TE Vwgh Erkenntnis 2005/3/29 2001/10/0121

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Veröffentlicht am 29.03.2005
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
70/02 Schulorganisation;
70/06 Schulunterricht;

Norm

AVG §56;
B-VG Art14 Abs1;
MRK Art6;
SchOG 1962 §7 Abs1 idF 1996/766;
SchOG 1962 §7 Abs2 idF 1996/766;
SchOG 1962 §7 idF 1996/766;
SchOG 1962 §8 litd idF 1999/I/096;
SchUG 1986 §11 idF 1996/767;
SchUG 1986 §25;
SchUG 1986 §43 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §39 Abs2 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der minderjährigen M T, vertreten durch den Vater D T in O, dieser vertreten durch Moringer & Moser Rechtsanwälte OEG in 4040 Linz, Hauptstraße 33, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 23. April 2001, Zl. 1.095/1-III/A/4b/2001, betreffend Besuch des Schulversuchs "Ethikunterricht", zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 25. April 1984 geborene Beschwerdeführerin besuchte im Schuljahr 2000/2001 den II. Jahrgang der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in Linz, Landwiedstraße 80. An dieser Schule wurde in diesem Schuljahr in der 9., 10. und 11. Schulstufe der Schulversuch "Ethikunterricht" durchgeführt.

Mit Schreiben vom 14. November 2001 stellte die durch ihren erziehungsberechtigten Vater vertretene Beschwerdeführerin beim Landesschulrat für Oberösterreich als Schulbehörde erster Instanz den Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides, dass sie nicht verpflichtet sei, den "Ethikunterricht" als Ersatzunterricht für den Religionsunterricht zu besuchen. An der genannten Bundeslehranstalt laufe der Schulversuch "Ethikunterricht" als Ersatzunterricht für all jene Schüler, die sich vom Religionsunterricht ordnungsgemäß abgemeldet hätten. Da die Beschwerdeführerin konfessionslos sei, bestehe auch keine Abmeldepflicht und keine Verpflichtung zum Besuch des Ethikunterrichts.

Der Landesschulrat für Oberösterreich teilte dem Kindesvater mit Schreiben vom 22. November 2000 mit, dass der Schulversuch "Ethikunterricht" vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur genehmigt worden sei. Damit sei eine Abweichung von den sonst geltenden Normen verbunden. Die Besuchspflicht des "Ethikunterrichts" treffe die Schüler, die an keinem Religionsunterricht teilnehmen, die also vom Religionsunterricht abgemeldet oder konfessionslos seien. Der "Ethikunterricht" stelle keinen Ersatzunterricht dar, sondern sei ein eigener "profaner" Unterrichtsgegenstand. Die Einrichtung neuer Unterrichtsgegenstände durch Schulversuch sei zulässig. Darüber könne kein Feststellungsbescheid erlassen werden; auch das Schulunterrichtsgesetz sehe die Erlassung eines derartigen Bescheides nicht vor. Falls eine bescheidmäßige Erledigung gewünscht werde, werde der Antrag zurückzuweisen sein.

Mit Scheiben vom 14. Dezember 2000 beantragte der Kindesvater darauf hin die Erlassung eines Feststellungsbescheides, dass seine Tochter (Beschwerdeführerin) nicht verpflichtet sei, den "Ethikunterricht" als Ersatzunterricht für den Religionsunterricht zu besuchen.

Mit Bescheid vom 5. Jänner 2001 wies der Landesschulrat für Oberösterreich den Antrag vom 14. Dezember 2000 auf Erlassung eines Feststellungsbescheides, dass die Beschwerdeführerin den Ethikunterricht nicht zu besuchen habe, gemäß § 11 und § 70 des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 472/1986 idgF (SchUG), iVm § 8 AVG wegen Unzulässigkeit zurück.

