TE OGH 1963/9/24 8Ob201/63

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.09.1963
beobachten
merken

Norm

ABGB §834
ABGB §835
Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm §1
Wohnungseigentumsgesetz §4

Kopf

SZ 36/119

Spruch

Ein Wohnungseigentümer kann gemäß §§ 834, 835 ABGB. zur Verminderung seiner Miteigentumsanteile durch Neuschaffung von Eigentumswohnungen nicht gezwungen werden.

Entscheidung vom 24. September 1963, 8 Ob 201/63.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind Miteigentümer und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ. 558, Katastralgemeinde N., Haus in der L.-Straße 123, und zwar die Antragsteller zu 15.510/16.700 Anteilen und der Antragsgegner zu 1190/16.700 Anteilen. Die Miteigentumsanteile der Wohnungseigentümer wurden durch Parifizierungsbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt - Wien zu 82 Msch ... /54 festgelegt. In COZ. 6 der EZ. 558 der Katastralgemeinde N. ist das Wohnungseigentum einverleibt und unter COZ. 7 das Ansuchen um Fondshilfe angemerkt. Am 21. September 1960 verkaufte Nuchim F., der Rechtsvorgänger des Antragsgegners, diesem seinen Anteil. In dem Kaufvertrag nahm der Antragsgegner zur Kenntnis, daß ob seinem Anteil das Wohnungseigentum einverleibt und die Einbringung des Gesuches um Fondshilfe angemerkt ist. Durch eine Planänderung wurde im Dachgeschoß die Wohnung top. Nr. 13 neu geschaffen. Der Eigentümer dieser neu geschaffenen Wohnung steht noch nicht fest. Die von den Antragstellern bei der zentralen Schlichtungsstelle hierauf erreichte Neuparifizierung wurde vom Antragsgegner durch Anrufung des Gerichtes außer Kraft gesetzt, das Verfahren hierüber ist beim Bezirksgericht Innere Stadt - Wien zu 48 Msch ... /62 noch anhängig. Der Fonds genehmigte die oben erwähnte Planänderung und bewilligte mit seinem Bescheid vom 22. Juni 1962 die Gewährung eines Darlehens von 2.709.000 S zur Wiedererrichtung des Wohnhauses. Unter Hinweis auf die Weigerung des Antragsgegners begehren die Antragsteller 1. die Löschung des bestehenden Wohnungseigentums und die Neubegründung des Wohnungseigentums auf Grund der Vorentscheidung der Magistratsabteilung 50, Zentrale Schlichtungsstelle, unter Einbeziehung der neu geschaffenen Wohnung top. Nr. 13 anzuordnen und 2. den Antragsgegner zu verpflichten, die Löschungs- und Neubegründungsanträge und erforderlichen Erklärungen selbst in einverleibungsfähiger Form zu fertigen 3. den Antragsgegner zu verpflichten, dem durch Mehrheitsbeschluß bevollmächtigten Hugo G. legalisierte Vollmacht zu erteilen, 4. den Antragsgegner weiter zu verpflichten, den über ein mit Bescheid des Fonds vom 22. Juni 1962 bewilligtes Darlehen von 2.709.000 S ausgestellten Schuldschein in legalisierter Form zu unterfertigen oder unterfertigen zu lassen.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung dieses Antrages mit der Begründung, daß er an der Antragstellung um Gewährung eines Fondsdarlehens nicht beteiligt gewesen sei, daß er weiter dem Parifizierungsverfahren vor der Schlichtungsstelle nicht zugezogen worden sei, daß er von den Antragstellern nicht informiert worden sei und er es ablehne, sich vertreten zu lassen; der Bevollmächtigte der Antragsteller solle nicht in die Lage versetzt werden, in seinem Namen Anträge zu stellen, die er nicht kenne, Bescheide entgegenzunehmen, die ihm nicht bekanntgegeben werden, Darlehensverträge abzuschließen, die er nicht wolle, und schließlich seinen Liegenschaftsanteil hypothekarisch zu belasten. Er brauche keine Darlehen, da er den auf ihn entfallenden Baukostenbetrag bar bezahlen werde, so daß für ihn die Notwendigkeit eines Fondsbevollmächtigten entfalle. Im übrigen könne Wohnungseigentum durch Richterspruch nicht begrundet werden.

Das Erstgericht wies die Anträge der Antragsteller im wesentlichen mit der Begründung zurück, daß die erhobenen Ansprüche im Rechtsweg durchzusetzen seien. Die Auflösung des Vertrages über die Begründung des Wohnungseigentums vom 18. August 1954 und der Abschluß eines neuen Vertrages unter Veränderung der Eigentumsanteile sei keine wichtige Veränderung im Sinne des § 834 ABGB., die zur Erhaltung oder besseren Benützung des Hauptstammes vorgeschlagen werden könne. Die Neubegründung des Wohnungseigentums gemäß § 4, zweiter Halbsatz, WEG. könne nur im Rechtsweg durchgesetzt werden, da für ein derartiges Begehren die vertragliche Grundlage, nämlich der Vertrag vom 18. August 1954, vorhanden sei. Wohnungseigentum könne nur durch schriftlichen Vertrag, nicht aber durch rechtsgestaltenden Richterspruch begrundet werden. Der Antrag auf Unterfertigung des Schuldscheines könne nur im ordentlichen Rechtsweg durchgesetzt werden, weil der Antragsgegner auf Grund des Kaufvertrages vom 21. September 1960 den am 18. Mai 1954 gestellten Antrag der damaligen Eigentümer auf Gewährung von Fondshilfe akzeptiert und daher seine vertragliche Verpflichtung einzuhalten habe. Der Hinweis, daß das wiederherzustellende Wohngebäude angeblich modernen Anforderungen nicht entspreche, berechtige den Antragsgegner nicht, seinen Baukostenanteil ohne Fondshilfe zu bezahlen. Die Frage der Verwalterbestellung gehöre nur dann in das Außerstreitverfahren, wenn zwischen den Miteigentümern Einigkeit darüber bestehe, daß ein Verwalter zu bestellen sei. Das sei aber hier nicht der Fall.

Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Punkt 1. des Antrages abwies, dem Antrag der Antragsteller in den Punkten 2. bis 4. dagegen stattgab.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Antragsgegners Folge und änderte den zweitgerichtlichen Beschluß, der in seinem abweisenden Teil als unangefochten unberührt blieb, in seinem stattgebenden Teil dahin ab, daß auch diese Anträge abgewiesen wurden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Grundsätzlich besteht für die Miteigentümer keine Verpflichtung, der Begründung von Wohnungseigentum zuzustimmen. Nur derjenige Miteigentümer, dem bereits von den übrigen Miteigentümern Wohnungseigentum eingeräumt wurde, kann seine Zustimmung zur Begründung weiteren Wohnungseigentums zugunsten der übrigen Miteigentümer nicht verweigern. Nach § 3 WEG. ist das Wohnungseigentum mit dem Miteigentumsanteil des Wohnungseigentümers untrennbar verbunden. Voraussetzung für die Begründung des Wohnungseigentums ist ein der in der Bestimmung des § 2 WEG. festgelegten Größe entsprechender Miteigentumsanteil. Kein Miteigentümer kann dazu verhalten werden, einen Teil seines Miteigentumsanteiles einem Dritten zum Zwecke der Begründung von Wohnungseigentum abzutreten. Er ist nur dann verpflichtet, seine Zustimmung zur Begründung von Wohnungseigentum zu geben, wenn einem anderen Miteigentümer durch Vertrag Wohnungseigentum eingeräumt werden soll (§ 4 WEG., Borotha, Das Wohnungseigentumsgesetz, Erläuterung zu dieser Gesetzesstelle, S. 22). Der Zweck der Bestimmung des § 4, zweiter Halbsatz, WEG. ist darin zu suchen, daß der Miteigentümer, der von allen anderen Miteigentümern Wohnungseigentum eingeräumt erhalten hat, nicht aus dem Gründe der Freiheit seines Eigentums die Möglichkeit haben soll, einem anderen Miteigentümer, dessen Zustimmung er zur Begründung seines Wohnungseigentums erlangt hatte (§ 4, erster Halbsatz, WEG.), die Zustimmung zur Begründung von Wohnungseigentum zu verweigern. Geht man von diesen rechtlichen Erwägungen aus, dann kann, wie der Erstrichter richtig erkannt hat, der Antragsgegner nicht durch rechtsgestaltenden Richterspruch unter Hinweis auf die §§ 834, 835 ABGB. zur Neubegründung von Wohnungseigentum an der neu zu schaffenden Wohnung top. Nr. 13 für eine noch gar nicht feststehende Person gezwungen werden. Mit einer solchen rechtsgestaltenden Verfügung des Außerstreitrichters würde nicht eine bessere Benützung des Hauptstammes, sondern eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse am Hauptstamm herbeigeführt. Die §§ 834, 835 ABGB. können daher nicht herangezogen werden, um einer Mehrheit von Miteigentümern die Möglichkeit zu geben, einen Wohnungseigentümer zur Abtretung von Miteigentumsanteilen im Wege einer Neuparifizierung der Miteigentumsanteile mit Rücksicht auf das neu zu begrundende Wohnungseigentum zu verhalten. Dem Antragsgegner kann daher auch nicht durch Richterspruch aufgetragen werden, als mitschuldnerischer Darlehensnehmer den über ein unter Berücksichtigung der neu zu schaffenden Wohnung gewährtes Darlehen ausgestellten Schuldschein zu unterfertigen, um die Pfandrechtsbegründung für die Darlehensforderung an der ihm zu ideellen Anteilen gehörigen Liegenschaft zu ermöglichen. Solange nicht feststeht, daß das Bauvorhaben nur die bereits nach § 4 WEG. begrundeten Wohnungseigentumsverhältnisse umfaßt und daher nur dieses Bauvorhaben vom Fonds durch eine Darlehensgewährung finanziert werden soll, besteht auch keine Verpflichtung des Antragsgegners zur Bestellung eines Machthabers zum Zwecke seiner Vertretung vor der Fondsbehörde.

Abschließend sei noch bemerkt, daß der Antragsgegner zur Erfüllung der aus seiner Stellung als Miteigentümer und Wohnungseigentümer fließenden gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen nicht durch rechtsgestaltenden, auf §§ 834, 835 ABGB. zu grundenden Richterspruch, sondern nur im ordentlichen Verfahren mit Leistungsurteil verhalten werden kann. Das gleiche gilt, wenn sich der Antragsgegner als Minderheitseigentümer weigert, die Handlungen zu setzen, die zur Durchführung eines rechtswirksamen, die ordentliche Verwaltung betreffenden Mehrheitsbeschlusses notwendig sind (vgl. EvBl. 1957 Nr. 186).

Anmerkung

Z36119

Schlagworte

Miteigentumsanteile beim Wohnungseigentum, Verminderung, Wohnungseigentum Verminderung der Miteigentumsanteile

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1963:0080OB00201.63.0924.000

Dokumentnummer

JJT_19630924_OGH0002_0080OB00201_6300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten