TE OGH 1965/3/18 2Ob45/65

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Veröffentlicht am 18.03.1965
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Norm

ABGB §1494
ZPO §28 (1)

Kopf

SZ 38/43

Spruch

Ein aktiver Richter bedarf keiner anwaltlichen Vertretung, wenn er als gerichtlich bestellter Kurator auftritt

Entscheidung vom 18. März 1965, 2 Ob 45/65

I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Johann B., der Gatte der Klägerin, erlag am 11. November 1958 den Verletzungen, die er am 11. Oktober 1958 bei einem Verkehrsunfall erlitten hatte, dessentwegen der Beklagte strafgerichtlich verurteilt wurde.

Mit der am 14. Dezember 1962 bei Gericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin, vertreten durch ihren Sohn, den von ihr bevollmächtigten LGR. Dr. Johann B., der überdies mit Beschluß des Pflegschaftsgerichtes vom 19. Oktober 1962 zum Kurator "zur Geltendmachung ihrer aus der Tötung ihres Gatten entstandenen Schadenersatzansprüche" bestellt und dem Klagsermächtigung erteilt worden war, vom Beklagten die Zahlung von 900 S. Hiezu brachte sie im wesentlichen vor, sie sei seit Jahren infolge ihrer Gebrechen völlig hilflos und bedürfe der dauernden Pflege. Diese hätte ihr ihr Gatte geleistet, wenn er nicht tödlich verunglückt wäre. Unter Vorbehalt aller Rechte werde ein Teilbetrag in der genannten Höhe für Krankengeld verlangt, vom Erstgericht aufgefordert, den Klagsanspruch aufzugliedern und den Klagsgrund genau bekanntzugeben, erklärte die Klägerin ergänzend zum Vorbringen in der Klage, wonach infolge des Todes ihres Gatten ein Wohnungswechsel erforderlich gewesen sei, die Klagssumme werde für Übersiedlungskosten begehrt, hilfsweise jedoch als Krankheitskosten, weil sie, in den im Jahre 1959 neu bezogenen Räumen an einer akuten Polyneuritis erkrankt, einer Pflegeperson 1800 S bezahlt habe.

Das Erstgericht wies im Sinne der vom Beklagten u. a. erhobenen Verjährungseinrede die Klage ab. Sowohl die Übersiedlung der Klägerin wie ihre akute Erkrankung liege mehr als drei Jahre vor Klagserhebung. Zwar stehe fest, daß die Klägerin zur Zeit der ärztlichen Untersuchung in diesem Verfahren - sie wurde auf Antrag der Klägerin zu Beweissicherungszwecken im Sinn der §§ 384 ff. ZPO. durchgeführt - an einem paranoiden Syndrom verbunden mit akustischen Halluzinationen bei seniler und arteriosklerotischer Hirnleistungsschwäche leichten Grades gelitten habe, es sei ihr jedoch der Beweis nicht gelungen, daß sie bei Entstehen der behaupteten Ansprüche handlungsunfähig gewesen sei; daher sei auch die Bestimmung des § 1494 ABGB. betreffend die Hemmung der Verjährung nicht anwendbar.

Der Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht Folge. Es hob das Ersturteil auf und verwies die Sache an die I. Instanz zurück. Zugleich sprach es aus, daß das Verfahren in I. Instanz erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen sei. Der vom Pflegschaftsgericht bestellte Kurator der Klägerin, der dem Personenkreis des § 28 (1) ZPO. zugehörige LGR. Dr. B., habe als deren gesetzlicher Vertreter die Klage rechtzeitig erhoben. Die Auslagen für die Übersiedlung stellten zwar nicht Kosten nach § 1327 ABGB., wohl aber einen Entgang im Sinn dieser Gesetzesstelle dar. Das Unterbleiben eines Sachverständigenbeweises über die behauptete Handlungsunfähigkeit der Klägerin begrunde einen in der Berufung zutreffend gerügten Verfahrensmangel.

Der Beklagte bekämpft den Beschluß des Berufungsgerichtes mit Revisionsrekurs, richtig Rekurs, in dem er beantragt, das Ersturteil wiederherzustellen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekursantrag ist verfehlt, weil nach ständiger Rechtsprechung im Rekurs gegen einen berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß Sachentscheidung nicht begehrt werden kann. Dies hindert jedoch nicht die meritorische Erledigung des Rechtsmittels.

Dieses ist nicht begrundet.