Nach der Begründung regle der Gesetzgeber in § 11 SchUG die Pflichtgegenstände und verbindlichen Übungen, in § 12 die Freigegenstände, unverbindlichen Übungen und den Förderunterricht. Gemäß § 7 SchUG könne der Bund im Rahmen seiner Zuständigkeit auch Schulversuche durchführen. In Gebrauchnahme dieser Bestimmung habe das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur bereits mit Erlass vom 17. Juni 1999, Zl. 21.080/24-III/A/4/99, den Schulversuch Ethik als "Ersatzpflichtgegenstand" für Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, durchgeführt und unter anderem auch die genannte Bundeslehranstalt in Linz einbezogen. Es handle sich beim "Ethikunterricht" um einen eigenen Unterrichtsgegenstand, der als Pflichtgegenstand auf Basis des § 11 SchUG zu betrachten sei. Die Schüler hätten Pflichtgegenstände gemäß § 43 Abs. 1 SchUG regelmäßig und pünktlich zu besuchen. Darüber abzusprechen könne nicht Gegenstand eines Feststellungsbescheides sein. Die Verfahrensbestimmungen des Schulunterrichtsgesetzes fänden sich in dessen § 70 und hätten Entscheidungen rechtsgestaltender Art zum Gegenstand. Aus diesem Grund sei das Feststellungsbegehren als unzulässig zurückzuweisen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin (vertreten durch ihren Vater) im Wesentlichen vor, dass ihr keine in Form einer allgemeinen Norm ergangene Verpflichtung zum Besuch eines "Ersatzpflichtgegenstandes" Ethik bekannt sei. Die Bundesverfassung kenne für generelle, nach außen gerichtete Akte nur die Bezeichnung "Verordnung", welche in der im Gesetz bestimmten Form kundzumachen seien; erst dann entstünden Rechtswirkungen. Weder in § 11 SchUG noch in § 43 SchUG komme der Begriff "Ersatzpflichtgegenstand" vor. Die vom Landesschulrat für Oberösterreich für seine zurückweisende Entscheidung bezogenen Rechtsgrundlagen seien nicht geeignet, den Bescheid zu tragen. Darüber hinaus verkenne der Landesschulrat, dass Bescheidadressatin die Beschwerdeführerin selbst sein müsse. Ihr Feststellungsinteresse ergebe sich einerseits aus der höchstgerichtlichen Judikatur über die Zumutbarkeit aller denkbaren Umwege und andererseits aus der Ansicht der Schulbehörde, wonach sie zum Besuch des "Ethikunterrichts" verpflichtet sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gemäß § 8 lit. d des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962 idgF(SchOG), sowie § 43 Abs. 1 des SchUG iVm § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Ferner sprach die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin zum Besuch des Schulversuchs "Ethikunterricht" verpflichtet sei.

