TE OGH 1964/4/7 8Ob296/63

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Veröffentlicht am 07.04.1964
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lenk als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachout, Dr. Bauer, Dr. Rothe und Dr. Steinböck als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef W*****, vertreten durch Dr. Karl Stockreiter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Anna F*****, vertreten durch Dr. Rudolf Zach, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 20.816,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17. September 1963, GZ 5 R 183/63, womit infolge Berufung beider Teile das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 31. Mai 1963, GZ 6 Cg 9/62-56, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 830,43 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger behauptet, er habe am 3. 1. 1958 einen LKW, Marke Borgward von der Beklagten gekauft. Auf den Kaufpreis habe er teils an die Beklagte, teils an die AVA in Abgeltung des von der Beklagten aufgenommenen Kredites insgesamt 32.566,-- S bezahlt. Am 14. 1. 1960 sei die Beklagte, weil der Kläger mit seiner Zahlung in Verzug gekommen sei, vom Vertrag zurückgetreten, worauf der Kläger am 26. 1. 1960 der Beklagten den LKW zurückgestellt habe. Der Kläger habe daher Anspruch auf Zurückzahlung des von ihm geleisteten Entgeltes. Dieses errechne sich unter Berücksichtigung einer von der Beklagten für ihn geleisteten Zahlung von 3.750,-- S und der Wertverminderung des LKW in der Höhe von 8.000,-- S mit insgesamt 20.816,-- S. Der Kläger begehrt die Bezahlung dieses Betrages.

Die Beklagte behauptet, daß der Kaufvertrag vom 3. 1. 1958 nur zum Scheine geschlossen worden sei. Die Streitteile hätten in dem von der Beklagten beim Handelsgericht Wien angestrengten Prozeß auf Herausgabe des LKW am 12. 2. 1959 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, in dem sich der Kläger verpflichtet habe, den LKW der Beklagten zurückzugeben, die Beklagte hingegen die Verpflichtung übernommen habe, den noch offenen Kredit bei der AVA zu bezahlen. Mit diesem Vergleich seien alle gegenseitigen Ansprüche verglichen. Die Beklagte habe erst am 11. 3. bzw 4. 4. 1959 dem Kläger das Kraftfahrzeug um 20.000,-- S, zuzüglich 1.000,-- S für Zinsen, zahlbar in wöchentlichen Raten von 250,-- S verkauft. Diese Vereinbarung sei später dahin ergänzt worden, daß sich der Kläger auch zur Zahlung des noch offenen Kredites von rund 7.000,-- S an die AVA verpflichtete. Mit Rücksicht auf den Vergleich könne der Kläger die von ihm an die Beklagte oder für diese an die AVA vor dem Vergleich geleisteten Zahlungen nicht zurückverlangen. Gegen die Klagsforderung wendete die Beklagte ein: eine Forderung von 27.500,-- S aus dem Titel des Schadenersatzes, weil der Kläger durch die Nichterfüllung des Kaufvertrages die Beklagte infolge Entwertung des Fahrzeuges um diesen Betrag geschädigt habe, ferner seine Forderung von 20.000,-- S für die Benützung des Kraftwagens durch den Kläger durch 2 Jahre.

