TE OGH 1964/4/29 6Ob114/64

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.04.1964
beobachten
merken

Norm

ABGB §830

Kopf

SZ 37/67

Spruch

Minderjährigkeit und Militärdienstleistung eines Teilhabers rechtfertigen einen Aufschub der Zivilteilung bis nach Erreichung der Großjährigkeit.

Entscheidung vom 29. April 1964, 6 Ob 114/64. I. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Beklagte wurde am 29. Juni 1943 als ehelicher Sohn des Ludwig und der Philomena K. geboren. Sein Vater starb im Jahre 1946, seine Mutter verehelichte sich neuerlich mit dem Kläger und starb am 23. März 1960. Seither gehört die Liegenschaft EZ. 2446 KG. M. mit dem Einfamilienhaus in der St.gasse 12, je zur Hälfte dem Kläger und dem Beklagten. Vormunderin des Beklagten ist dessen Tante Cäcilia F. Beide Streitteile blieben zunächst in gutem Einvernehmen in dem aus zwei Zimmern, Veranda, Küche, Badezimmer, Vorraum und WC. bestehenden Haus. Ab Herbst 1960 traten zwischen ihnen Spannungen auf, es kam zu Mißtrauenskundgebungen der Vormunderin gegen den Kläger wegen dessen Gebarung mit den Mundelgeldern (Waisenrente, Lehrlingsentschädigung usw.) und beiderseitigen gerichtlichen Eingaben. Diese Mißhelligkeiten, zu denen auch beitrug, daß der Kläger L. eine Lebensgemeinschaft mit einer Frau einging, die er zu heiraten gedenkt, führten Anfang 1961 zum Bruch. Als der Beklagte am 6. Jänner 1961 heimkam, war das Haus versperrt, worauf er durch das Küchenfenster einstieg und die versperrte Schlafzimmertür eindrückte, um zu einem Kasten zu gelangen, in dem sich seine Wäsche und Kleider befanden. Der Kläger erstattete daraufhin gegen den Beklagten eine Anzeige und der Beklagte übersiedelte zu seiner Vormunderin.

Da der Kläger seither die ganze Liegenschaft allein benützt und dem Beklagten den Zutritt verwehrt, wurden dem Kläger auf Antrag des Beklagten gerichtlich Veranda, Küche und Schlafzimmer, dem Beklagten das Wohnzimmer mit Durchgangsrecht durch die Veranda zur alleinigen Benützung zugewiesen, während Vorraum und Bad gemeinsam blieben. Über eine ausschließliche Benützung durch den Kläger gegen Bezahlung eines Benützungsentgeltes konnte wegen dessen Höhe sowie wegen der Kosten einer bevorstehenden Kanalisierung keine Einigung erzielt werden.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Eigentumsgemeinschaft zwischen den Streitteilen durch gerichtliche Feilbietung der Liegenschaft mit 31. Dezember 1964 aufgehoben werde, und erkannte den Kläger schuldig, dem Beklagten die Prozeßkosten zu ersetzen.

Es stellte fest, daß eine gemeinsame Benützung der Liegenschaft auf die Dauer nicht möglich sei. Die Streitteile seien sich auch darüber einig, daß eine Zivilteilung erfolgen müsse. Dem Beklagten müsse aber zugebilligt werden, daß die vom Kläger verlangte sofortige Versteigerung zu seinem Nachteil ausschlagen würde, da der auf ihn entfallende Erlösanteil infolge seiner Minderjährigkeit zwar mundelsicher, aber nur gering verzinslich angelegt würde und er darüber nicht verfügen könnte. Eine solche Anlage wäre auch nach Erreichung der Großjährigkeit nicht sofort und ohne Einbuße auflösbar. Bemühungen um eine andere Anlage seien der bloß im Haushalt tätigen Vormunderin nicht zuzumuten. Die schleichende Geldentwertung, der die Wirtschaft seit geraumer Zeit unterliege, werde durch eine normale Sparkassenverzinsung nicht ausgeglichen. Nach Erreichung der Großjährigkeit werde der Beklagte in der Lage sein, Wege zu einer Anlage in sicheren Sachwerten zu suchen und dadurch einen Kapitalsverlust zu vermeiden, allenfalls sogar einen bescheidenen Gewinn zu erzielen.

Da es sich um ein Einfamilienhaus mit geringem Wohnraum handle, bestehe bei den im Augenblick sinkenden Grundpreisen die Gefahr, daß sich kein sonstiger Bieter finde und der Kläger den Anteil des Beklagten mühelos zum geringsten Gebot erwerbe. Nach Erreichung der Großjährigkeit werde der Beklagte eine gewisse Kreditwürdigkeit aufweisen, vielleicht Ersparnisse aus seinem Arbeitseinkommen erzielen und hiedurch sowie durch eine Forderung an Benützungsentgelt gegen den Kläger eine größere Benachteiligung verhindern können.

