TE OGH 1963/12/11 6Ob324/63

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Veröffentlicht am 11.12.1963
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Norm

ABGB §585
ABGB §594
Außerstreitgesetz §126

Kopf

SZ 36/156

Spruch

Dem Testamentserben, der sich auf ein Testament stützt, das vor offenbar nicht fähigen (§ 594 ABGB.) Zeugen errichtet wurde, ist die Klägerrolle zuzuteilen.

Entscheidung vom 11. Dezember 1963, 6 Ob 324/63.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die nächsten Angehörigen der am 29. April 1963 verstorbenen Erblasserin sind nach den Angaben in der Todfallsaufnahme: 1. ihr zweiter Gatte Josef G. (der erste Gatte Josef P. ist vorverstorben),

2. ihre Adoptivtochter Berta K., geborene B., adoptierte P., 3. der erblasserische Bruder Ignaz R., 4. die erblasserische Schwester Anna St.

Das schriftliche Testament der Erblasserin vom 23. September 1948 lautet in seinen wesentlichen Punkten:

"1. Zum Universalerben meines dereinstigen wie immer gearteten beweglichen und unbeweglichen Nachlaßvermögens setze ich meinen Gatten Josef P. ein.

2. Meine Adoptivtochter Frau Berta K. (geb. B., adoptierte P.), Branntweinschenkerin in Wien, setze ich auf den ihr gebührenden Pflichtteil.

3. Meine sonstigen Verwandten dürfen an meinen Nachlaß keinen wie immer gearteten Erbanspruch stellen."

Der erblasserische Witwer hat behauptet, daß die Erblasserin Ende November 1962 in Gegenwart von drei Zeugen ein mündliches Testament errichtet habe, mit welchem sie ihn zum Universalerben eingesetzt und die Adoptivtochter auf den Pflichtteil verwiesen habe. Bei der Vernehmung der Testamentszeugen, welche übereinstimmend bestätigten, daß die Erblasserin anläßlich eines Besuches im November 1962 erklärt hat, "wenn mir einmal etwas geschehen sollte, so gehört alles meinem Sepperl" - womit der Ehemann Josef G. gemeint gewesen sei -, stellte sich heraus, daß zwei dieser Zeugen die Schwestern und der dritte Zeuge der Schwiegersohn des erblasserischen Witwers sind.

Die von der erblasserischen Adoptivtochter auf Grund des Gesetzes zu drei Viertel des Nachlasses und vom erblasserischen Witwer auf Grund des mündlichen Testamentes zum ganzen Nachlaß abgegebenen bedingten Erbserklärungen wurden mit Beschluß vom 4. September 1963 zu Gericht genommen und nach Vernehmung der Parteien gemäß § 126 AußStrG. mit Punkt 1 des Beschlusses vom 20. September 1963 dem erblasserischen Witwer die Klägerrolle gegenüber der erblasserischen Adoptivtochter zugeteilt. Die übrigen Punkte dieses Beschlusses sind nicht Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens.

Das Erstgericht begrundete seinen Beschluß damit, daß die Formvorschrift, wonach der Erblasser seinen letzten Willen mündlich vor drei fähigen Zeugen zu errichten habe, bei der Errichtung des mündlichen Testaments vom November 1962 nicht eingehalten worden sei, weil es sich bei den drei Testamentszeugen um Personen handle, die mit dem erblasserischen Witwer verwandt bzw. verschwägert seien (§ 594 ABGB.). Es sei daher dem erblasserischen Witwer gegenüber der gesetzlichen Erbin als dem mit dem schwächeren Erbrechtstitel ausgestatteten Erben die Klägerrolle zuzuteilen gewesen.