Das Erstgericht stellte fest, daß die Klagsforderung mit 10.877,20 S und die Gegenforderung der Beklagten für die Benützung des LKW mit 4.780,-- S zu Recht bestehen, verurteilte demgemäß die Beklagte zur Zahlung von 6.097,20 S samt Zinsen und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 14.718,80 S samt Anhang, ab. Das Erstgericht stellte fest, daß der mit "Kaufvertrag" überschriebene Vertrag vom 3. 1. 1958 der keinen ziffernmäßig bestimmten Kaufpreis, sondern lediglich die Bestimmung enthalte, daß der LKW bis zur gänzlichen Bezahlung im Eigentum der Beklagten bleibe, nur zum Schein errichtet worden sei, um dem Lebensgefährten der Beklagten Franz S*****, der über keinen Gewerbeschein zum Betrieb eines Transportgewerbes verfügt habe, die Ausübung des Frächtergewerbes mit dem LKW auf aufgrund des Gewerbescheines des Klägers zu ermöglichen. Als S***** in der Folgezeit eine Arreststrafe abzubüßen gehabt habe, habe der Kläger mit dem LKW Frachtgeschäfte ausgeführt. Im Zuge des von der Beklagten gegen den Kläger angestrengten, auf die Herausgabe des LKW gerichteten Prozesses, sei am 12. 2. 1959 zu 13 Cg 657/48 des Handelsgerichtes Wien ein gerichtlicher Vergleich zu Stande gekommen, in dem sich der Kläger zur Zurückstellung des LKW an die Beklagte, die Beklagte ihrerseits zur Zahlung der bei der AVA noch offenen Kreditforderung verpflichtet habe und schließlich beide Teile und auch Franz S***** erklärt hätten, daß mit dem Vergleich alle gegenseitigen Ansprüche verglichen seien. Der Kläger habe bis zu diesem Vergleich der Beklagten 3.500,-- S und darüber hinaus weitere Beträge an die AVA gezahlt, sodaß im Zeitpunkte des Vergleiches bei der AVA nur noch der Betrag von 9.627,-- S offen gewesen sei. Erst mit der Vereinbarung vom 4. 4. 1959 habe die Beklagte den LKW um 20.000,-- S zuzüglich 1.000,-- S für Zinsen, also um 21.000,-- S zahlbar in wöchentlichen Raten von 250,-- S, an den Kläger verkauft. Am 28. 9. 1959 habe sich der Kläger in Ergänzung dieser Vereinbarung verpflichtet, als weiteren Kaufpreis für den LKW noch den bei der AVA ausstehenden Kreditrest von rund 7.000,-- S, ferner - allerdings nicht als Kaufpreis - 4.000,-- S, die die Beklagte für ihn an Viktor G***** geleistet habe, bis 12. 9. 1959 zu bezahlen. Mit Schreiben vom 14. 1. 1960 habe die Beklagte den Kläger aufgefordert, den noch offenen Kaufpreis von 25.870,-- S binnen 8 Tagen zu bezahlen, und habe gleichzeitig für den Fall der nichtrechtzeitigen Zahlung den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Der Kläger habe daraufhin am 26. 1. 1960 der Beklagten den LKW zurückgestellt. Diese habe sodann den LKW (der im Zeitpunkt des Verkaufes an die Klägerin im Jahre 1959 einen Verkehrswert von 13.000,-- S, im Zeitpunkte der Zurückstellung durch den Kläger im Jahre 1960 einen solchen von 9.000,-- S gehabt habe) um 12.500,-- S weiterverkauft. Nach dem 12. 2. 1959 habe der Kläger an die Beklagte insgesamt 5.750,-- S und an die AVA 9.627,20 S, also insgesamt 15.377,20 S bezahlt. Von dem Betrag von 15.377,20 S sei der von der Beklagten an Viktor G***** bezahlte Betrag von 4.000,-- S sowie die Wertminderung des LKW von 4.000,-- S, vermindert durch den Überpreis von 3.500,-- S, den die Beklagte bei dem Verkauf des LKW habe erzielen können, abzuziehen. Die Forderung des Klägers betrage daher 10.877,20 S, die Gegenforderung von 27.500,-- S bestehe nicht zu Recht. Hingegen bestehe die Gegenforderung auf Leistung eines Benützungsentgeltes von 4.780,-- S zu Recht. Die Beklagte habe daher dem Kläger einen Betrag von 6.097,20 S zu bezahlen. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es zu lauten habe: Die Klagsforderung bestehe mit 11.377,20 S, die Gegenforderung der Beklagten von 27.500,-- S bis zum Betrage von 11.377,20 S zu Recht. Das Klagebegehren auf Zahlung von 20.816,-- S werde daher abgewiesen.