Auf der anderen Seite erwachse dem Kläger durch einen angemessenen Aufschub kein Schaden, sodaß die Interessenabwägung zugunsten des Beklagten ausfalle, der, so wie im vorangegangenen Außerstreitverfahren, nur einen Aufschub bis nach Erreichung seiner Großjährigkeit anstrebe. Diesem begrundeten Verlangen sei stattzugeben.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft ohne Termin, also mit sofortiger Wirkung ausgesprochen wurde.

Unzeit liege nicht vor, da sich die Volkswirtschaft weitgehend konsolidiert habe. Trotz eines gewissen Sinkens der Kaufkraft des Geldes bewege sich der Liegenschaftsverkehr in normalen Bahnen. Aus der Minderjährigkeit des Beklagten sowie aus seinem Mangel an geschäftlicher und wirtschaftlicher Erfahrung sei für ihn durch die Versteigerung kein Nachteil zu befürchten, da er gemäß § 21 ABGB. unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehe. Der Umstand, daß er über den ihm aus der Versteigerung zukommenden Erlös nur mit gerichtlicher Genehmigung verfügen dürfe, könne sich daher nur zu seinem Vorteil auswirken. Eine wertbeständige Anlage des Erlöses, etwa in Realwerten, sei auch unter diesen Umständen möglich. Es sei auch nicht zu erwarten, daß die geschäftliche Erfahrung, die Kreditwürdigkeit sowie die Möglichkeit des Beklagten, im Kreditwege Geld zum Erwerb der Liegenschaft zu erlangen, nach Erreichung der Großjährigkeit erheblich größer wäre als jetzt. Das Fehlen solcher Mittel sei kein die Aufschiebung der Zivilteilung rechtfertigender Nachteil. Die Befürchtung des Erstgerichtes, es könnten sich keine sonstigen Interessenten finden, sodaß der Kläger das Haus mühelos erwerben könnte, sei unbegrundet und außerdem vom Beklagten nicht behauptet worden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge, erkannte in Abänderung des Urteils des Berufungsgerichtes, daß die Feilbietung nicht vor dem 31. Dezember 1964 stattfinden dürfe und sprach dem Beklagten die Kosten aller drei Instanzen zu.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Beklagten stehen zur Wahrung seiner Interessen mehrere Wege offen: Entweder er versucht, sich die Mittel zu verschaffen, um die Liegenschaft selbst zu erwerben oder wenigstens zwecks Erhöhung des Erlöses mitbieten zu können, oder er strebt dieses letztere Ziel dadurch an, daß er kapitalskräftige Kaufinteressenten ausfindig macht. Nun ist es gewiß richtig, daß all dies auch während der Minderjährigkeit des Beklagten möglich ist. Es liegt aber auf der Hand, daß jede wie immer geartete Geldtransaktion durch die Notwendigkeit vormundschaftsbehördlicher Genehmigung erheblich erschwert, wenn nicht überhaupt vereitelt würde. Zu bedenken ist auch, daß der Beklagte während des Prozesses seinen Militärdienst ableisten mußte (eine genaue zeitliche Feststellung hierüber fehlt im Ersturteil allerdings), wodurch er für viele Monate in der Fähigkeit, seine privaten Angelegenheiten wahrzunehmen, wesentlich eingeschränkt war.

Da der Beklagte am 29. Juni 1964 großjährig wird, handelt es sich nur um eine verhältnismäßig kurzfristige Verzögerung, aus der dem Kläger überhaupt kein Nachteil erwächst, da er ohnedies im Hause wohnt und die ganze Liegenschaft allein benützt. Die nach Lehre und Rechtsprechung bei der Beurteilung der Frage, ob die Teilung zum Nachteil des Beklagten ausschlagen würde, vorzunehmende Interessenabwägung, fällt daher eindeutig zugunsten des Beklagten aus. Da diesem Nachteil durch einen angemessen Aufschub abgeholfen werden kann, wofür auch die vom Erstgericht gewählte Frist gebilligt werden kann, war der Revision stattzugeben und das Ersturteil wieder herzustellen.

Anmerkung

Z37067

Schlagworte

Aufschiebung der Zivilteilung, Teilungsklage, Aufschub der Zivilteilung, Zivilteilung, Aufschiebung, Aufschiebung der Zivilteilung, Teilungsklage, Aufschub der Zivilteilung, Zivilteilung, Aufschiebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1964:0060OB00114.64.0429.000

Dokumentnummer

JJT_19640429_OGH0002_0060OB00114_6400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten