TE OGH 1963/10/30 6Ob207/63 (6Ob208/63)

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Veröffentlicht am 30.10.1963
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Norm

AO §53 (4)

Kopf

SZ 36/137

Spruch

Der Nachfristsetzung nach § 53 (4) AO. bedarf es nicht, wenn der Schuldner, obwohl ihm bekannt ist, daß der Gläubiger aus der Nichtzahlung der Quote Wiederaufleben der Forderung ableitet, erklärt, auf keinen Fall die geltend gemachte Forderung zu bezahlen.

Entscheidung vom 30. Oktober 1963, 6 Ob 207, 208/63.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Das Erstgericht hatte die Forderung des klagenden Futtermittelerzeugers mit 15.673 S samt Nebengebühren als zu Recht bestehend, die Gegenforderungen der beklagten Landwirtin als nicht zu Recht bestehend festgestellt und daher die beklagte Partei schuldig erkannt, 15.673 S samt Nebengebühren zu bezahlen. Es hatte als erwiesen angenommen, die Beklagte habe im Juli 1958 im Zuge einer Schweinemastaktion 100 Stück Ferkel zum Preis von 28.500 S, ein Futtermuster um 6300 S, vier Futterautomaten zum Preis von 3200 S und Kraftfutter zur Schweineaufzucht von der klagenden Partei mit Zahlungsziel von sechs Monaten gekauft. Das Getreidefutter habe die Beklagte von der Firma J. OHG., in H. bezogen. Anläßlich der Vorsprache des Generalvertreters der klagenden Partei Friedrich K. habe die Beklagte am 14. November 1958 eine Schuldverbindlichkeit gegenüber dem Kläger im Betrage von 69.400 S und gegenüber der Firma J. im Betrage von 30.936 S 40 g anerkannt, in die Sicherungsübereignung von 96 Stück Schweinen, des Musters und der Futterautomaten an die klagende Partei eingewilligt, diese ermächtigt, die gemästeten Schweine, wie auch die Fütterungsgeräte zum jeweiligen Marktpreis zu verkaufen und den erzielten Erlös auf die offene Forderung gegen die Beklagte anzurechnen. Noch vor Abschluß der Mast sei die Beklagte an Friedrich K. mit der Bitte herangetreten, ihr einen Interessenten für Schweine namhaft zu machen, weil sie aus finanziellen Gründen nicht mehr die erforderlichen Futtermittel beschaffen könne. Die klagende Partei habe der Beklagten den Fleischhauer H. aus E. vermittelt, der dann auch den Verkauf dieser Schweine im Dezember 1958 und Jänner 1959 auf dem Viehmarkt St. Marx für Rechnung der Beklagten durchgeführt habe. Dieser Erlös sei der Beklagten ebenso wie später der Restwert der rückgenommenen Fütterungsgeräte gutgeschrieben worden. Die Beklagte sei im Jahre 1959 in Ausgleich gegangen. Sie habe im Ausgleich der klagenden Partei einen verhältnismäßig geringen Betrag als Quote bezahlt, der von dieser auch zu 100% mit 2027 S gutgeschrieben worden sei. Hieraus ergebe sich der restlich eingeklagte Saldo von 15.673 S zu Lasten der Beklagten. Deren Gegenforderungen bestunden nicht zu Recht.

Der dagegen seitens der Beklagten erhobenen Berufung wurde teilweise Folge gegeben und das Ersturteil insoweit bestätigt, daß es als Teilurteil zu lauten habe:

"Die Forderung der klagenden Partei besteht im Teilbetrag von 3869 S 20 g zu Recht.

Die eingewendeten Gegenforderungen der beklagten Partei bestehen im Umfang der nunmehr zu Recht erkannten Klagsforderung nicht zu Recht.

Die beklagte Partei ist daher bei Zwangsfolge schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen den Betrag von 3869 S 20 g zu bezahlen."

