TE OGH 1964/5/26 8Ob147/64

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Veröffentlicht am 26.05.1964
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Norm

ABGB §364
ABGB §364a

Kopf

SZ 37/75

Spruch

Haftung des Fabriksbesitzers für Schäden an Nachbargrundstücken infolge Abbrennens der Fabrik durch Fahrlässigkeit eines Arbeiters bei für diesen Betrieb typischen Verrichtungen.

Entscheidung vom 26. Mai 1964, 8 Ob 147/64. I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Die Erstbeklagte ist Inhaberin einer Maschinenfabrik in Vöcklabruck, in deren Werkshalle der Zweitbeklagte als Dienstnehmer der Erstbeklagten am 23. April 1961 den Ausbruch eines Brandes verschuldete. Der Zweitbeklagte, der mit Härtearbeiten betraut war, legte ein dem Härteofen entnommenes glühendes Eisenstück in eine mit gebrauchter Härtekohle gefüllte Holzkiste, wodurch die Härtekohle und die Kiste Feuer fingen. Das Feuer breitete sich aus und äscherte die Werkshalle, in der sich leicht brennbare Materialien befanden, ein. Der Rauch, den der Brand entwickelte, zog ziemlich hoch am Haus und am Glashaus des Gärtnereibetriebes der Klägerin vorbei. Das Haus der Klägerin ist vom Brandherd rund 47 m, das Glashaus rund 35 m entfernt. Durch den Rauch und die Hitzeeinwirkung sind die im Glashaus und im Freien befindlichen Blumen der Klägerin zu Schaden gekommen. Am Balkon des Wohnhauses bildeten sich am Anstrich der Türverkleidung Blasen. Das im Wohnhaus befindliche Klavier wies Rauchgeruch auf, die Politur war matt und blind und die Tasten vergilbt. Durch die Rauchentwicklung wurden die Polster- und Filzbeläge im Klavier beschädigt.

Das Erstgericht verurteilte beide beklagten Parteien zur Zahlung von 15.013.95 S zur ungeteilten Hand an die Klägerin. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 19.949.05 S wurde abgewiesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien nicht Folge, änderte hingegen auf Grund der Berufung der klagenden Partei das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß dieses Urteil unter Einbeziehung seines unangefochtenen Teiles zu lauten habe, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin 23.950 S samt 4% Zinsen seit 7. Dezember 1962 zu bezahlen, hingegen werde das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 11.013 S samt 4% Zinsen seit 7. Dezember 1962 und ebenso das Zinsenmehrbegehren von einem weiteren Prozent und für die Zeit vom 1. November 1961 bis 6. Dezember 1962 abgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der erstbeklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Eine unrichtige rechtliche Beurteilung liege, so meint die erstbeklagte Partei, darin, daß eine Haftung nach den §§ 364, 364a ABGB. einen aktiven Eingriff, also eine Tätigkeit voraussetze. Selbst wenn aber eine bloße Einwirkung auf das Eigentum des Nachbarn genüge, müsse diese Einwirkung mit dem Betriebe der Erstbeklagten in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen und für ihn typisch sein. Überdies müßte die Beeinträchtigung mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederkehren.

Es ist richtig, daß Klang in seinem Komm.[2], II., bei § 364 ABGB., auf Seite 170, bei Anm. 105, ausführt, daß die physische Einwirkung keine dauernde sein müsse, es vielmehr genüge, daß die Beeinträchtigung mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederkehre. Klang beruft sich hiebei auf eine Entscheidung des Deutschen Reichsgerichtes. Es ist auch zuzugeben, daß die dem durch die Einwirkung beeinträchtigten Nachbarn gewährte Unterlassungsklage zumindest eine Wiederholungsgefahr voraussetzt. Diese Wiederholungsgefahr ist nicht engherzig zu beurteilen (vgl. Entscheidung EvBl. 1963, Nr. 23). Bei der Anwendung der Bestimmung des § 364a ABGB., die dem geschädigten Nachbarn nur einen Schadenersatzanspruch (Ausgleichsanspruch), aber keine Unterlassungsklage gibt, hat der Oberste Gerichtshof unter Bedachtnahme auf den Zweck dieser Gesetzesvorschrift von dem Erfordernis einer Wiederholungsgefahr überhaupt abgesehen und auch einmalige Einwirkungen, die eine Wiederholung nicht erwarten lassen, für die Erhebung eines Schadenersatzanspruches nach § 364a ABGB. als ausreichend angesehen (vgl. die Entscheidung des OHG. EvBl. 1951, Nr. 381). Auch Klang muß zugeben, daß die Arten des unzulässigen Eingriffes im Gesetz nur beispielsweise aufgezählt sind und daß sich eine alle denkbaren Fälle umfassende Regel nicht aufstellen läßt. Die Beurteilung dieser Dinge in ihrer Bedeutung für verschiedene Verhältnisse, wie namentlich für städtische und landwirtschaftliche Grundstücke, müsse selbstverständlich dem vernünftigen Ermessen des Richters anheimgestellt werden (Klang, a. a. O., S. 169, 170, bei § 364 ABGB., unter VI 3 d, bei Anm. 98).