Nach der Begründung werde an der genannten Bundeslehranstalt im Schuljahr 2000/2001 in der 9., 10. und 11. Schulstufe der Schulversuch "Ethikunterricht" geführt (Schulversuchsgenehmigung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 15. Juni 2000, Zl. 21.080/13-III/A/2000). In Punkt 2. dieser Schulversuchsgenehmigung sei unter anderem vorgesehen, dass der Unterrichtsgegenstand "Ethik" für alle Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, als Pflichtgegenstand zu besuchen sei. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens und der anzuwendenden Rechtsgrundlagen vertrat die belangte Behörde die Auffassung, der "Ethikunterricht" im Sinne der Schulversuchsgenehmigung vom 15. Juni 2000 sei ein Pflichtgegenstand für alle Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchten. Schüler, die einen schulischen Religionsunterricht besuchten, hätten diesen Pflichtgegenstand nicht zu besuchen. Beim Ethikunterricht handle es sich um keinen Religionsunterricht; es gelte daher das Gebot der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates. Daher könne durch die Verpflichtung zum Besuch eines diesem Gebot entsprechenden "Ethikunterrichts" das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 14 StGG, Art. 9 EMRK) nicht verletzt werden. Dass der "Ethikunterricht" an der genannten Schule diesem Gebot nicht entspreche, habe die Beschwerdeführerin nicht behauptet. Schulversuchspläne seien generelle Rechtsvorschriften, die vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur (bzw. von den Landesschulräten) erlassen würden. Sie richteten sich ihren Inhalten nach an Lehrende und Schüler (also nach außen). Die gesetzliche Grundlage für diese rechtlich als Verordnung einzustufenden Schulversuchspläne stelle § 7 SchOG dar, welcher auch eine spezielle Kundmachungsvorschrift enthalte. Die Kundmachung von Schulversuchsplänen im Bundesgesetzblatt sei daher nicht erforderlich. Die Verfahrensbestimmungen des Schulunterrichtsgesetzes (§ 70 Abs. 1 lit. c iVm § 11 und § 71) würden eine Befreiung von der Teilnahme an einzelnen Pflichtgegenständen - ausgenommen die Abmeldung vom Religionsunterricht gemäß § 8 lit. d SchOG - und ein Berufungsrecht an die Schulbehörde erster Instanz nur dann vorsehen, wenn ein Schüler aus gesundheitlichen Gründen daran nicht teilnehmen könne oder beim Übertritt in eine andere Schulart (Schulform, Fachrichtung) einen lehrplanmäßig gleichen Pflichtgegenstand bereits mit Erfolg besucht habe. Beides treffe auf die Beschwerdeführerin nicht zu. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes sei die Erlassung eines Feststellungsbescheides zulässig, wenn die bescheidmäßige Feststellung im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei gelegen sei. Auf Grund der Rechtslage, wonach es sich beim "Ethikunterricht" für die konfessionslose Beschwerdeführerin um einen zusätzlichen Pflichtgegenstand handle, bestehe ein öffentliches Interesse an der begehrten bescheidmäßigen Feststellung nicht; auch ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführerin, das eine "Rechtsgefährdung" der Beschwerdeführerin (Hinweis auf das Erkenntnis vom 3. Juli 1990, Zl. 89/08/0287) voraussetzen würde, sei nicht gegeben. Die Zurückweisung des Antrages der Beschwerdeführerin vom 14. November 2000 auf Erlassung eines Feststellungsbescheides, wonach sie zum Besuch des "Ethikunterrichtes" nicht verpflichtet sei, sei somit vom Landesschulrat für Oberösterreich zu Recht erfolgt. Die dagegen erhobene Berufung sei daher abzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich dabei in ihrem "gesetzlich gewährleisteten, subjektiven Recht auf Einhaltung der Normen des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG) BGBl. Nr. 472/1986 idgF und des Schulorganisationsgesetzes (SchOG), BGBl. Nr. 242/1962 idgF, sowie der darauf anzuwendenden, materiellen (nicht zum Besuch eines im Gesetz nicht vorausgesehenen Gegenstandes verpflichtet zu werden) und formellen Rechtsbestimmungen, insbesondere in meinem Recht auf Erlassung eines Feststellungsbescheides" verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der die "Schulversuche" regelnde § 7 SchOG idF der Novelle BGBl. Nr. 766/1996 lautet auszugsweise:

"§ 7. (1) Soweit dem Bund die Vollziehung auf dem Gebiet des Schulwesens zukommt, kann der zuständige Bundesminister oder mit dessen Zustimmung der Landesschulrat (Kollegium) zur Erprobung besonderer pädagogischer oder schulorganisatorischer Maßnahmen abweichend von den Bestimmungen des II. Hauptstückes Schulversuche an öffentlichen Schulen durchführen. Hiezu zählen auch Schulversuche zur Entwicklung neuer Lehrplaninhalte sowie zur Verbesserung didaktischer und methodischer Arbeitsformen (insbesondere sozialer Arbeitsformen) an einzelnen Schularten.

(2) Als Grundlage für Schulversuche sind Schulversuchspläne aufzustellen, die das Ziel der einzelnen Schulversuche, die Einzelheiten ihrer Durchführung und ihre Dauer festlegen. Die Schulversuchspläne sind in den Schulen, an denen sie durchgeführt werden, durch Anschlag während eines Monats kund zu machen und anschließend bei den betreffenden Schulleitungen zu hinterlegen; auf Verlangen ist Schülern und Erziehungsberechtigten Einsicht zu gewähren.

...

(5) Vor der Einführung eines Schulversuches an einer Schule ist das Schulforum bzw. der Schulgemeinschaftsausschuss zu hören.

(5a) Schulversuche dürfen an einer Schule neu eingerichtet werden, wenn die Erziehungsberechtigten von mindestens zwei Dritteln der Schüler und mindestens zwei Drittel der Lehrer der betreffenden Schule dem Schulversuch zustimmen. Ist der Schulversuch nur für einzelne Klassen einer Schule geplant, darf ein derartiger Schulversuch neu eingerichtet werden, wenn die Erziehungsberechtigten von mindestens zwei Dritteln der Schüler, welche diese Klasse voraussichtlich besuchen werden, und mindestens zwei Drittel der Lehrer, welche in dieser Klasse voraussichtlich unterrichten werden, zuzustimmen; diese Zustimmung gilt auch für eine Fortsetzung des Schulversuches in den aufsteigenden Klassen. An Berufsschulen tritt an die Stelle der erforderlichen Zustimmung der Erziehungsberechtigten die entsprechende Zustimmung der Schüler. Dieser Absatz gilt nicht für Schulversuche zur Erprobung neuer Fachrichtungen an berufsbildenden Schulen und für Schulversuche an Akadamien.

(6) ..."

Unter Pflichtgegenständen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind gemäß § 8 lit. d SchOG idF der Novelle BGBl. I Nr. 96/1999 jene Unterrichtsgegenstände zu verstehen, deren Besuch für alle in die betreffende Schule aufgenommenen Schüler verpflichtend ist, sofern sie nicht vom Besuch befreit oder im Falle des Religionsunterrichtes auf Grund der Bestimmungen des Religionsunterrichtsgesetzes vom Besuch abgemeldet worden sind.

Der mit "Pflichten der Schüler" überschriebene § 43 Abs. 1 SchUG bestimmt:

"§ 43. (1) Die Schüler sind verpflichtet, durch ihre Mitarbeit und ihre Einordnung in die Gemeinschaft der Klasse und der Schule an der Erfüllung der Aufgabe der österreichischen Schule (§ 2 3 des Schulorganisationsgesetzes) mitzuwirken und die Unterrichtsarbeit (§ 17) zu fördern. Sie haben den Unterricht (und den Betreuungsteil an ganztägigen Schulformen, zu dem sie angemeldet sind) regelmäßig und pünktlich zu besuchen, die erforderlichen Unterrichtsmittel mitzubringen und die Schulordnung bzw. die Hausordnung einzuhalten."

Soweit zur Durchführung von Verfahren auf Grund dieses Bundesgesetzes andere Organe als die Schulbehörden des Bundes (Schulleiter, Lehrerkonferenz, Prüfungskommission usw.) berufen sind, sind gemäß § 70 Abs. 1 lit. c SchUG idF der Novelle BGBl. I Nr. 98/1999 in den Angelegenheiten des Besuches von Pflichtgegenständen, Freigegenständen, verbindlichen und unverbindlichen Übungen, des Förderunterrichtes sowie des Betreuungsteiles an ganztägigen Schulen (§§ 11, 12, 12a), die Absätze 2 bis 4 anzuwenden.

Der erwähnte § 11 SchUG idF der Novelle BGBl. Nr. 767/1996 sieht in seinem Abs. 6 vor, dass auf Ansuchen des Schülers oder von Amts wegen der Schulleiter einen Schüler von der Teilnahme an einzelnen Pflichtgegenständen und verbindlichen Übungen zu befreien hat, wenn dieser aus gesundheitlichen Gründen daran nicht teilnehmen kann. Der Schulleiter kann im Zweifelsfall hiefür die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses verlangen. Der zuständige Bundesminister hat durch Verordnung nach den Aufgaben der einzelnen Schularten festzulegen, in welchen Pflichtgegenständen eine solche Befreiung ohne oder mit Auflage von Prüfungen und für welche Höchstdauer ohne Verlust der Eigenschaft eines ordentlichen Schülers zulässig ist.

Gegen Entscheidungen in den Angelegenheiten des § 70 Abs. 1 SchUG ist gemäß § 71 Abs. 1 Berufung an die Schulbehörde erster Instanz zulässig.

Dem angefochtenen Bescheid liegt - in Bestätigung der Entscheidung der Behörde erster Instanz - die Auffassung zugrunde, die von der Beschwerdeführerin begehrte Feststellung sei nach den maßgeblichen Bestimmungen des Schulunterrichtsgesetzes ausgeschlossen, da es sich beim "Ethikunterricht" um einen Pflichtgegenstand auf Basis des § 11 SchUG ("Ersatzpflichtgegenstand") handle und Schüler Pflichtgegenstände gemäß § 43 Abs. 1 SchUG regelmäßig und pünktlich zu besuchen hätten.

Prozessgegenstand der Berufungsentscheidung ist die Verwaltungssache, die zunächst der Behörde erster Rechtsstufe vorlag. Wenn die Verwaltungsbehörde erster Instanz aus Formalgründen einen Antrag zurückgewiesen hat, darf die Berufungsbehörde keine Sachentscheidung treffen, weil damit in der Sachfrage der Partei eine Instanz genommen wäre (vgl. dazu etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 66 AVG wiedergegebene Rechtsprechung, E 162 ff).

Die Beschwerdeführerin konnte somit im vorliegenden Beschwerdefall hinsichtlich der Bestätigung des zurückweisenden Abspruches durch die belangte Behörde nur in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt werden. Damit ist im Beschwerdefall zunächst die Frage zu untersuchen, ob über den Antrag der Beschwerdeführerin in der Sache (feststellend) zu entscheiden gewesen wäre.

Für einen Fall wie den vorliegenden enthält das Gesetz keine Anordnung, dass ein Feststellungsbescheid zu erlassen sei.

Nach Lehre und Rechtsprechung kann mangels besonderer gesetzlicher Anordnung eines Feststellungsbescheides ein solcher nur über Rechte oder Rechtsverhältnisse ergehen, wenn dies von einer Partei beantragt wird, diese ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat und es sich um ein notwendiges, letztes und einziges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung handelt oder wenn die Feststellung im öffentlichen Interesse liegt; dies jeweils unter der Voraussetzung, dass die maßgeblichen Rechtsvorschriften eine Feststellung dieser Art nicht ausschließen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 28. Februar 2005, Zl. 2004/10/0010, mit weiteren Hinweisen).

Im Beschwerdefall ist nach Lage der vom Verwaltungsgerichtshof ergänzend angeforderten Verwaltungsakten davon auszugehen, dass auf Grund der vom Landesschulrat für Oberösterreich vorgelegten Anträge der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur im Schuljahr 2000/2001 an der genannten Höheren Bundeslehranstalt den Schulversuch "Ethik" als Pflichtgegenstand für Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, eingeführt hat. Mit dem (vom Landesschulrat als "Erlass" bezeichneten) Schreiben vom 15. Juni 2000, Zl. 21.08013- III/A/2000, erfolgte zunächst die in § 7 Abs. 1 SchOrgG vorgesehene "Zustimmung" des zuständigen Bundesministers. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass Grundlage für die Durchführung des Schulversuches am jeweiligen Standort der von der Schule ausgearbeitete und vorgelegte Schulversuchsplan sei, den der "durchzuführende" Bundesminister mit verschiedenen näher ausgeführten Auflagen und Ergänzungen modifiziert hat. So wurde etwa unter Punkt 2. ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Unterrichtsgegenstand "Ethik" im Ausmaß von zwei Wochenstunden für alle Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, als Pflichtgegenstand ("Ersatzpflichtgegenstand" für Religion) zu besuchen sei. Ferner seien die vorgelegten und genehmigten Schulversuchspläne gemäß § 7 Abs. 2 SchOG in der Schule zu publizieren.

