des § 19

(1) MietG. möglichen Änderungskündigung ist die Situation aber etwas anders, denn der hier zu fassende Beschluß bezweckt wohl, dem Mieter die Möglichkeit zu geben, die Kündigung durch Bezahlung jenes sogenannten "Rückstandes", der sich aus der für gerechtfertigt erklärten Zinserhöhung ermitteln läßt, bzw. durch die Einwilligung

in die diesbezügliche Vertragsänderung abzuwenden (3 Ob 731/53 =

MietSlg. 3366, 3 Ob 177/55 = MietSlg. 4573 u. a.), es stellt dies

aber nur eine seiner Möglichkeiten dar, den Prozeßanspruch der Vermieter abzuwehren, und läßt die Frage nach der Zulässigkeit der Änderungskündigung an und für sich unberührt. Ein rechtskräftiger Beschluß dieses Inhaltes hat hier wohl die Wirkung, daß im Rechtsmittelverfahren gegen das Urteil über den Kündigungsanspruch dann die - letzten Endes in den Bereich der Sachverhaltsermittlung gehörige - Frage der Höhe des geänderten Zinses nicht mehr aufgerollt werden kann (1 Ob 89/58, MietSlg. 6685), aber doch nicht die Wirkung einer rechtskräftigen Entscheidung über die Zulassung der Änderungskündigung überhaupt. Dazu bedürfte es eines Zwischenurteils - etwa über einen Zwischenantrag auf Feststellung, das Bestandverhältnis unterliege weder den Bestimmungen des Mietennoch jenen des Zinsstoppgesetzes, oder aber eines Antrages im gegenteiligen Sinn -, denn dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage, über welche als unmittelbare Rechtsvoraussetzung des geltend gemachten Urteilsanspruchs abzusprechen ist. Es ist nun Sache des mit einer Änderungskündigung belangten Mieters, ob er - wenn er keinen solchen Zwischenfeststellungsantrag gestellt hat - von der Möglichkeit Gebrauch machen will, die Aufhebung der Kündigung schon durch das Eingehen auf die Vertragsänderung bzw. die Berichtigung des sogenannten Rückstandes zu erreichen, oder ob er es auf die urteilsmäßige Entscheidung ankommen lassen will, ob die Änderungskündigung überhaupt zulässig ist. Dies ist sein durch die Rechts- und Sachlage bedingtes weiteres Prozeßrisiko, das ihm durch den nur in sinngemäßer Anwendung der Bestimmung des § 21 (2) MietG. zu fassenden Beschluß nicht abgenommen werden kann. Der Oberste Gerichtshof ist darum der Ansicht, daß die Rechtsfrage nach der Zulässigkeit der Änderungskündigung nicht in das Rechtsmittelverfahren bezüglich eines solchen Beschlusses gehört, sich dieses vielmehr auf die Frage der Ermittlung des gerechtfertigten Änderungszinses und des sogenannten Rückstandes beschränken muß. Daß diese Auffassung gerade im Interesse der Parteien geboten ist, ergibt sich schon aus dem Unterschied der Rechtsmittelbeschränkungen, wie sie im § 528 ZPO. einerseits für die Bekämpfung des in sinngemäßer Anwendung der Bestimmung des § 21 MietG. gefaßten Beschlusses, im § 502 ZPO. für die Bekämpfung der urteilsmäßigen Lösung der Frage nach der Zulässigkeit der Änderungskündigung anderseits normiert erscheinen.

Da im vorliegenden Fall die Ermittlung des gerechtfertigten Änderungszinses und des sogenannten Rückstandes durch den Erstrichter von den Beklagten gar nicht angefochten worden war, bestand nach Ansicht des OGH. kein Grund, seinen Beschluß aufzuheben. Er stellt ihn deshalb in Stattgebung des Revisionsrekurses wieder her.

Ob der Erstrichter damit im Recht war, er brauche sich im Hinblick auf Beschlußfassungen in Vorprozessen mit der Frage der Zulässigkeit der vorliegenden Änderungskündigungen nicht mehr zu befassen, wäre - wenn er diesen Standpunkt auch im Urteil eingenommen hätte - zum Gegenstand einer Rechtsrüge im Berufungsverfahren zu machen gewesen. Dem Erstrichter wird unbenommen sein, bei Urteilsfällung nunmehr bereits die Rechtsansicht zu berücksichtigen, welche das Rekursgericht hiezu eingenommen hat. Nur der Vollständigkeit halber sei hier festgehalten, daß die Klägerin im Revisionsrekurs die Ansicht der zweiten Instanz, der Erstrichter müsse die Frage der Zulässigkeit der Änderungskündigungen im vorliegenden Verfahren meritorisch überprüfen, gar nicht bekämpft, sondern nur darzutun bemüht ist, diese Prüfung müsse zu ihren Gunsten ausfallen.

Anmerkung

Z36031

Schlagworte

Änderungskündigung, Beschluß über das Ausmaß der gerechtfertigten, Zinserhöhung, Zinserhöhung, Beschluß bei Änderungskündigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1963:0060OB00019.63.0227.000

Dokumentnummer

JJT_19630227_OGH0002_0060OB00019_6300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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