Im übrigen, und zwar hinsichtlich des weiteren Zuspruches von 11.803 S 80 g samt 4% Zinsen seit 1. Jänner 1959 aus 15.673 S sowie im Kostenausspruch, wurde das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und die Rechtssache im Umfang der Aufhebung zur erganzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht, welches die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes zur Gänze als unbedenklich übernahm, hielt die Rechtssache aus nachstehenden Gründen nicht im vollen Umfang zur Entscheidung reif und daher eine teilweise Aufhebung des Ersturteiles nach § 496 (1) Z. 3 ZPO. für erforderlich.

Die Beklagte selbst habe in erster Instanz behauptet, im Jahre 1959 sei über sie ein Ausgleichsverfahren eröffnet worden. Der Kläger habe dann vorgebracht, daß dabei ein 60%iger Ausgleich angenommen und bestätigt wurde, die Beklagte mit der gegenständlichen Forderung jedoch in Verzug geraten sei und deshalb im Sinne des § 53 (4) AO. vom Kläger mit achttägiger Frist schriftlich gemahnt wurde. Die Beklagte habe dies jedoch bestritten. Ein angenommener und bestätigter Ausgleich habe nun zur Folge, daß die nicht bevorrechteten Forderungen der Gläubiger, die vor Ausgleichseröffnung entstanden sind, gleichgültig, ob sie im Ausgleich angemeldet, bestritten oder anerkannt wurden, nach Maßgabe des Ausgleiches gestundet, bzw. erlassen seien (§ 53 AO.) und der Zinsenlauf dieser Forderungen mit Ausgleichseröffnung gleichfalls zum Stillstand komme (§ 27 AO.). Da die gegenständliche Forderung der klagenden Partei offenbar schon vor dem angeblich im Jahre 1959 eröffneten Ausgleichsverfahren fällig gewesen sei, also - soweit sie nicht durch Absonderungsrechte gedeckt ist (§ 11 AO.) - dem Ausgleich unterliege, würde dies zu einer Kürzung der durch Absonderungsrechte nicht gedeckten Forderungsteile der klagenden Partei nach Maßgabe des Ausgleiches führen; es sei denn, es wäre Wiederaufleben der Forderung durch Verzug in der Erfüllung des Ausgleiches nach qualifizierter Mahnung eingetreten (§ 53 AO.). Diesbezüglich habe die klagende Partei in ihrem Schriftsatz vom 8. Februar 1962 Behauptungen aufgestellt, hinsichtlich deren aber alle erstrichterlichen Feststellungen fehlen. Solange nun nicht eindeutig feststehe, unter welchen Bedingungen der von der beklagten Partei angemeldete Ausgleich zustandegekommen und ob Wiederaufleben der klagsgegenständlichen Forderung eingetreten sei, könne nur ein Betrag von 40% der Forderung (gesetzliche Mindestquote im Ausgleichsverfahren), als nach dem Gesetz innerhalb Jahresfrist nach Annahme des Ausgleiches fällig angesehen werden und sei daher lediglich in diesem Umfange zur Entscheidung reif. Der genaue Umfang des jedenfalls fälligen Forderungsteiles ergebe sich wie folgt: 40% der ursprünglichen Forderung von 21.700 S laut Schriftsatz vom 8. Februar 1962, vermindert um den im Ausgleich bezahlten Betrag, welcher mit 2027 S angerechnet wurde, wobei dann vom Ergebnis dieser Berechnung noch der volle Betrag von 4000 S für die anscheinend erst nach Ausgleichseröffnung angerechnete und daher erst nachher entstandene Forderung der Beklagten wegen Rückgabe der Fütterungsgeräte durch den Kläger in Abzug zu bringen sei (§ 20 AO.). Dies ergebe 21.700 S minus 2027 S = 19.673 S, davon 40% = 7869 S 20 g minus 4000 S = 3869 S 20 g. Der darüber hinausgehende Zuspruch und auch der Zuspruch der Zinsen müsse hingegen der Aufhebung zur Verfahrensergänzung unterliegen. Auf die Frage des Zurechtbestehens der Sicherungsübereignung ohne tatsächliche Übergabe der Schweine und Fütterungsgeräte in die Gewahrsame der klagenden Partei brauche in diesem Zusammenhang nicht eingegangen werden, da ein solches durch den Ausgleich nicht berührtes Absonderungsrecht zur Stützung des Klagsanspruches bisher nicht ausdrücklich geltend gemacht worden sei. Auf die nach den obigen Darlegungen mangelnde Spruchreife sei aus dem Gründe der Rechtsrüge Bedacht zu nehmen, auch wenn sie von der beklagten Partei in ihrem Rechtsmittel nicht besonders angezogen wurde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge, hingegen dem Rekurse des Klägers Folge, hob den Aufhebungsbeschluß auf und trug dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Zur Revision der Beklagten:

