TE OGH 1963/3/27 1Ob46/63

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Veröffentlicht am 27.03.1963
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Norm

Amtshaftungsgesetz §1
Kraftfahrgesetz 1955 §56 (2)

Kopf

SZ 36/48

Spruch

Verschulden eines Zollbeamten, der bei der Einreise eines ausländischen Kraftfahrzeuges die Nichtübereinstimmung zwischen grüner Versicherungskarte, Zulassungsschein und Autotype nicht bemerkt, sodaß das Fahrzeug keinen Haftpflichtschutz in Österreich genießt.

Entscheidung vom 27. März 1963, 1 Ob 46/63.

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Am 6. Jänner 1961 wurde die Klägerin als Fußgängerin bei einem Zusammenstoß zweier Personenkraftwagen auf der Bundesstraße Nr. 1 schwer verletzt. Das Verschulden des einen Fahrzeuglenkers Michael A. am Unfall lag darin, daß er an der Unfallstelle in einer unübersichtlichen Kurve trotz vereister Fahrbahn mit 70 bis 80 km/h fuhr, dabei ins Schleudern geriet und die am linken Fahrbahnrand gehende Klägerin niederstieß. A. hatte für den von ihm gelenkten PKW, Marke Citroen DS 19, keinen gültigen Haftpflichtversicherungsvertrag zum Betrieb des Fahrzeuges im österreichischen Bundesgebiet abgeschlossen, sondern vielmehr das Fahrzeug ohne Versicherungsschutz in das Bundesgebiet eingebracht. Die von ihm bei der Aachener und Münchner Feuerversicherungsgesellschaft, Bezirksdirektion Berlin, abgeschlossene Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung bezog sich auf einen Personenkraftwagen Ford-Taunus 15 M mit dem Zollkennzeichen 26-Z-930. Er hatte das für den Ford-Taunus 15 M ausgegebene Zollkennzeichen auf dem Citroen DS 19 angebracht, die Nummer dieses Kennzeichens auf der grünen Versicherungskarte D 8, 617, 845, die ihm von der genannten Versicherungsanstalt für den Ford-Taunus 15 M ausgestellt worden war, mit Bleistift nachgetragen und war dann mit dem Citroen DS 19 an einem Grenzübergang des Bundeslandes Salzburg in Österreich eingereist. Er verließ einige Tage nach dem Unfall Österreich und ist unbekannten Aufenthaltes. Die Person des zweiten PKW.-Lenkers konnte nicht festgestellt werden.

Gestützt auf diesen Sachverhalt, macht die Klägerin einen Amtshaftungsanspruch gegen die Republik Österreich geltend und begrundet ihn damit, daß die als Organe der beklagten Partei in Vollziehung der Gesetze handelnden Zollbeamten es unterließen, den im § 56 (2) KFG. 1955 in der Fassung des Bundesgesetzes vom 12. März 1958, BGBl. Nr. 49, geforderten Nachweis des Versicherungsschutzes des von A. nach Österreich eingebrachten Citroen DS 19 entsprechend zu prüfen und die Einbringung dieses Fahrzeuges in das Bundesgebiet zu verhindern. Dieses rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Zollorgans in Vollziehung der Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes 1955 sei schließlich die Ursache für den Verkehrsunfall bzw. für den der Klägerin dadurch entstandenen Schaden gewesen. Sie habe beim Unfall schwerste Verletzungen mit Dauerfolgen erlitten. Sie begehrt daher von der beklagten Republik Österreich ein Schmerzengeld von 40.000 S. Die beklagte Partei bestritt das Vorliegen der Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruches nach § 1 AHG. Den Organen des Grenzzollamtes könne nicht zugemutet werden, die von A. vorgenommene Betrugshandlung, nämlich das Ummontieren des Kennzeichens und die Verfälschung der grünen Versicherungskarte, zu erkennen oder etwa noch zu untersuchen, ob die Autotype in der Versicherungskarte richtig bezeichnet sei. Die Kenntnis aller Autotypen gehöre nicht zu dem für ein Zollorgan typischen Fachwissen. Auch fehle es am Kausalzusammenhang mit dem der Klägerin erwachsenen Schaden, der viel zu hoch angegeben sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in Ansehung eines Betrages von 30.000 S samt Anhang statt und wies das Mehrbegehren von 10.000 S samt Anhang ab. Es stellte fest, daß es der Klägerin nicht möglich sei, ihren Schaden von A. ersetzt zu bekommen. Dieser sei vermögenslos und unbekannten Aufenthaltes. Auch aus dem von A. benützten Kraftfahrzeug könne sie keine Befriedigung ihrer Ansprüche erhalten, weil der Marktzeitwert desselben die Reparaturkosten von mehr als 35.000 S nicht übersteige und weil einer Kraftfahrzeugwerkstätte ein Zurückbehaltungsrecht am Fahrzeug für Reparaturkosten in der Höhe von 35.785 S 45 g zustehe. Die Ansprüche der Klägerin wären aber befriedigt worden, wenn das Organ des Grenzzollamtes pflichtgemäß festgestellt hätte, ob für den Citroen DS 19 ein Versicherungsschutz bestehe. Zu einer ordnungsgemäßen Überprüfung im Sinne des § 56 (2) des KraftfahrG. 1955 gehöre auch die Feststellung der Identität des einreisenden Fahrzeuges mit dem in den Haftpflichtpapieren angeführten Fahrzeug. Das Zollorgan wäre verpflichtet gewesen, die Einreise des A. mit dem Citroen DS 19 bis zum Nachweis eines ordnungsgemäßen Versicherungsschutzes zu verhindern. Es bestehe daher ein Kausalzusammenhang zwischen dem rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten der Organe der beklagten Partei und dem der Klägerin entstandenen Schaden.

