TE OGH 1963/10/15 8Ob234/63

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Veröffentlicht am 15.10.1963
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachout als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer, Dr. Rothe, Dr. Kohlbauer und Dr. Steinböck als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl W*****, vertreten durch Dr. Rudolf Wieser und Dr. Richard Larcher, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Maria H*****, vertreten durch Dr. Ernst Vcelak, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 13.150,-- infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 25. Juni 1963, GZ 2 R 219/63-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Stainach vom 26. April 1963, GZ C 63/62-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 950,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Nach wiederholten Klagseinschränkungen begehrt der Kläger von der Beklagten Zahlung von S 13.150,-- mit der Begründung, er habe im Lokal der Beklagten einen ihm gehörigen Musikautomaten aufgestellt, den die Beklagte vertragswidrig außer Betrieb gesetzt habe. Ihm seien dadurch Einspielergebnisse in der eingeklagten Höhe entgangen. Der Erstrichter hat die Beklagte schuldig erkannt, dem Kläger S 1.000,-- zu bezahlen; das Mehrbegehren hat er abgewiesen. Nach seinen Feststellungen hatte die Beklagte dem Kläger vertraglich das Recht eingeräumt, gegen die Beklagte dem Kläger vertraglich das Recht eingeräumt, gegen ein monatliches Entgelt von S 250,-- in dem ihr gehörigen Gasthaus einen Musikautomaten aufzustellen und in Betrieb zu halten. Mit Schreiben vom 26. 5. 1961 habe die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, daß sie sich selbst einen Musikautomaten gekauft habe, sie bitte den Kläger daher, seine Musikbox umzustellen; auf Wunsch erhalte er auch einen anderen Leihplatz. Darauf habe der Kläger mit Schreiben vom 22. 6. 1961 geantwortet, daß sein mit der Beklagten geschlossener Vertrag noch bis Dezember 1961 gelte. Weiter heiße es wörtlich: "Die Firma M***** will unseren Apparat zurücknehmen, jedoch kann dies nur auf dem Wege der Barzahlung erfolgen. Es liegt lediglich an der Firma M*****, wann die Ablöse erfolgen kann - von unserer Seite aus steht dann nichts im Wege." Am 2. 8. 1961 erklärte M*****, damals Vertreter der Firma M*****, daß seine Firma die Sache mit dem Kläger geklärt habe, worauf die Beklagte die Erlaubnis erteilte, die Musikbox des Klägers außer Betrieb zu setzen und die eigene anzuschließen. Am 3. 8. 1961 bemerkte der Sohn des Klägers, daß der Apparat seines Vaters nicht mehr angeschlossen war, er erfuhr, daß sich die Beklagte einen eigenen Apparat gekauft hatte. Dies teilte er seinem Vater mit. Am 19. 8. 1961 kam zwischen der Fa. M***** und dem Kläger ein Kaufvertrag über den bei der Beklagten befindlichen Musikautomaten des Klägers zustande, mit welchem die Fa. M***** diesen Apparat um S 38.000,-- kaufte und sich verpflichtete, den Kaufpreis bar in einigen Tagen zu bezahlen. Sie kam jedoch dieser Verpflichtung nicht nach, worauf der Kläger gegen sie eine Klage auf Zahlung von S 38.000,-- einbrachte. Diese Rechtssache wurde sodann außergerichtlich bereinigt. Am 2. 3. 1962 wurde die Musikbox von der Beklagten abgeholt. Erstmals am 10. 4. 1962 setzte der Kläger die Beklagte davon in Kenntnis, daß er mit dem Abmontieren seines Musikautomaten nicht einverstanden war und Schadenersatz verlange. Der Kläger vertritt die Ansicht, er habe der vorzeitigen Auflösung seines mit der Beklagten geschlossenen Vertrages unter der Bedingung zugestimmt, daß die Barzahlung durch die Fa. M***** geleistet werde. Diese Bedingung sei erst am 2. 3. 1962 eingetreten, weshalb die Beklagte ihm bis zu diesem Tage die durch das Abschalten seines Apparates entgangenen Einspielerergebnisse zu ersetzen habe. Dieser Ansicht ist der Erstrichter nicht gefolgt. Das Schreiben der Beklagten vom 26. 5. 1961 sei als Ersuchen um vorzeitige Vertragsauflösung aufzufassen. Diesem Ersuchen habe der Kläger in seinem Schreiben vom 22. 6. 1961 unter der aufschiebenden Bedingung zugestimmt, daß die Fa. M***** seinen Musikautomaten gegen Barzahlung zurückkaufe. Diese Bedingung sei mit Abschluß des Kaufvertrages zwischen der Fa. M***** und dem Kläger am 19. 8. 1961 eingetreten, sodaß mit diesem Zeitpunkt der zwischen den Streitteilen geschlossene Vertrag einverständlich aufgelöst worden sei. Die Beklagte sei daher nur verpflichtet, dem Kläger die Einspielergebnisse vom 2. 8. 1961 bis 19. 8. 1961 zu ersetzen, deren Höhe der Erstrichter nach § 273 ZPO mit S 1.000,-- bestimmt hat.