Das Berufungsgericht teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß der Kläger mit Rücksicht auf die im Vergleich vom 12. 2. 1959 aufgenommene General-Klausel die vor dem Vergleichsabschluß geleisteten Zahlungen nicht zurückverlangen könne. Der Rückforderungsanspruch des Klägers betrage 15.377,20 S wovon die von der Beklagten an G***** geleisteten 4.000,-- S abzuziehen seien. Die Klagsforderung bestehe daher mit 11.377,20 S zu Recht. Der Beklagten stehe aus dem Titel des Schadenersatzes ein Differenz-Anspruch zu, der sich aus dem vereinbarten Kaufpreis von 30.627,20 S (20.000,-- + 1.000,-- S + 9.627,20 S), abzüglich des von der Beklagten beim Verkauf des LKW nach dessen Zurückstellung für diesen erzielten Betrages von 12.500,-- S mit 18.127,20 S errechne.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes aus den Revisionsgründen des § 503 Z 2 und 4 ZPO. Er beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Es ist richtig, daß das Berufungsgericht in Überprüfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung die Parteiaussage der Beklagten über den abgeschlossenen Vergleich als nicht ganz widerspruchslos bezeichnet. Es hat aber dessenungeachtet die Feststellung des Erstgerichtes über die Parteiabsicht, betreffend die Generalbereinigungswirkung des Vergleiches, übernommen und hinreichend dargelegt, warum es sich dieser Feststellung anschließt. Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß der Standpunkt des Klägers, er sei mit Rücksicht auf den Rücktritt der Beklagten vom Vertrag berechtigt, das von ihm an die Beklagte und für diese an die AVA vor dem Vergleichsabschluß am 12. 2. 1959 geleistete Entgelt zurückzuverlangen, bei Bedachtnahme auf die zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen in diesen Vereinbarungen keine hinreichende Stütze findet. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, daß die Verkaufsvereinbarung vom 4. 4. 1959 und die einige Monate danach geschlossene Zusatzvereinbarung eindeutig gegen diesen Standpunkt des Klägers sprechen, weil in keine dieser Vereinbarungen ein Zusatz aufgenommen wurde, der unter Bezugnahme auf den Vergleich die Rechtsansicht des Klägers rechtfertigen würde. Aktenwidrig ist die Behauptung des Klägers in seiner Mängelrüge, daß die Feststellungen des Berufungsgerichtes über den Differenzschaden weder in dem unbekämpft gebliebenen noch in dem festgestellten Sachverhalt des Erstgerichtes eine Stütze finden. Das Erstgericht ist entgegen der Behauptung der Revision von den vom Sachverständigen ermittelten Werten von 13.000,-- S und 9.000,-- S, und zwar vom 1. als Verkehrswert des Jahres 1959 und vom 2. als Verkehrswert des Jahres 1960 ausgegangen. Wie weit diese Werte bei der rechtlichen Beurteilung der Sache von Bedeutung sind, wird bei der Behandlung der Rechtsrüge zu erörtern sein.

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahren ist daher nicht gegeben. Auch die Rechtsrüge ist nicht berechtigt.