In den Ausführungen der Revision wird als Verfahrensmangel geltend gemacht, daß es das Berufungsgericht ungeachtet der in der Berufung erhobenen Beweisrüge unterlassen habe, den vom Erstgericht mit 4000 S als angemessen festgestellten Wert der zurückgenommenen Fütterungsautomaten zu überprüfen. Die beklagte Partei hat nun zwar in ihrer Berufung im Zusammenhang mit der Behauptung, daß der Kläger zur Zurücknahme der Geräte schon nach Beendigung der Schweinemast verpflichtet gewesen wäre, vorgebracht, sie habe diese nicht etwa 3 1/2 Jahre in Gebrauch gehabt, sondern nicht einmal ein halbes Jahr. Die Berufung enthält jedoch keinerlei Ausführungen in der Richtung, daß der vom Erstgericht mit 4000 S auf Grund der tatsächlich erkennbaren Abnützung und Beschädigung als angemessen festgestellte Wert der zurückgenommenen Geräte etwa zu niedrig angenommen worden wäre. Diese sohin unangefochten gebliebene Wertfeststellung der Geräte, war ohne weitere Überprüfung der Entscheidung des Berufungsgerichtes zugrundezulegen (§ 498 Abs. 1 ZPO.).

Nach dem Gesagten erweist sich auch der aus dem Gesichtspunkt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung in gleicher Richtung erhobene Feststellungsmangel als unbegrundet. Darüber jedoch, daß der Betrag von 4000 S auf die vom Berufungsgericht als fällig angenommene Mindestquote von 40% voll angerechnet wurde, vermag sich die Beklagte nicht mit Erfolg zu beschweren.

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

II. Zum Rekurs des Klägers:

§ 53 (4) KO. verlangt für das Wiederaufleben einer Forderung eine qualifizierte Voraussetzung, nämlich eine schriftliche Mahnung unter Einräumung einer mindestens achttägigen Nachfrist. Der Schuldner soll eindringlich auf die drohenden schweren Folgen seines Verzuges hingewiesen werden (Bartsch - Pollak II, S. 443). Diesem Erfordernis entspricht eine Klage nicht (SZ. XIV 169), weil sie die Wirkung der Nachfristsetzung nicht hervorzubringen und deshalb im Gegensatz zur allgemeinen Regel die Mahnung nicht zu ersetzen vermag (Bartsch - Pollak a. a. O., Anm. 26 zu § 53 AO.; Pollak, System[2], I, S. 391).

Ähnliches mag im allgemeinen für im Zuge des Verfahrens eingebrachte Schriftsätze gelten. Mit dem hier in Betracht kommenden Schriftsatz ONr. 17 aber wurde die Fortsetzung des Verfahrens, in welchem wegen Eröffnung des Ausgleiches Ruhen eingetreten war, mit der Begründung beantragt, der Kläger habe der Beklagten mit eingeschriebenem Brief vom 16. Jänner 1962 eine achttägige Nachfrist zur Erfüllung des Ausgleiches gesetzt; die Beklagte habe innerhalb dieser Frist gar nichts, sondern nur nach deren Ablauf einen geringfügigen Betrag bezahlt und dies damit begrundet, daß sie nicht mehr schuldig sei. Außerdem enthielt der Schriftsatz eine Wiederholung des Urteilsantrages mit einer vierzehntägigen Leistungsfrist. Dieser Schriftsatz, den die Beklagte erhalten hat und der in der mündlichen Streitverhandlung vorgetragen wurde, muß als eine neuerliche Mahnung, in welcher die Beklagte auf die schweren Folgen ihres Verzuges hingewiesen wurde, angesehen werden und es bleibt nur die Frage offen, ob auch dem gesetzlichen Erfordernis der Nachfristsetzung entsprochen wurde.