Den gegen dieses Urteil von beiden Streitteilen erhobenen Berufungen hat das Berufungsgericht nicht Folge gegeben. Es hat die Tatsachenfeststellungen des Erstrichters zur Frage der Vertragsauflösung als unbedenklich übernommen. Das Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 22. 6. 1961 lasse die Auslegung zu, daß die Zustimmung zur vorzeitigen Vertragsauflösung als erteilt gelte, sobald es zwischen der Firma M***** und dem Kläger zu einer Vereinbarung über die Barablösung gekommen sei. Diese Bedingung sei eingetreten. Es liegen auch keine Anhaltspunkte für den Schluß vor, daß der Kläger berechtigt gewesen sei, trotz des Verkaufes des Musikautomaten am 19. 8. 1961 noch weiter aus diesem Nutzen zu ziehen.

Dieses Urteil wird vom Kläger mit Revision wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung bekämpft. Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Beklagte zur Zahlung im Sinne des Klagebegehrens verhalten werde, allenfalls es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht gerechtfertigt. Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt dann vor, wenn in der Begründung einer Entscheidung als Inhalt einer Parteienbehauptung oder eines Beweismittels etwas angeführt ist, was mit dem tatsächlichen Inhalt nicht übereinstimmt oder wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben und zur Grundlage einer Feststellung gemacht ist. Es kann aber dann nicht von einer Aktenwidrigkeit gesprochen werden, wenn Tatsachenfeststellungen durch Schlußfolgerungen gewonnen werden, selbst wenn diese unrichtig sind. Die von dem Kläger behaupteten Mängel des berufungsgerichtlichen Urteils stellen keine Aktenwidrigkeit dar. Das Berufungsgericht hat die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes übernommen und damit auch die Feststellung über den Inhalt des Schreibens vom 22. 6. 1961. Wenn es in Ausführung der Entscheidungsgründe an zwei Stellen nur von "Ablöse", nicht aber von "Barzahlung" spricht, stellt dies keine Aktenwidrigkeit dar. Die Berufungsausführung, der Kläger habe von dem Zeitpunkt, in dem ihm bekannt wurde, daß die Beklagte seinen Musikautomaten außer Betrieb gesetzt habe (er war hierüber durch den Bericht seines Sohnes nach dessen Besuch bei der Beklagten am 3. 10. 1961 informiert worden), bis 10. 4. 1962 nichts dagegen unternommen, stimmt mit den erstrichterlichen Feststellungen überein, ist daher nicht aktenwidrig. Das Schreiben vom 22. 6. 1961 lag jedenfalls vor der Außerbetriebsetzung des Automaten. Die Folgerung des Berufungsgerichtes, die Beklagte habe wegen des Zustandekommens des Kaufvertrages zwischen der Firma M***** und dem Kläger das Vertragsverhältnis als aufgelöst betrachtet, der Kläger habe dies erkannt oder mußte dies erkennen, kann als Schluß, selbst wenn er unrichtig wäre, keine Aktenwidrigkeit darstellen.

Es kann aber auch den Rechtsausführungen des Klägers nicht gefolgt werden.