Auszugehen ist davon, daß der Vergleich vom 12. 2. 1959 unter Hinweis auf die festgelegten beiderseitigen Verpflichtungen die Vereinbarung enthält, daß "hiedurch zwischen den Streitteilen und dem Beklagten (d.i. hier der Kläger) und Franz S***** sämtliche gegenseitigen Ansprüche erledigt und verglichen sind". Es ist daher den Untergerichten beizupflichten, daß der Kläger im Hinblick auf den Rücktritt der Beklagten vom Kaufvertrag vom 4. 4. 1959 nur die Leistungen zurückverlangen kann, die er im Hinblick auf den Kaufvertrag vom 4. 4. 1959 erbracht hat, nicht aber die Beträge zurückverlangen kann, die er vor dem Vergleichsabschluß vom 12. 2. 1959 gezahlt hat. Die Verpflichtung zur Zahlung der noch bei der AVA aushaftenden Beträge durch die Beklagte wurde durch die Vereinbarung vom 28. 9. 1959, in der sich der Kläger ausdrücklich verpflichtete, den noch ausstehenden Kreditrest bei der AVA als weiteren Kaufpreis für den LKW zu bezahlen, aufgehoben. Die Verpflichtung des Klägers zur Rückstellung des LKW war durch den Kaufvertrag vom 4. 4. 1959, mit dem der LKW dem Kläger als Käufer überlassen wurde, weggefallen. Von einer einverständlichen Aufhebung des Vergleiches vom 12. 12. 1959 durch konkludente Handlungen, die ja keinen Zweifel an einer solchen Absicht der Parteien übrig lassen dürften (§ 863 ABGB), kann keine Rede sein. Vielmehr gehen die späteren Vereinbarungen zwischen den Streitteilen von dem Vergleich vom 12. 2. 1959 als von ihrer Grundlage aus.

Das Berufungsgericht hat daher mit Recht die Klagsforderung nach Abzug des Betrages von 4.000,-- S, den die Beklagte für den Kläger an G***** leistete und den daher der Kläger der Beklagten zu ersetzen verpflichtet war, als mit 11.377,20 S zu Recht bestehend, erkannt. Aber auch die Feststellung des der Beklagten aus ihrem Rücktritt vom Vertrag nach § 921 ABGB gebührenden Differenzschadens hat das Berufungsgericht richtig vorgenommen.

Im Kaufvertrag vom 4. 4. 1959 hat sich die Beklagte bis zur vollen Bezahlung des Kaufpreises das Eigentumsrecht am Kaufgegenstand vorbehalten. Die Vereinbarung des Eigentumsvorbehaltes schließt im Zweifel, die Vereinbarung eines Rücktrittsrechtes unter Abdingung der nicht zwingenden Vorschrift des Art 8 Nr 21 der 4. Vdg zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften in sich (3 Ob 7/59, SZ XXV/62). Durch die Geltendmachung des Rücktrittes wird der Vertrag aufgehoben. Es steht dem Verkäufer gemäß § 921 ABGB ein Schadenersatzanspruch zu, der sich aus dem Kaufpreis, vermindert um den Wert der Sache im Zeitpunkt der Rückstellung errechnet. Es ist richtig, daß die Höhe des Differenzanspruches des Verkäufers nicht davon abhängig ist, wieviel er für die ihm zurückgestellte Sache bei deren Veräußerung tatsächlich erzielt hat, sondern wieviel er für die Sache hätte erzielen können. Nun gehen aber die Untergerichte (S 191f, S 231) von dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.Ing. Dr. Gerhard Seidel (S 53) aus, demzufolge der LKW im Zeitpunkt der Zurückstellung an die Beklagte im Jahre 1960 nur einen Verkehrswert von 9.000,-- S hatte. Demnach ist nicht erwiesen, daß die Beklagte einen höheren Preis als 12.500,-- S hätte erzielen können. Da der Differenzanspruch der Beklagten gemäß § 921 ABGB unter Zugrundelegung des zwischen den Streitteilen vereinbarten Kaufpreises von 30.627,20 S und des von der Beklagten nach Rückstellung des Fahrzeuges erzielten Kaufpreises von 12.500,-- S 18.127,20 S beträgt, hätte die Beklagte einen den Betrag von 12.500,-- S um mehr als 6.750,-- S übersteigenden Preis erzielen müssen, damit die von ihr eingewendete Gegenforderung aus dem Differenzschaden kleiner als die Klagsforderung wäre. Für eine solche Annahme findet sich in den Feststellungen der Untergerichte kein Anhaltspunkt.

Aus diesen Erwägungen war wie im Spruch zu entscheiden. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E77672 8Ob296.63

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1964:0080OB00296.63.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19640407_OGH0002_0080OB00296_6300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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