Die Klägerin berief nicht gegen die Abweisung ihres Mehrbegehrens. Die Berufung der beklagten Partei gegen den stattgebenden Teil des Ersturteiles blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte dessen Rechtsansicht. Der Oberste Gerichtshof gab er Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In der Revision wird ausgeführt, daß das Berufungsgericht zu hoch gespannte Anforderungen an die Zollorgane aus dem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis ableite. Es gehe im konkreten Fall nicht etwa darum, daß die Zollorgane die nach § 56 (2) KFG. angeordnete Kontrolle nicht vorgenommen hätten, sondern darum, daß sie bei Erfüllung ihrer Aufgabe einem Betrug zum Opfer gefallen seien. Unabdingbare Voraussetzungen der besonderen Schadenersatzpflicht nach dem Amtshaftungsgesetz sei ein Verschulden auf Seite des handelnden Organs. Ein spezifisches Verschulden könne den Organen der beklagten Partei nicht zum Vorwurf gemacht werden, da die Kenntnis der einzelnen Autotypen weder zum zumutbaren Allgemeinwissen noch zum speziellen Fachwissen eines Zollbeamten gehöre. Der Hinweis des Berufungsgerichtes, die Zollbeamten hätten infolge des starken Reiseverkehrs Gelegenheit, die verschiedensten Autotypen kennenzulernen, versage schon deshalb, weil gerade die große Anzahl verschiedener Autotypen aus aller Herren Ländern die Unterscheidungsmöglichkeit für einen Laien weitgehend herabsetze. Zollbeamte seien in bezug auf diese Frage als Laien anzusehen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Es ist gerichtsbekannt, daß sich die Karosserie eines Taunus M 15 von der eines Citroen DS 19 wesentlich und auf den ersten Blick erkennbar unterscheidet. Beide Fahrzeuge tragen auch den Namen der Herstellungsfirma bzw. die Typenbezeichnung. Bei einiger Aufmerksamkeit kann und muß ein Zollbeamter mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fachwissen die beiden Fahrzeugtypen voneinander leicht unterscheiden können, und zwar auch bei starkem Reiseverkehr, weil jeder Zollbeamte ja nicht mehrere Kraftwagen gleichzeitig, sondern jeden Kraftwagen für sich abfertigt. Auch mußte im vorliegenden Fall die Tatsache, daß das Kennzeichen in der "grünen Karte" mit Bleistift nachgetragen war, den Zollbeamten zur Vorsicht mahnen. Wenn der Zollbeamte den Citroen DS 19 auf Grund einer für einen Taunus M 15 abgeschlossenen Haftpflichtversicherung nach Österreich hereinließ, kann dies nur auf den Mangel der jedem Zollbeamten zumutbaren Aufmerksamkeit zurückgeführt werden, welcher Mangel als rechtswidriges und schuldhaften Verhalten des Organs der beklagten Partei in Vollziehung des Gesetzes im Sinne des § 1 (1) AHG. gewertet werden muß.

Der Revision kann daher auch, was die Höhe des der Klägerin zugesprochenen Betrages anbelangt, nicht Folge gegeben werden.

Anmerkung

Z36048

Schlagworte

Amtshaftung wegen Nachlässigkeit eines Zollbeamten, Haftpflichtschutz gegen ausländische Kraftfahrzeuge, Versicherungskarte, grüne, Haftpflichtschutz für ausländische, Kraftfahrzeuge, Zollbeamter, Amtshaftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1963:0010OB00046.63.0327.000

Dokumentnummer

JJT_19630327_OGH0002_0010OB00046_6300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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