TE OGH 1965/4/7 6Ob98/65

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Veröffentlicht am 07.04.1965
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Norm

ABGB §530
ABGB §1284

Kopf

SZ 38/59

Spruch

Der Umfang der vom Übernehmer im Rahmen eines Ausgedinges zu tragenden Ärztekosten bewegt sich innerhalb des ärztlichen Aufwandes, der vom ärztlichen Standpunkt aus erforderlich ist und den Landwirte wie der Übergeber für sich aufzubringen bereit sind

Entscheidung vom 7. April 1965, 6 Ob 98/65

I. Instanz: Bezirksgericht Lembach; II. Instanz: Landesgericht Linz

Text

Die beiden Kläger Josef K., geboren am 13. August 1886, und Katharina K., geboren am 15. Juli 1891, sind Ehegatten, leben in Gütergemeinschaft und waren je zur Hälfte Eigentümer des ungefähr 45 Joch großen Bauerngutes U. Nr. 1/2, Gemeinde O., Oberösterreich. Sie haben diese Liegenschaft mit Übergabsvertrag vom 21. November 1951 an ihren Sohn Josef K. jun. übergeben. Im Punkt 3 des Übergabsvertrages wurde der den beiden Klägern auf ihre Lebenszeit gebührende Wohnungs-, Natural- und Geldauszug vereinbart und in lit. D u. a. festgelegt, daß die Übernehmer verpflichtet sich, den Übergebern (Klägern) die erforderlichen Gänze zum Arzt, in die Apotheke und zum Seelsorger rechtzeitig durchzuführen, die Kosten des Arztes, der Medikamente sowie einer etwa erforderlichen Spitalsbehandlung zu berichtigen ...

Der Übernehmer Josef K. jun. hat in der Folge im Jahre 1960 die Liegenschaft an die beiden Beklagten verkauft, wobei ausdrücklich vereinbart wurde, daß die Käufer (Beklagten) die den Klägern zustehenden verbücherten Ausgedingsrechte übernehmen. Beide Kläger sind, wie den Beklagten schon bei Kauf der Liegenschaft bekannt war, kränklich und haben wiederholt ärztliche Leistungen des sie seit 15 Jahren behandelnden zuständigen und nächstgelegenen Gemeindearztes Dr. P. in Anspruch genommen, der seit einigen Jahren regelmäßig einmal wöchentlich den Erstkläger in seiner Wohnung besucht und ihm stets u. a. eine Injektion Strophantin verabreicht.

Der Erstkläger ist 1.46 m groß und 49 kg schwer. Er zeigt rachitischen Kleinwuchs mit schwerer Verbiegung der Wirbelsäule und Buckelbildung. Es besteht bei ihm eine starke Lungenblähung mit Rechtsherzbelastung, Leberschwellung und Stauungsbronchitis sowie eine allgemeine Arterienverkalkung. Er ist nicht in der Lage, irgendwelche Arbeiten zu verrichten und kann nur kurze Strecken in unmittelbarer Umgebung des Hauses zurücklegen. Die Benützung von Massenverkehrsmitteln oder Fußmärsche gehen auf Kosten der Gesundheit. Behandlungsbedürftig sind vor allem die Atemnot und die Herzbeschwerden. In erster Linie muß das Herz gestützt und zeitweise eine Entwässerung durchgeführt werden. Wegen des Herz- und Lungenleidens ist eine periodische ärztliche Untersuchung und Kontrolle zirka alle drei bis vier Wochen notwendig, um Komplikationen rechtzeitig zu erfassen und die richtige medikamentöse Behandlung anzuordnen.

Bei der Herzbehandlung wird grundsätzlich mit Digitalis-Tabletten oder Tropfen das Auslangen zu finden sein. Bisweilen ist es jedoch notwendig, eine Strophantininjektion zu geben, wobei meist dieses Mittel vorerst täglich gegeben wird und dann auf Digitalis umgestellt wird. Die Strophantin-Wochenendspritzung ist medizinisch anerkannt. Im Preis der Medikamente Digitalis und Strophantin ist kein wesentlicher Unterschied. Bei der Behandlung mit Digitalis sind aber nur gelegentliche Hausbesuche notwendig, während bei Strophantininjektionen unbedingt einmal wöchentlich eine Visite erforderlich ist. Die Digitalispräparate können bei manchen Patienten Beschwerden hervorrufen, weshalb auch deshalb auf Strophantin umgestellt wird. Der Wirkungseffekt von Digitalis und Strophantin ist ähnlich.

