TE OGH 1964/12/10 5Ob295/64

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Veröffentlicht am 10.12.1964
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmeisser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Berger, Dr. Hammer, Dr. Sobalik und Dr. Winkelmann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria S*****, vertreten durch Dr. Erich Stangel, Rechtsanwalt in Waidhofen a.d. Ybbs, NÖ, wider die beklagte Partei Franz S*****, vertreten durch Dr. Ernst Üblacker-Risenfels, Rechtsanwalt in Amstetten, NÖ, wegen Aufhebung des Miteigentums an einer Liegenschaft (Streitwert 21.600,-- S s.A.), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 8. September 1964, GZ 7 R 259/64-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 23. Juni 1964, GZ 2 Cg 132/63-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 830,43 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin - die geschiedene Gattin des Beklagten - begehrte mit der vorliegenden Klage die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft an der im gleichteiligen Eigentum der beiden Parteien stehenden Liegenschaft EZ ***** durch gerichtliche Feilbietung. Nachdem das Erstgericht dieses Begehren mit seinem Urteil vom 19. 4. 1963, ON 7, abgewiesen hatte, kam es nach Aufhebung seiner Entscheidung durch das Berufungsgericht (ON 11) auf Grund des ergänzten Verfahrens mit seinem Urteil vom 23. 6. 1964, ON 21, zur Stattgebung des Klagebegehrens. Nach seinen wesentlichen Feststellungen ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die Streitteile - deren Ehe mit dem Urteil des KG St. Pölten vom 21. 11. 1962, 2 Cg 631/62-7, rechtskräftig geschieden worden war (sh Punkt 2 der Klage auf S 2, der in der Klagebeantwortung auf S 10 außer Streit gestellt wurde) - sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ *****. Es handelt sich um ein Einfamilienhaus mit einem Zubau und einem Gartengrundstück. Die Liegenschaft ist mit der Dienstbarkeit des lebenslänglichen unentgeltlichen Wohnungsrechtes zu Gunsten der im Jahre 1899 (S 20) geborenen, also jetzt 65-jährigen Rosa K***** - der Mutter der Klägerin - belastet. Gemäß dem Servitutsbestellungsvertrag vom 10. 1. 1961 (Beilage C) beinhaltet die Dienstbarkeit das Wohnrecht an der im Zubau befindlichen, aus einem Zimmer, Küche und Vorraum bestehenden Wohnung sowie das lebenslängliche unentgeltliche Mitbenützungsrecht an allen zur Ausübung dieses Wohnungsrechtes dienenden Nebenräumlichkeiten des Hauses sowie des Gartens und der Wasserleitung. Der weitere Servitutsberechtigte, der im Jahre 1889 geborene Vater der Klägerin namens Florian K***** ist im März 1964 gestorben (S 62). Auf Grund des Gutachtens des SV Ing. S***** (ON 18) stellte das Prozeßgericht fest, daß eine Realteilung nicht möglich sei und daß das bei einer gerichtlichen Feilbietung erzielbare Meistbot durch die Servitutsrechte der Mutter der Klägerin um etwa 20-25 % des Gesamtwertes der Liegenschaft vermindert würde.

Schließlich wurde vom Prozeßgericht als erwiesen angenommen, daß der Beklagte die Klägerin wiederholt als meineidige Hexe beschimpft, Sicherungen ausgeschraubt, die Waschküche durch drei Monate versperrt und ebensolange die Wasserleitung abgesperrt gehalten, den Zugang zur Holzhütte mit Draht versperrt, das Hasenfutter mit Jauche übergossen, 5 Bäume umgeschnitten und menschlichen Kot im Garten abgelagert hatte.