Dem Bund kommt gemäß Art. 14 Abs. 1 B-VG auf dem Gebiet des Schulwesens die ausschließliche Gesetzgebungs- und Vollzugskompetenz u.a. in den Angelegenheiten des Schulunterrichtsrechtes bzw. des Religionsunterrichtes zu (vgl. etwa Jonak, Das österreichische Schulrecht, 9. Aufl., Anm. 5 zu Art. 14 B-VG). Die vom Landesschulrat für Oberösterreich vorgelegten Anträge zur Durchführung des Schulversuches "Ethikunterricht" wurden vom Bundesminister Bildung, Wissenschaft und Kultur gemäß § 7 Abs. 1 SchOrgG genehmigt. Eine Kundmachung dieser Genehmigung ist im Gesetz nicht vorgesehen, eine solche hat jedoch gemäß § 7 Abs. 2 SchOrgG hinsichtlich der Schulversuchspläne zu erfolgen (vgl. auch dazu Jonak, aaO, Anm. 8 zu § 7).

Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass eine solche Publikation in der von ihr besuchten Schule nicht erfolgt wäre bzw. die in § 7 Abs. 5a SchOG vorgesehenen Voraussetzungen nicht vorlägen. Sie rügt in ihrer Beschwerde lediglich, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dazu keine Feststellungen getroffen habe. Da die Beschwerdeführerin aber in ihrer Berufung kein diesbezügliches Vorbringen erstattet hat, bestand dazu für die belangte Behörde keine Veranlassung.

Im Hinblick auf die gemäß § 7 Abs. 2 SchOrgG erfolgte Kundmachung des Schulversuchsplans, der auch den ausdrücklichen Hinweis enthielt, dass der Unterrichtsgegenstand "Ethikunterricht" für alle Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, als Pflichtgegenstand zu besuchen ist, konnte für die Beschwerdeführerin kein Zweifel bestehen, dass es sich beim "Ethikunterricht" um einen Pflichtgegenstand handelt und dieser von ihr gemäß § 8 lit. d SchOG verpflichtend zu besuchen war. Dass die Nichteinhaltung dieser Pflicht - wie in der Beschwerde dargelegt - dazu führt, dass die Beschwerdeführerin im betreffenden Gegenstand keine positiven Jahresbeurteilungen erreichen kann und dies für sie in weiterer Folge nachteilig sein könnte, stellt für sich allein keine "Rechtsgefährdung" im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung dar, aus der ein Anspruch auf Erlassung eines Feststellungsbescheides abgeleitet werden könnte, sind doch die Folgen der Nichteinhaltung des Besuches von Pflichtgegenständen dem Gesetz zu entnehmen (vgl. § 25 SchUG). Im Beschwerdefall ist daher ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführerin an der Erlassung eines Feststellungsbescheides nicht ersichtlich. Ein solcher Bescheid wäre auch nicht ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung, da keine strittige Frage vorliegt.

Auch ein in der Beschwerde behauptetes, jedoch nicht näher begründetes, über das Interesse der Beschwerdeführerin hinausgehendes "Feststellungsinteresse der Öffentlichkeit", ob der "Ethikunterricht" verpflichtend zu besuchen ist, stellt kein subjektives öffentliches Interesse dar, das geeignet wäre, einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf Erlassung eines Feststellungsbescheides zu begründen.

Der Ausspruch der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin zum Besuch des "Ethikunterrichts" verpflichtet ist, stellt allerdings - im Gegensatz zur Bestätigung der Zurückweisung ihres Antrages auf Feststellung - einen feststellenden Ausspruch dar, zu dem die belangte Behörde nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung nicht befugt war. Dies führt im vorliegenden Fall allerdings nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides, da dieser Umstand vom oben wiedergegebenen Beschwerdepunkt (vgl. dazu etwa den Beschluss vom 6. Mai 1996, Zl. 96/10/0014) nicht erfasst ist.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher insofern als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Zum Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist zu sagen, dass aus der bestehenden Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht folgt, dass die Feststellung der Pflicht zum Besuch bestimmter schulischer Unterrichtsveranstaltungen vom Schutzbereich des Art. 6 EMRK erfasst wäre. Dem Antrag war daher gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG nicht zu entsprechen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003.

Wien, am 29. März 2005

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2001100121.X00

Im RIS seit

29.04.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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