TE OGH 1964/9/17 5Ob139/64

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Veröffentlicht am 17.09.1964
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Norm

ABGB §19
ABGB §344
ABGB §1304
Strafgesetz §2 litg

Kopf

SZ 37/121

Spruch

Notwehrüberschreitung liegt vor, wenn der Hausbesitzer mittels einer Eierhandgranate, die bei gewaltsamem Öffnen der Tür oder des Fensterverschlages explodiert, Sicherungsvorkehrungen trifft, noch dazu, wenn er keine Warnungstafel anbringt.

Entscheidung vom 17. September 1964, 5 Ob 139/64. I. Instanz:

Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Nach den wesentlichen Feststellungen der Vorinstanzen hatte der am 14. Februar 1944 geborene Kläger, der also im Unfallszeitpunkt ungefähr 17 Jahre alt war, im August 1961 mit zwei gleichaltrigen Freunden auf Mopeds eine Urlaubsfahrt durch Österreich unternommen. Auf der Fahrt am 17. August 1961 setzte stärkerer Regen ein, so daß der Kläger mit seinen Freunden den Beschluß faßte, im Walde Unterstand zu suchen. Sie fanden ein umzäuntes Grundstück (Obstgarten) mit zwei aneinandergebauten Hütten vor, die unbewohnt waren. Der Kläger, der wegen des Regens Unterschlupf suchte, überstieg den 120 cm hohen Drahtzaun, der überdies noch durch Stacheldraht gesichert war, und versuchte das mit Brettern verschlagene Fenster der kleineren der beiden versperrten Hütten gewaltsam zu öffnen. Hiebei löste er eine Explosion einer am Fensterbrett liegenden Eierhandgranate aus, die ihn schwer verletzte und den Verlust eines Auges bewirkte. Der Beklagte, der Eigentümer dieser Hütten, hatte nämlich nach mehrfachen ungeklärten Einbrüchen seine versperrten Hütten gegen unbefugten Zutritt dadurch gesichert, daß er eine aus deutschen Wehrmachtsbeständen stammende Eierhandgranate durch einen Draht mit der Tür und der Fensterverschalung der Hütte so verband, daß die Granate beim gewaltsamen öffnen der Tür oder des Fensterverschlages detonieren mußte. Der Beklagte wurde diesbezüglich wegen Notwehrüberschreitung nach den §§ 335, 337 lit. a StG. rechtskräftig verurteilt, zumal er es unterlassen hatte, eine Warnungstafel anzubringen.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger für Verdienstentgang, als Ersatz zahlreicher kleinerer Unfallsschäden, Verunstaltungsentschädigung und Schmerzengeld einen Gesamtbetrag von 47.021.50 S samt Anhang.

Das Erstgericht nahm das Mitverschulden des Klägers, der ohne Berechtigung den Zaun überstiegen habe und gewaltsam in die Hütte habe eindringen wollen, dreimal so hoch wie das Verschulden des Beklagten an, und erkannte daher mit seinem Zwischenurteil den geltend gemachten Anspruch dem Gründe nach zu 1/4 als gerechtfertigt und zu 3/4 als nicht gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Zwischenurteil dahin ab, daß es den Anspruch auf Leistung von Schmerzengeld, den der Kläger im Betrage von 15.000 S samt Anhang gegen den Beklagten geltend gemacht hatte, dem Gründe nach mit 2/3 zu Recht und mit 1/3 nicht zu Recht bestehend feststellte. Im übrigen hob es das erstgerichtliche Zwischenurteil, soweit es über die weiteren in der Klage erhobenen Ansprüche dem Gründe nach abgesprochen hatte, ohne Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache im Umfange der Aufhebung zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der II. Instanz erschien eine Verschuldensaufteilung von 1/3 : 2/3 zugunsten des Klägers gerechtfertigt, sie fällte aber deshalb nur hinsichtlich des geltend gemachten Schmerzengeldes von 15.000 S ein Zwischenurteil auf dieser Grundlage, weil hinsichtlich der übrigen Ansprüche noch nicht festgestellt sei, ob sie im einzelnen überhaupt zu Recht bestehen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten teilweise Folge und änderte das angefochtene Teil- und Zwischenurteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß der Anspruch auf Leistung von Schmerzengeld, den der Kläger im Betrage von 15.000 S samt Anhang gegen den Beklagten geltend gemacht hatte, dem Gründe nach mit 40% zu Recht, mit den restlichen 60% nicht zu Recht bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Auszugehen ist davon, daß der Beklagte wegen der diesem Unfall zugrundeliegenden Handlung - wie bereits ausgeführt wurde - vom Strafgericht rechtskräftig wegen Notwehrüberschreitung nach den §§ 335, 337 lit. a StG. verurteilt worden ist. Das Zivilgericht ist gemäß § 268 ZPO. an den Inhalt dieses Erkenntnisses gebunden. Der Beklagte bekämpft in seiner Revision auch nur mehr die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung von 2/3 : 1/3 zu seinen Ungunsten und strebt eine solche von 1 : 9 zum Nachteil des Klägers an.