Wenn der Beklagte behauptet, es läge kein Umstand vor, der die Unterbrechung oder Hemmung der Verjährungsfrist hätte auslösen können, so ist ihm zu erwidern, daß nach Ansicht des Berufungsgerichtes gerade in diesem Belange die bisherigen Verfahrensergebnisse noch keine endgültige Beurteilung gestatten. Die vom Berufungsgericht für geboten erachtete Ergänzung des Sachverständigenbeweises soll die Tatsachengrundlage zur Beurteilung der Frage schaffen, ob die bei der Klägerin festgestellten Verfolgungsideen bereits zur Zeit des Entstehens der Klagsforderung ein Ausmaß hatten, daß sie einen Mangel der Geisteskräfte im Sinne des § 1494 ABGB. darstellten. Von einem solchen kann - sieht man vom Mangel an Lebensjahren ab - nur im Falle einer Geisteskrankheit, d.

i. einer krankhaften Störung der Geisteskräfte, oder einer Geistesschwäche, d. i. einer ungenügenden geistigen Entwicklung, gesprochen werden. Die Bestimmung gilt nicht für Personen, die etwa infolge einer schweren Erkrankung vorübergehend nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind und in diesem Zustand ihre Rechte nicht wahrnehmen können. In einem solchen Fall könnte die Ablaufshemmung nach § 1494 ABGB. nicht zugebilligt werden (EvBl. 1962 Nr. 114). Über die Notwendigkeit der vom Berufungsgericht dem Erstgericht aufgetragenen Ergänzung entscheidet jenes als letzte Tatsacheninstanz endgültig. Dabei wird es auch Aufgabe des Sachverständigen sein, sich zu der vom Rekurs aufgeworfenen Frage zu äußern, ob es möglich ist, daß sich die Handlungsfähigkeit der Klägerin lediglich auf das begrenzte Teilgebiet der Geltendmachung ihrer Ersatzansprüche beschränkt.

Der vom Rekurs erwähnte Umstand, daß die Klägerin nach der Aktenlage

ihre Ansprüche, soweit sie nicht Gegenstand des durch

außergerichtlichen Vergleich beendeten Verfahrens 21 Cg ... /59 des

Landesgerichtes für ZRS. Wien waren, an den LGR. Dr. B. abgetreten

hat, der sie im eigenen Namen zu 40 Cg ... /60 des Landesgerichtes

für ZRS. Wien klagsweise geltend gemacht hat, steht der Einklagung der gegenständlichen Forderung nicht entgegen, Wohl erlischt durch die Zession der Anspruch des Übertragenden gegen den Schuldner und es steht dem Zedenten auch kein Klagsrecht zur Eintreibung der Forderung für den Zessionar zu (EvBl. 1961 Nr. 382). Im vorliegenden Fall steht aber außer Streit, daß die Verpflegskosten für die akute Erkrankung der Klägerin Ende 1958/Anfang 1959 bisher noch nicht begehrt wurden. Der Zession kommt somit jedenfalls insoweit keine Bedeutung zu, als sich die Klage auf diesen Rechtsgrund stützt.

Der Rekurs bekämpft zwar die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß LGR. Dr. B. als zur Ausübung des Richteramtes befähigte und bei Gericht angestellte Person in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter keiner anwaltlichen Vertretung bedürfe, er bringt hiezu jedoch überhaupt nichts Konkretes vor. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist durch Lehre und Rechtsprechung gedeckt (vgl. Fasching, Komm. zu den Zivilprozeßgesetzen Anm. 4 zu § 28 ZPO. und die dort zitierte Entsch. NotZ. 1918, S. 41). Es besteht kein Anlaß zu einer anderen Beurteilung im vorliegenden Fall. Der Umstand, daß die Klägerin nicht entmundigt ist, ist für die Beurteilung des vorliegend bestellten Kurators als eines gesetzlichen Vertreters der Klägerin nicht von Belang. Ehrenzweig (System[2] II/2 S. 340) verweist darauf, daß sich mit der Bezeichnung Kurator kein klarer Begriff verbindet. Nach der Formulierung des Bestellungsbeschlusses kann ein Zweifel, daß LGR. Dr. B. mit diesem Beschluß die gesetzliche Vertretung der Klägerin für den genau abgegrenzten Aufgabenkreis aufgetragen wurde, nicht bestehen; die Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes ist für den Streitrichter bindend (SZ. II 17).

Anmerkung

Z38043

Schlagworte

Kurator, aktiver Richter als -, keine anwaltliche Vertretung, erforderlich, Richter, aktiver, keine anwaltliche Vertretung als Kurator erforderlich

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1965:0020OB00045.65.0318.000

Dokumentnummer

JJT_19650318_OGH0002_0020OB00045_6500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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