Infolge Rekurses des erblasserischen Witwers hob das Rekursgericht diesen Punkt des erstgerichtlichen Beschlusses auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang die Ergänzung des Verfahrens und eine neuerliche Entscheidung auf. Es habe zwar der erblasserische Witwer seine Erbserklärung auf Grund eines mündlichen Testamentes abgegeben, welches, da die Testamentszeugen zu dem Personenkreis des § 594 ABGB. gehören, nicht in der gehörigen Form errichtet worden sei, doch habe auch die erblaßerische Adoptivtochter eine Erbserklärung auf Grund des Gesetzes abgegeben, die niemals zu einer Einantwortung führen könne. Sie sei nämlich in dem schriftlichen Testament vom 23. September 1948 auf den Pflichtteil gesetzt worden. Durch das Vorversterben des in diesem Testament eingesetzten Alleinerben sei dieses Testament nicht aufgehoben worden, und es bestehe daher, wenn der erblasserischen Adoptivtochter darin gefolgt werde, daß kein späteres mündliches Testament vorhanden sei, die im Testament vom 23. September 1948 vorgenommene Beschränkung der erblasserischen Adoptivtochter auf den Pflichtteil weiterhin aufrecht. Auf jeden Fall aber wäre ihr Erbrechtstitel als schwächer anzusehen als jener des erblasserischen Witwers, der sich auf ein vor drei, wenn auch nicht fähigen Zeugen errichtetes mündliches Testament stütze. Es könne aber derzeit noch nicht eindeutig über die Verteilung der Klägerrolle entschieden werden, da noch erblasserische Geschwister vorhanden seien und infolge Beschränkung der Adoptivtochter auf den Pflichtteil als gesetzliche Erben in Frage kommen, weshalb es notwendig sei, vorerst auch sie in dieses Verfahren einzubeziehen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der erblasserischen Adoptivtochter Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was zunächst die Zuteilung der Klägerrolle anlangt, so ist davon auszugehen, daß diese dem gesetzlichen Erben nur dann zuzuteilen ist, wenn ein formell einwandfreies Testament vorliegt, wenn also die Formvorschrift des § 585 ABGB. eingehalten wurde. Ein formgerechtes Testament liegt demnach nur vor, wenn der letzte Wille vor drei gleichzeitig anwesenden fähigen Personen errichtet wurde. Trifft dies zu, dann ist der sogenannten äußeren Form Genüge getan. Nach § 594 ABGB. sind aber u. a. Kinder, Geschwister und in eben dem Grade verschwägerte Personen keine fähigen Zeugen. Da nun im vorliegenden Fall feststeht und auch vom Testamentserben gar nicht bestritten wurde, daß von den von ihm genannten Testamentszeugen zwei seine Schwestern und einer sein Schwiegersohn sind, so ist es offenbar, daß ein formgerechtes Testament zugunsten des zweiten Gatten der Erblasserin nicht vorliegt und daß ihm daher auf Grund dieses mündlichen Testamentes der Nachlaß niemals eingeantwortet werden kann. Der Fall der Entscheidung SZ. XXVI 161 spricht nicht dagegen, weil dort, worauf in der Entscheidung ausdrücklich hingewiesen wurde, eine offenbare Unfähigkeit des Testamentszeugen nicht vorlag (Lebensgefährtin als Testamentszeugin).

Hingegen bestehen keine Bedenken gegen die von der Adoptivtochter auf Grund des Gesetzes abgegebene Erbserklärung. Auch das Testament vom 23. September 1948 steht ihm nicht entgegen, da daraus, daß der Testamentserbe (erster Gatte Josef P.), zu dessen Gunsten die Adoptivtochter auf den Pflichtteil gesetzt wurde, vorverstorben ist, der Schluß gezogen werden kann, daß dadurch die letztwillige Beschränkung der Adoptivtochter auf den Pflichtteil offenbar ihres Inhaltes beraubt wurde.

Aber selbst wenn der Standpunkt vertreten wird, daß durch den Tod des ersten Gatten der Erblasserin nur Punkt 1 des genannten Testamentes weggefallen sei, so würden dennoch die Geschwister der Erblasserin nicht zum Zuge kommen, weil sie, wenn davon ausgegangen wird, daß das Testament mit Ausnahme des Punktes 1 wirksam sei, laut Punkt 3 vom Erbrecht ausgeschlossen wurden.

Es besteht kein Grund für die vom Rekursgericht für notwendig erachtete Verfahrensergänzung durch Einbeziehung der Geschwister der Erblasserin in das Verlassenschaftsverfahren, und es hat auch das Erstgericht zu Recht dem zweiten Gatten der Erblasserin, der sich offenbar auf ein formgerechtes mündliches Testament nicht berufen kann, die Klägerrolle zugeteilt. Es erweist sich daher der Revisionsrekurs als begrundet, weshalb Punkt 1 des erstgerichtlichen Beschlusses wiederherzustellen war.

Anmerkung

Z36156

Schlagworte

Erbrechtsstreit, Zuteilung der Klägerrolle, Testament, formgerechtes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1963:0060OB00324.63.1211.000

Dokumentnummer

JJT_19631211_OGH0002_0060OB00324_6300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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