Auf Grund dieses Sachverhaltes gab der Erstrichter dem Teilungsbegehren statt, wobei er die vom Beklagten eingewendete Unzeit im Sinne des § 830 ABGB nicht als gegeben annahm. Wenn auch der Wert der Liegenschaft durch die Servitutsrechte der Mutter der Klägerin um ca 20-25 % vermindert werde, könne der Klägerin eine Aufrechterhaltung der Eigentumsgemeinschaft mit ihrem geschiedenen Gatten bis zum Tod der servitutsberechtigten Rosa K***** - welcher immerhin noch eine etwa 10-jähriger Lebenserwartung zuerkannt werden müsse - im konkreten Fall deshalb nicht zugemutet werden, weil der Beklagte durch sein grob rücksichtsloses Verhalten gegenüber der Klägerin und ihrer Mutter ein weiteres Zusammenleben unmöglich gemacht habe.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil über Berufung des Beklagten dahin ab, daß es das Klagebegehren auf Teilung durch gerichtliche Feilbietung kostenpflichtig abwies. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen, nahm aber auf Grund des vom Prozeßgericht festgestellten Sachverhaltes an, daß die auf der Liegenschaft lastende persönliche Dienstbarkeit des Wohnungs- und Gebrauchsrechtes sich als erlösvermindernd für beide Streitteile auswirke und daher den Einwand rechtfertige, daß das Teilungsbegehren zur Unzeit gestellt worden sei. Liege jedoch zumindest derzeit das Teilungshindernis der Unzeit vor, dann können die vom Erstrichter getroffenen und unbekämpft gebliebenen Feststellungen über das grob rücksichtslose Verhalten des Beklagten gegenüber der Klägerin nicht zur Stützung des Teilungsanspruches herangezogen werden. Abgesehen davon, daß das Teilungsbegehren, dessen Ursprung im unbeschränkten Eigentum liege, keiner weiteren Begründung bedürfe, könnte das festgestellte Verhalten des Beklagten nur im Rahmen einer Interessensabwägung Berücksichtigung finden; eine solche finde aber nur bei der Prüfung der Nachteilseinrede statt, sie habe daher im Rahmen der Unzeiteinrede außer Betracht zu bleiben. Die Klägerin bekämpft das ihr Teilungsbegehren abweisende Urteil des Berufungsgerichtes mit ihrer auf § 503 Z 2, 3 und 4 ZPO gestützten Revision. Beantragt wird Abänderung des angefochtenen Urteils dahingehend, daß das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt werde. Allenfalls wird der Antrag auf Aufhebung und Rückverweisung der Sache an eine der beiden Vorinstanzen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung gestellt.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Aktenwidrig soll das Urteil des Berufungsgerichtes deshalb sein, weil es (auf S 84) anführt, der Beklagte habe in seiner Berufung beantragt, das angefochtene Urteil des Erstrichters im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern; tatsächlich habe der Beklagte in seiner Berufung aber nur die "Aufhebung" des erstgerichtlichen Urteils begehrt. Dies ist insofern richtig, als der Beklagte bzw sein Vertreter in der Berufung (S 73) den Antrag gestellt hat, das Berufungsgericht "wolle in Stattgebung dieser Berufung das angefochtene Urteil aufheben", wobei er aber beigefügt hat, das Berufungsgericht wolle "in der Sache selbst erkennend die Klage kostenpflichtig abweisen ....". Hieraus ergibt sich, daß zwar in der Rechtsmittelschrift eine klare Formulierung des Berufungsantrages im Sinne des § 467 Z 3 ZPO übersehen wurde. Da aber aus dem Antrag immerhin hervorgeht, daß in Wahrheit die Abänderung des erstgerichtlichen Urteils im Sinne der Klagsabweisung angestrebt worden ist, konnte das Berufungsgericht auch in diesem Sinne erkennen (sh die in der Manzschen Ausgabe der ZPO von Stagel-Michlmayr12 zu § 471 Z 3 ZPO unter Nr 3 zit Entscheidung) und es liegt darin, daß die zweite Instanz in ihrer Urteilsbegründung (auf S 84) den Berufungsantrag nicht in seiner verfehlten Form, sondern seinem tatsächlichen Inhalt nach wiedergegeben hat, zumindest keine ins Gewicht fallende Aktenwidrigkeit (Slg 1827, auch 2 Ob 374/56, 6 Ob 117/63 u.z.a.).

Insofern das Berufungsgericht aber aus dem nicht klar gegliederten Vorbringen des Beklagten in der Berufung - in der unter dem Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung darauf Bezug genommen wurde, daß der Feilbietungserlös durch das bestehende Fruchtgenußrecht um etwa 20-25 % vermindert werde, obwohl dies vom Erstgericht auf Grund des Sachverständigengutachtens (ON 18) ohnehin festgestellt worden war - abgeleitet hat, daß damit in Wahrheit die Ablehnung der Einrede der Unzeit durch das Erstgericht und damit die rechtliche Beurteilung des ohnehin feststehenden Sachverhaltes durch das Prozeßgericht bekämpft werden sollte, kann dies nicht unter dem Titel der Aktenwidrigkeit im Revisionsverfahren bekämpft werden, weil die Schlußfolgerungen des Berufungsgerichtes nicht auf einer aktenwidrigen Grundlage gewonnen wurden. Es entspricht auch der herrschenden Praxis, daß es nicht auf die richtige oder unrichtige Bezeichnung eines Berufungsgrundes ankommt, sondern darauf, was tatsächlich vorgebracht wurde, und daß das Berufungsgericht dann, wenn unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wurde - und dies ist in der Berufung, wenn auch in der Form vollkommen verfehlt, geschehen -, die rechtliche Beurteilung des feststehenden Sachverhaltes nach allen in Betracht kommenden Richtungen hin zu erfolgen hat (vgl die in der Manzschen Ausgabe der ZPO von Stagel-Michlmayr12 zu § 462 ZPO unter 7 zit Entscheidung). In der Rechtsrüge der Revision wird hierauf die Ansicht vertreten, daß eine Unzeit im Sinne des § 830 ABGB entgegen der Ansicht des zweiten Gerichtes nicht vorliege, weil es unbestimmt und unbestimmbar sei, wann die der Mutter der Klägerin eingeräumte Dienstbarkeit erlöschen werde. Dem ist entgegenzuhalten, daß der Zeitpunkt wohl unbestimmt, aber nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit doch bestimmbar ist und keine Bedenken dagegen bestehen, daß - im Sinne des § 16 des Bewertungsgesetzes (BGBl Nr 148/1955) - von einer noch etwa 10-jährigen Lebenserwartung der Servitutsberechtigten ausgegangen wird.

Den Revisionsausführungen ist wohl darin beizustimmen, daß eine Berufung auf die allgemeine wirtschaftliche Lage die Unzeit nicht rechtfertigen würde (SZ XXVI 148, SZ XXVII 321, 5 Ob 334/58 = EvBl 1959 Nr 70 u.z.a). Die Rechtsmittelwerberin übersieht aber, daß das Berufungsgericht die Unzeit nicht aus der allgemeinen wirtschaftlichen Lage abgeleitet hat, sondern daraus, daß die auf der Liegenschaft haftende Servitut sich erlösvermindernd für beide Streitteile auswirke. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt (SZ XXVIII 164, 1 Ob 2/58, 1 Ob 75/59, 6 Ob 199/63 ua) aus dem bestehen einer solchen Dienstbarkeit die Unzeit im Sinne des § 830 ABGB abgeleitet und es bestehen in diesem besonderen Fall auch keine Bedenken dagegen, die Unzeit anzunehmen, obwohl nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge anzunehmen ist, daß die Servitut erst nach ca 10 Jahren erlöschen dürfte. Denn da in dem klagsgegenständlichen Anwesen insbes nach dem Tod des Vaters der Klägerin hinreichend Platz für die beiden Streitteile und die Mutter der Klägerin ist und im Wege einer vernünftigen Benützungsregelung auch die beiderseitigen Berührungspunkte und die sich daraus ergebenden Streitigkeiten zumindestens weitgehend ausschaltbar sein werden, muß sich die Klägerin einen Aufschub der Teilung im Sinne des letzten Satzes des § 830 ABGB gefallen lassen, weil er "den Umständen angemessen" ist. Wenn die Klägerin in der Revision die Ansicht vertritt, daß entgegen der Ansicht der zweiten Instanz auch im Falle der Unzeiteinrede eine Interessenabwägung vorzunehmen sei, so ist ihr - abgesehen davon, daß die Ansicht des Berufungsgerichtes der herrschenden Rechtsprechung entspricht (6 Ob 199/63, sh auch die zahlreichen in der Manzschen Ausgabe des ABGB von Kapfer27 zu § 830 ABGB unter Nr 32 zit Entscheidungen) - entgegenzuhalten, daß die Abwägung der beiderseitigen Interessen aus den gleichen Gründen, aus denen sich die Klägerin einen den Umständen angemessenen Aufschub gefallen lassen muß, ohnehin auch zu ihren Ungunsten ausfallen müßte. Darin, daß das Klagebegehren nicht bloß "derzeit" abgewiesen wurde, liegt kein Rechtsirrtum des Berufungsgerichtes, weil eine solche Fassung des Urteils der Zivilprozeßordnung fremd ist und trotz Abweisung des Klagebegehrens bei geänderter Sachlage ohnehin eine neue Klage eingebracht werden könnte.

Schließlich wird in der Revision noch vorgebracht, es wäre zu berücksichtigen gewesen, daß die Eltern der Klägerin seinerzeit für die Einräumung der Dienstbarkeit der Wohnung einen Betrag von 20.000 S bezahlt hätten. Dadurch kann aber nicht der Umstand beseitigt werden, daß der derzeit zu erzielende Versteigerungserlös durch die nunmehr auf der Liegenschaft haftende Dienstbarkeit voraussichtlich um ca 20-25 % vermindert würde. Und nur darauf kommt es bei der Beurteilung der "Unzeit" an und nicht darauf, ob und was seinerzeit geleistet wurde. Nicht der seinerzeitige Aufwand ist entscheidend, sondern nur, ob in absehbarer Zeit ein höherer Preis zu erzielen sein wird. Deshalb waren Erhebungen darüber, ob ein heute infolge der auf der Liegenschaft haftenden Dienstbarkeit zu erwartender geringerer Verkaufserlös durch die seinerzeitige Zahlung von 20.000 S "gedeckt" wäre, überflüssig, sodaß auch die aus diesem Grunde geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht gegeben ist. Da sich somit keiner der geltend gemachten Revisionsgründe als stichhältig erwiesen hat, war der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E76832 5Ob295.64

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1964:0050OB00295.64.1210.000

Dokumentnummer

JJT_19641210_OGH0002_0050OB00295_6400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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