TE OGH 1963/10/30 7Ob294/63

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Veröffentlicht am 30.10.1963
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Norm

ABGB §174
ABGB §178
ABGB §252

Kopf

SZ 36/139

Spruch

Ohne Zustimmung des ehelichen Vaters kann ein unter väterlicher Gewalt stehendes Kind nur bei Vorliegen der Voraussetzung des § 178 ABGB. volljährig erklärt werden.

Entscheidung vom 30. Oktober 1963, 7 Ob 294/63.

I. Instanz: Bezirksgericht Fünfhaus; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die mj. beantragt, sie unter Nachsicht des Alters gegen den Willen ihres Vaters für volljährig zu erklären und führt aus, daß dieser für sie kein Verständnis hätte und insbesondere ihr Verlöbnis mit P. H. mißbillige.

Das Erstgericht gab diesem Antrag unter Hinweis auf § 252 ABGB. statt, obwohl sich beide Elternteile dagegen ausgesprochen haben und stellte fest, daß sich der Vater der Minderjährigen grundlos weigere, seiner minderjährigen Tochter die Eheschließung mit P. H. zu gestatten. Die von der Minderjährigen gegen den Willen ihrer Eltern vorgenommene Verlobung mit P. H. habe zu ernsten Zerwürfnissen geführt, die häufig in heftige Streitszenen ausarteten. Es sei nunmehr eine gewisse Entfremdung zwischen der Minderjährigen und ihren Eltern eingetreten. Im Elternhaus werde kaum ein Wort gewechselt. Es sei offenkundig, daß das ablehnende Verhalten der Eltern der Minderjährigen gegenüber deren Bräutigam dazu geführt habe, daß die Minderjährige den Eltern fast völlig entglitten sei.

Das Rekursgericht hob den Beschluß auf und ordnete erergänzende Erhebungen an.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Minderjährigen Folge und wies den Antrag der Minderjährigen, sie unter Nachsicht des Alters für volljährig zu erklären ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 174 ABGB. kann die Entlassung aus der väterlichen Gewalt nur auf Grund einer in diesem Sinne ergangenen Erklärung des ehelichen Vaters erfolgen. Dies trifft hier nicht zu. § 252 ABGB. ist aber im allgemeinen unanwendbar. Diese Bestimmung bezieht sich, was sich sowohl aus ihrer Einreihung in das mit "Von Vormundschaften und Kuratelen" überschriebene Hauptstück, und aus der Überschrift "Endigung der Vormundschaft" als auch aus der Vorschrift, daß der Vormund zu vernehmen sei, ergibt, nur auf den Fall, daß ein nicht unter väterlicher Gewalt stehender Minderjähriger Nachsicht des Alters erhalten soll. Ein eheliches Kind, dessen Vater die väterliche Gewalt nicht entzogen worden ist, kann auf Grund des § 252 ABGB. grundsätzlich nicht für großjährig erklärt werden. Bezöge sich § 252 auch auf unter väterlicher Gewalt stehende Kinder, so hätte § 174 gar keinen Sinn.

Für die gegenteilige Meinung wird mitunter auf zwei fast hundert Jahre alte Entscheidungen verwiesen. Die eine von ihnen, GlU. 5965 besagt hier überhaupt nichts, weil in dem ihr zu Gründe liegenden Fall der Vater dem Sohn Selbständigkeit eingeräumt hatte, wodurch nach der seinerzeitigen Fassung des § 174 die väterliche Gewalt erlosch (s. Wentzel - Plessl - Klang[2] I, 2, S. 230 ff.). Im Falle der anderen Entscheidung GlU. 3469 war die minderjährige Tochter verheiratet, so daß die väterliche Gewalt hinsichtlich ihrer Person ohnedies gemäß § 175 ABGB. erloschen war. Überdies können die Entscheidungen in keiner Weise darüber hinwegkommen, daß gemäß § 174 ABGB. eine Erklärung des ehelichen Vaters, den Minderjährigen aus seiner Gewalt zu entlassen, vorliegen muß und daß § 252 ABGB. nur von unter Vormundschaft stehenden Minderjährigen handelt. In dieser Frage zeigt sich der deutliche Unterschied zwischen der Erklärung des ehelichen Vaters nach § 174, den Minderjährigen aus seiner Gewalt zu entlassen und dem bloßen Gutachten des Vormundes nach § 252 ABGB. Mit Recht verweist aber Krasnopolski (IV, S. 249 ff.) auf

§ 178. Liegen die Voraussetzungen dieser Bestimmung vor, so kann das Gericht geeignete Verfügungen treffen, insbesondere den Vater einem Vormund gleichhalten. In diesem Fall verringert sich sein Recht gemäß § 252 ABGB. auf die bloße Erstattung eines Gutachtens, so daß auch gegen seinen Willen die Volljährigkeitserklärung erfolgen kann. Vorwürfe im Sinne des § 178 ABGB. wurden aber nicht erhoben. Selbst bei Richtigkeit der von der Minderjährigen aufgestellten Behauptungen könnte nicht davon gesprochen werden, daß der eheliche Vater seine Gewalt mißbrauche, wesentliche Pflichten nicht erfülle oder sich eines ehrlosen oder unsittlichen Verhaltens schuldig gemacht hätte.

Will die Minderjährige P. H. heiraten, so wird die beantragte Maßnahme auch gar nicht notwendig sein. Denn sie kann dann, wenn ihr Vater die Einwilligung ohne triftige Gründe versagen sollte, gemäß § 3 (3) EheG. beantragen, daß diese Erklärung durch das Gericht ersetzt werde. Unrichtig ist die Meinung des Rekursgerichtes, daß die Minderjährige um die Befreiung vom Erfordernis der Ehemundigkeit anzusuchen hätte. Denn gemäß § 1 EheG. ist sie ohnedies ehemundig. Sie bedarf nur noch der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters die durch das Gericht ersetzt werden kann. Dann erlischt hinsichtlich ihrer Person auch die väterliche Gewalt (§ 175 ABGB.).

Das Rekursgericht hätte daher dem Rekurs dahin Folge geben sollen, daß der Antrag der Minderjährigen abgewiesen werde. Es war jedoch auch möglich, auf Grund eines von ihr ergriffenen Rechtsmittels in diesem Sinne zu entscheiden (EvBl. 1956 Nr. 155 S. 301).

Anmerkung

Z36139

Schlagworte

Eheliches Kind, Volljährigerklärung, Großjährigerklärung, eheliches Kind, Kind, eheliches, Volljährigerklärung, Volljährigerklärung, eheliches Kind

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1963:0070OB00294.63.1030.000

Dokumentnummer

JJT_19631030_OGH0002_0070OB00294_6300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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