Der Schadenersatzanspruch des § 364a ABGB. soll einen Ausgleich dafür geben, daß sich der Nachbar gegen die Errichtung einer behördlich genehmigten Anlage auf dem Nachbargrund und gegen die mit dem Betrieb dieser Anlage verbundenen Einwirkungen auf sein Eigentum nicht mit Unterlassungsklage wehren kann. Es ist richtig, daß die Einwirkung, die den Schadenersatzanspruch des Nachbarn begrundet, für den Betrieb der gewerbebehördlich genehmigten Anlage typisch sein muß. § 364a ABGB. verlangt, daß die Beeinträchtigung durch die Anlage auf dem Nachbargrund in einer das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreitenden Weise verursacht werde. Der Brand ist durch die unvorsichtige Handlung einer Person herbeigeführt worden, die im Betrieb der Erstbeklagten mit für diesen Betrieb typischen Verrichtungen betraut war. Die Folgeerscheinungen von Rauch und Hitze sind daher gleichfalls auf diese Handlungsweise zurückzuführen, sie sind daher durch den Betrieb der behördlich genehmigten Anlage der Erstbeklagten verursacht. Für die schadenstiftende Handlung des im Betriebe beschäftigten Zweitbeklagten hat aber die Erstbeklagte einzustehen, weil der Schadenersatzanspruch des § 364a ABGB. ebenso wie das Verbot des § 364 (2) ABGB. gegen den Gründeigentümer auch dann erhoben werden kann, wenn die Einwirkung nicht durch ihn selbst, sondern durch eine Person verursacht wurde, von der er die Unterlassung der die Beeinträchtigung verursachenden schädigenden Handlung erwirken konnte (Entsch. des OGH. JBl. 1950, S. 164). Nicht der Brand, sondern die diesen Brand verursachende Handlung des Zweitbeklagten, für die die Erstbeklagte einzustehen hat, ist der Eingriff in das Eigentum der Klägerin. Es ist nicht etwa zu untersuchen, ob gegenüber einem anderen Brand die Folgeerscheinungen des gegenständlichen Brandes das ortsübliche Ausmaß überschritten haben. Die Frage ist vielmehr so zu stellen, ob die Beeinträchtigungen durch Rauch- und Hitzeentwicklung, wie sie durch den Brand hervorgerufen wurden, das nach örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten haben. Das kann aber nicht verneint werden.

Der Oberste Gerichtshof teilt daher die Rechtsansicht der Untergerichte, daß der Schadenersatzanspruch der Klägerin gegenüber der Erstbeklagten nach den Bestimmungen der §§ 364, 364a ABGB. dem Grund nach gegeben ist.

Dieser Anspruch besteht aber auch in der vom Berufungsgericht festgesetzten Höhe zu Recht.

Anmerkung

Z37075

Schlagworte

Brand einer Fabrik, Haftung für Schäden am Nachbargrundstück, Immissionen, Schäden am Nachbargrundstück durch Fabriksbrand, Nachbarrecht, Haftung für Schäden am Nachbargrundstück durch, Fabriksbrand, Brand einer Fabrik, Haftung für Schäden am Nachbargrundstück, Immissionen, Schäden am Nachbargrundstück durch Fabriksbrand, Nachbarrecht, Haftung für Schäden am Nachbargrundstück durch, Fabriksbrand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1964:0080OB00147.64.0526.000

Dokumentnummer

JJT_19640526_OGH0002_0080OB00147_6400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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