Für die Feststellung der Parteienabsicht und für ihre Auslegung gilt gemäß § 914 ABGB die Vertauenstheorie. Es ist daher nicht entscheidend, was die Parteien bei ihren Erklärungen gewollt haben, sondern, welche Bedeutung der Vertragspartner der Erklärung des Vertragsgegners nach deren Wortlaut und unter Berücksichtigung des Geschäftszweckes beilegen konnte (vergl. Gschnitzer in Klang2, 4. Band, S. 404). Die Auslegung des Schreibens des Klägers an die Beklagte vom 22. 6.1961 in der Richtung, daß der Kläger sich mit der ihm von der Beklagten vorgeschlagenen vorzeitigen Vertragsauflösung unter der aufschiebenden Bedingung einverstanden erklärte, daß die Fa. M***** den Apparat gegen Barzahlung zurücknehme, ist durch den Inhalt des Schreibens durchaus gedeckt. Die in diesem Schreiben gesetzte Bedingung war am 19. 8. 1961 eingetreten, da an diesem Tage zwischen dem Kläger und der Fa. M***** der Kaufvertrag zustande gekommen ist, mit dem die Fa. M***** den bei der Beklagten befindlichen Apparat des Klägers mit der Verpflichtung zur Barzahlung kaufte. Aus dem Wortlaut der vom Kläger abgegebenen Erklärung geht jedoch nicht hervor, daß die Beklagte an den mit dem Kläger geschlossenen Vertrag so lange gebunden sein sollte, bis die Fa. M***** der von ihr vertraglich übernommenen Barzahlungsverpflichtung auch tatsächlich nachgekommen sei. Wenn beim Barkauf der Käufer nach § 1062 ABGB auch verpflichtet ist, den Kaufgegenstand sogleich oder zur bedungenen Zeit zu übernehmen und gleichzeitig mit der Übernahme den Kaufpreis bar abzuführen, so läßt sich daraus, daß der Kläger seine Zustimmung zur Vertragsauflösung von dem Barverkauf der Musikbox an die Fa. M***** abhängig machte, nicht erkennen, daß zur Vertragsauflösung nicht nur der Abschluß des Kaufvertrages, sondern auch der Eingang der Zahlung des Käufers erforderlich war. Der Kläger führt zutreffend aus, daß es sich bei seiner Vereinbarung mit der Beklagten über den Betrieb des Musikautomaten einerseits und bei dem mit der Fa. M***** abgeschlossenen Kaufvertrag andererseits um zwei voneinander unabhängige rechtliche Verbindlichkeiten gehandelt hat. Dies ändert nichts daran, daß infolge des erklärten Willens des Klägers der Abschluß des Kaufvertrages mit der Barzahlungsvereinbarung die Bedingung für die vorzeitige Auflösung des mit der Beklagten geschlossenen Vertrages war. Hatte der Kläger die Absicht, den Zahlungseingang als Bedingung für seine Zustimmung zur vorzeitigen Vertragsauflösung zu setzen, so hat er diese Absicht unklar formuliert, hat daher die Folgen seiner undeutlichen Ausdrucksweise selbst zu vertreten (§ 915 ABGB 2. Halbsatz). Ebensowenig kommt in der Erklärung des Klägers in seinem Schreiben vom 22. 6. 1961 zum Ausdruck, daß der Vertrag mit der Beklagten erst mit dem Übergang des Musikautomaten in das Eigentum der Fa. M***** aufgelöst werden sollte, wie dies der Kläger nunmehr neu in seiner Revision behauptet.

Da sohin der mit der Beklagten geschlossene Vertrag durch Eintritt der Bedingung des Abschlusses eines Barkaufvertrages über den Musikautomaten am 19. 8. 1961 aufgelöst war, haben mit diesem Tage die Wirkungen der vertragswidrigen Außerbetriebsetzung des Automaten durch die Beklagte aufgehört, sodaß vom gleichen Tage an dem Kläger kein Anspruch auf Ersatz eines allfälligen Gewinnentganges gegen die Beklagte zusteht.

Der unbegründeten Revision war daher nicht Folge zu geben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E77659 8Ob234.63

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1963:0080OB00234.63.1015.000

Dokumentnummer

JJT_19631015_OGH0002_0080OB00234_6300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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