TE OGH 1963/4/23 8Ob91/63

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Veröffentlicht am 23.04.1963
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Norm

ABGB §914
ABGB §1284
ABGB §1447

Kopf

SZ 36/65

Spruch

Das spätere Unmöglichwerden der im Übergabsvertrag bedungenen Pflege infolge Spitalsbedürftigkeit des Übergebers rechtfertigt kein Abgehen vom Übergabsvertrag nach § 1447 ABGB.

Entscheidung vom 23. April 1963, 8 Ob 91/63.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger hat auf seine Rechte als Genossenschafter der Gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft "S." und die damit verbundenen Bestandrechte an dem Baurechtssiedlungshaus zugunsten der Beklagten verzichtet und mit Notariatsakt vom 3. April 1956 sein Eigentumsrecht an den Liegenschaften EZ. 170 und 209, beide KG. O., den Beklagten übertragen. Als Gegenleistung haben sich diese verpflichtet, den Kläger, der wegen einer Kriegsverletzung ständig einer Pflegeperson bedarf, bis an sein Lebensende zu pflegen.

Der Kläger begehrt die Rückübertragung der Genossenschaftsrechte, insbesondere der Bestandrechte an dem erwähnten Siedlungshaus, sowie die Räumung und Übergabe des Hauses und die Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung seines Eigentumsrechtes auf den oben bezeichneten Liegenschaften. Er begrundet sein Begehren damit, daß die Erfüllung der Verpflichtung seiner Pflege nachträglich dadurch unmöglich geworden sei, daß er am 24. Oktober 1959 wegen Erkrankung an offener TBC in das Krankenhaus in einem solchen Zustand eingeliefert worden sei, der die bedingungslose Aufnahme in ein Krankenhaus erforderte. Zufolge der nachträglich eingetretenen Unmöglichkeit der bedungenen Leistungen der Beklagten hätten diese das, was sie, um die Verbindlichkeit in Erfüllung zu bringen, erhalten haben, zwar gleich einem redlichen Besitzer, jedoch auf solche Art zurückzustellen, daß sie aus dem Schaden des Klägers keinen Gewinn ziehen. Die Beklagten wendeten u. a. ein, daß sie nach wie vor zur Vertragserfüllung bereit seien, und bestritten, daß es dem Kläger unmöglich sei, das Spital zu verlassen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es nahm als erwiesen an, daß der Kläger schon seit Jahren schwer krank sei und von den Beklagten bereits vor Abschluß des Notariatsaktes, aber auch noch einige Zeit nachher zur vollen Zufriedenheit gepflegt worden sei. Als der Kläger im Oktober 1961 Blut gespuckt habe, habe der herbeigeholte Arzt die Einweisung des Klägers in die Lungenabteilung des Krankenhauses L. veranlaßt. Von dort sei der Kläger am 22. Dezember 1961 wegen Unheilbarkeit und dauernder Pflegebedürftigkeit in die Versorgungsanstalt der Stadt Wien - Altersheim Lainz überstellt worden. Der Kläger sei zum Zeitpunkt der Spitalseinweisung, aber auch nachher schwer krank und völlig hilflos gewesen. Seine Hilflosigkeit sei auf eine schwere primäre Polyarthritis zurückzuführen, die zu einer Versteifung der Extremitätengelenke geführt habe. Der Kranke sei nicht imstande, aufzustehen und seine Hände zu bewegen. Er müsse daher getragen, aufgesetzt und gefüttert werden. Außer diesem chronischen und unheilbaren Leiden bestehe eine chronische und cavernöse Lungen-TBC mit obligater Bazillenausscheidung. Diese TBC ergreife vor allem den rechten Lungenoberlappen, und es sei der Kranke dauernd ansteckend. Er bedürfe deshalb dauernd ärztlicher Überwachung und Kontrolle. Der Kläger habe aber die Möglichkeit, das Spital jederzeit gegen Revers zu verlassen und sich in Pflege der Beklagten zu begeben, so daß die vom Kläger ausbedungene Leistung nicht unmöglich geworden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die schwere Erkrankung des Klägers ist als ein Zufall anzusehen, der aber, da er in der Person des Klägers eingetreten ist, von den Beklagten nicht zu vertreten ist. Die Beklagten sind daher von der ihnen durch den Vertrag auferlegten Verpflichtung zur Pflege des Klägers befreit (vgl. Pisko - Gschnitzer im Klang-Kommentar[2], VI, S. 547 bei § 1447 unter C b). Nun bestimmt allerdings § 1447 ABGB., daß der Schuldner das, was er, um die Verbindlichkeit in Erfüllung zu bringen, erhalten habe, zwar gleich einem redlichen Besitzer, jedoch auf solche Art zurückzustellen oder zu vergüten hat, daß er aus dem Schaden des anderen keinen Gewinn ziehe. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Bestimmung auch auf den Fall eines Dauerschuldverhältnisses anzuwenden ist, bei dem der Schuldner bereits einen Teil der Leistungen erbracht hat. Nach Punkt 3 c) Abs. 2 des Übergabsvertrages vom 3. April 1956 ist der Kläger nur dann berechtigt, die Pflegeleistungen durch eine dritte Person auf Kosten der Übernehmer vornehmen zu lassen, wenn die bedungenen Pflegeleistungen nicht zu seiner Zufriedenheit und ordnungsgemäß erfolgen. Dieser sogenannte Unvergleichsfall liegt nicht vor. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß ein Teil der Leistungen aus dem Dauerschuldverhältnis durch die Übernehmer bereits erbracht wurde, der Art dieser Leistungen und des sich aus der unbestimmten Dauer der Pflegepflicht ergebenden aleatorischen Vertragselementes muß dem Vertrag nach der Übung des redlichen Verkehrs gemäß § 914 ABGB. die Absicht der Parteien unterstellt werden, daß für den Fall, als die Pflegeleistung durch einen in der Person des Klägers eintretenden Zufall von der Art des nunmehr eingetretenen zeitweise oder dauernd unmöglich wird, die Übernehmer von ihrer Pflegeverpflichtung befreit sein sollen, ohne die übernommene Liegenschaft gemäß § 1447 letzter Satz ABGB. zurückstellen zu müssen.

Anmerkung

Z36065

Schlagworte

Pflege, im Übergabsvertrag bedungene, spätere Unmöglichkeit, Übergabsvertrag, spätere Unmöglichkeit der bedungenen Pflege, Unmöglichkeit nachträgliche der im Übergabsvertrag bedungenen Pflege

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1963:0080OB00091.63.0423.000

Dokumentnummer

JJT_19630423_OGH0002_0080OB00091_6300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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