Nun bedarf es nach einheitlicher zu § 918 ABGB. entwickelter Lehre und Rechtsprechung dann keiner Nachfristsetzung, wenn der Schuldner zur Erfüllung des Vertrages auf die bedungene Weise nicht bereit ist. Dasselbe muß auch für die Nachfristsetzung nach § 53 (4) AO. mit der Maßgabe gelten, daß der Schuldner, obwohl ihm bekannt ist, daß der Gläubiger aus der Nichtzahlung der Quote Wiederaufleben der Forderung ableitet, erklärt, auf keinen Fall die geltend gemachte Forderung zu bezahlen; er verliert dadurch das Recht auf die teilweise Schuldbefreiung des Ausgleiches, ohne daß es noch einer Nachfristsetzung bedürfte. Es kann von den Parteien nicht verlangt werden, daß sie Erklärungen abgeben, deren Sinnlosigkeit von vornherein feststeht.

Im vorliegenden Fall hat nun der Kläger mit Schriftsatz ONr. 17 behauptet, daß die Beklagte nach wie vor die Forderung bestreite und zur Zahlung nicht bereit sei. Die Beklagte hat dem nicht nur nicht widersprochen, sonder auch dem fortgesetzten Verfahren die Forderung nachdrücklichst bestritten und erklärt, sie wolle nicht zahlen. Es würde einen nicht vertretbaren Formalismus bedeuten und dem Sinn des Gesetzes nicht gerecht werden, wollte man verlangen, der Kläger müsse auch noch nachweisen, daß er der Beklagten einen Brief geschrieben und sie darin zur Zahlung aufgefordert habe.

Die Beklagte hat auch das Fehlen einer qualifizierten Mahnung im ganzen Verfahren nicht eingewendet. Sie hat zwar das Klagebegehren bekämpft, nicht der mit der Einwendung, es sei kein Wiederaufleben eingetreten und sie habe daher höchstens die Ausgleichsquote zu bezahlen. Sie hat auch das Ersturteil nicht aus diesen Gründen angefochten, obwohl daraus, daß der Erstrichter, obwohl er den Ausgleich keineswegs übersehen hat, dem Kläger trotzdem den vollen Betrag zuerkannt hat, zu schließen war, daß er die tatsächlichen Voraussetzungen des Wiederauflebens als gegeben angenommen hat. Dies ergibt sich insbesondere aus der Wendung des Ersturteils, es sei die im Ausgleich anerkannte Forderung per 2027 S, die kulanterweise vom Kläger gutgebucht wurde, obwohl seitens der Beklagten lange nach Fristverfall nur der quotenmäßige Anteil beglichen wurde, vom eingeklagten Betrag abzuziehen. Es blieb also hinsichtlich des Wiederauflebens nicht nur die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes, sondern auch die tatsächliche Grundlage, auf der diese Beurteilung beruhte, unbekämpft.

Es muß somit dem Rekurs darin zugestimmt werden, daß es im Hinblick auf den erwähnten Schriftsatz ONr. 17, des Nachweises einer weiteren Mahnung mit Nachfristsetzung nicht bedarf. Da demnach die vom Berufungsgericht in dieser Richtung aufgetragene Verfahrensergänzung nicht erforderlich ist, war der angefochtene Aufhebungsbeschluß seinerseits aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung aufzutragen.

Anmerkung

Z36137

Schlagworte

Ausgleich, Nachfristsetzung, Nachfristsetzung im Ausgleich

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1963:0060OB00207.63.1030.000

Dokumentnummer

JJT_19631030_OGH0002_0060OB00207_6300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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