Der Revisionswerber muß nun selbst zugeben, daß die Eierhandgranate unter Umständen als eine tödliche Waffe anzusehen ist, wenn sie in einem engen Raum zur Detonation gebracht wird. Durchaus zutreffend hat das Strafgericht in seiner Urteilsbegründung ausgeführt, der Beklagte habe auf Grund seiner Beschäftigung als Brunnenfacharbeiter und seiner Kriegserfahrung - er hatte zugegeben, oft mit einer Eierhandgranate geworfen zu haben - leicht erkennen können, mit welcher Gefahr das Anbringen einer Eierhandgranate als Sicherung gegen Einbrüche verbunden sei. Das unbestreitbare Recht des Angeklagten, sein Eigentum zu schützen, unterliege einer gesetzlichen Beschränkung; er habe sich nur der nötigen Verteidigung bedienen dürfen. Die Abwehr habe sich dem Angriff anpassen müssen. Die Tat des Beklagten lasse aber ein richtiges Verhältnis der Verteidigung zum Angriff vermissen. Die Furcht vor Diebstählen geringwertiger Bienengeräte rechtfertige nicht Vorkehrungen, wie sie die Abwehr einer Lebensgefahr erheische. Der Angeklagte habe schon darum keine Abwehr mit einer tödlichen Waffe vorbereiten dürfen, weil er die Art und Stärke des künftigen Angriffes gar nicht gekannt habe und das Maß der notwendigen Abwehr nicht dem blinden Zufall habe überlassen dürfen. Diesen Ausführungen des Strafgerichtes ist beizustimmen.

Auch wenn der Kläger in Diebstahlsabsicht in die Hütte des Beklagten eingedrungen wäre - was aber die Unterinstanzen nicht als erwiesen angenommen haben, sie haben vielmehr festgestellt, daß der Kläger und seine beiden Freunde nur deshalb in die Hütte einzudringen versuchten, um Schutz vor der schlechten Witterung zu finden -, so wäre dies nicht von entscheidender Bedeutung; denn auch gegen einen allfälligen Diebstahl durfte sich der Beklagte im Sinne des § 2 lit. g StG. ebenso wie gemäß den §§ 19, 344 ABGB. nur der nötigen Verteidigung bedienen, als welche aber die Anbringung tödlicher Waffen nicht anerkannt werden kann. Die Abwehr muß sich dem Angriff anpassen und in einem richtigen Verhältnis zum geschützten Rechtsgut stehen. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Beklagte damit rechnete, daß ein allfälliger Einbrecher bloß geschreckt werde; wenn er geradezu die Absicht gehabt hätte, einen Eindringling einer tödlichen Gefahr auszusetzen, wäre sein Verhalten ja noch viel schwerer zu beurteilen gewesen; ein solches Verhalten ist aber ohnehin nicht festgestellt worden. Der Beklagte konnte jedoch - wie ja gerade der gegenständliche Vorfall zeigt - niemals genau voraussehen, zu welchen Folgen die Anbringung einer Eierhandgranate hinsichtlich der er selbst zugibt, daß sie unter Umständen eine tödliche Waffe ist - führen könne; er durfte, da er die Art und Stärke des künftigen Angriffes ja nicht kannte, auch das Maß der notwendigen Abwehr nicht dem Zufall überlassen (KH 3566). Die Nichtanbringung einer Warnungstafel ist dem Beklagten gleichfalls zum Vorwurf zu machen, er durfte dies nicht schon deshalb unterlassen, weil er annahm, daß ein zur Nachtzeit eindringender Dieb sie ohnehin nicht sehen werde.

Wenn aber auch nicht im Sinne der Revisionsausführungen nur von einem bloß 10%igen, als einem ganz geringfügigen Verschulden des Beklagten gesprochen werden kann, so liegt doch anderseits ein erhebliches Mitverschulden des Klägers vor. Mit Recht weist das Prozeßgericht darauf hin, daß der Kläger, obzwar durchaus die Möglichkeit bestanden habe, in einem Bauernhaus im Walde oder unter dem schützenden Vorbau einer Kapelle vor dem Regen Schutz zu finden, durch Überklettern eines hohen und noch durch Stacheldraht zusätzlich abgesicherten Zaunes ein fremdes Grundstück betreten habe und darüber hinaus noch darangegangen sei, eine versperrte Hütte aufzubrechen. Auch wenn auf seine Unbesonnenheit infolge seines jugendlichen Alters Bedacht genommen wird, muß doch berücksichtigt werden, daß er durch sein rechtswidriges Verhalten den Unfall ausgelöst hat.

Dem Revisionsgericht erscheint daher eine Aufteilung des beiderseitigen Verschuldens gemäß § 1304 ABGB. im Verhältnis von 60% zu 40% zuungunsten des Klägers gerechtfertigt.

Anmerkung

Z37121

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1964:0050OB00139.64.0917.000

Dokumentnummer

JJT_19640917_OGH0002_0050OB00139_6400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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