Die Kläger haben nun mit der Behauptung, daß sich die Beklagten grundlos weigern, den Klägern die für ihre ärztliche Behandlung aufgewendeten Kosten zu ersetzen, zwei Klagen gegen die Beklagten eingebracht, und zwar der Erstkläger allein die Klage C 11/64 (52/63), betreffend die Ärztekosten für die Zeit vom 25. Juni bis 27. August 1963 im Betrage von 1440.90 S, und der Erstkläger sowie die Zweitklägerin die Klage C 19/64 über die Ärztekosten für die Zeit vom 28. Jänner bis 31. März 1964 im Betrage von 1737.35 S. Beide Rechtssachen wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Während die Beklagten unter anderem die Notwendigkeit der in diesem Umfang erbrachten ärztlichen Leistungen bestritten und behaupteten, der mit den Beklagten seit dem Jahre 1953 verfeindete Arzt Dr. P. habe Luxusmedikamente verschrieben und, obwohl er bei den Besuchen der Kläger auch andere Patienten besucht habe, das gesamte Weggeld den Klägern allein verrechnet, brachten die Kläger u. a. vor, daß die ärztliche Behandlung des Erstklägers und die damit verbundenen Hausbesuche unbedingt notwendig gewesen seien, da der Erstkläger infolge seines schlechten Gesundheitszustandes nur mit großen Schwierigkeiten ausgehen könne.

Das Erstgericht erkannte die Beklagten schuldig, den Klägern den Betrag von 2047.35 S samt Anhang zu bezahlen und wies das Mehrbegehren auf Bezahlung eines weiteren Betrages von 1130.90 S samt Anhang ab.

Dieses Urteil bekämpften die Kläger in seinem abweislichen Teil insoweit, als ihnen die zusätzlichen Wegegebühren im Betrage von 720 S nicht zugesprochen wurden, und im Kostenpunkte. Die Abweisung blieb hinsichtlich des Betrages von 410.90 S unbekämpft.

Die Berufung der Beklagten richtete sich gegen den stattgebenden Teil des erstgerichtlichen Urteiles und gegen den Kostenausspruch.

Während der Berufung der Kläger im Ergebnis ein Erfolg versagt blieb, wurde der Berufung der Beklagten teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil so abgeändert, daß es unter Einbeziehung seiner unangefochtenen und bestätigenden Teile lautet:

"Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, binnen 14 Tagen bei Exekution nachstehende Beträge zu bezahlen:

a) dem Kläger Josef K. allein 663 S samt 4% Zinsen seit 18. Oktober 1963.

b) beiden Klägern 772.35 S samt 4% Zinsen seit 16. Mai 1964.

3. Hingegen wird das Mehrbegehren

a) des Klägers Josef K. auf Zahlung eines weiteren Betrages von 777.90 S samt 4% Zinsen seit 18. Oktober 1963.

b) beider Kläger auf Zahlung eines weiteren Betrages von 965 S samt 4% Zinsen seit 16. Mai 1964 abgewiesen."

Ferner wurden die Prozeßkosten erster Instanz gegenseitig aufgehoben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Erstklägers Folge und sprach dem Erstkläger allein in Abänderung des Urteiles der zweiten Instanz den Betrag von 1275 S samt Zinsen seit 18. Oktober 1963 zu.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei der Behandlung der Rechtsrüge ist davon auszugehen, daß der Erstkläger behauptet hat, die ärztliche Behandlung durch Dr. P. und seine Hausbesuche seien unbedingt erforderlich gewesen, da der Erstkläger infolge seines schlechten Gesundheitszustandes nur mit großen Schwierigkeiten außer Haus gehen könne.

Damit sind die Kläger ihrer sich aus §§ 431, 226 ZPO. ergebenden Verpflichtung, die Tatsachen, auf welche sich ihr Anspruch grundet, im einzelnen kurz und vollständig anzugeben, nachgekommen, ohne daß es aus den im folgenden dargelegten Gründen notwendig war, noch weitere Tatsachenbehauptungen aufzustellen.

Der Oberste Gerichtshof billigt die von den Untergerichten vertretene Rechtsansicht, daß sich der Umfang der Kosten für die den Klägern als den Übergebern zuteil werdende ärztliche Betreuung und Behandlung, die als ein Teil der Ausgedingsleistung von den Beklagten als den Rechtsnachfolgern des Übernehmers zu tragen sind, innerhalb des ärztlichen Aufwandes bewegt, der einerseits vom ärztlichen Standpunkt aus erforderlich ist und den andererseits Landwirte eines mittleren Hofes im Mühlviertel für sich aufzubringen bereit sind. Daraus ergibt sich eindeutig, daß Luxusbehandlungen und Luxusmedikamente nicht unter jene ärztliche Betreuung fallen, deren Kosten von den Übernehmern zu tragen sind. Es hat daher das Erstgericht zu Recht, und im übrigen unangefochten, einen Teil der Kosten, als für Luxusmedikamente entstanden, nicht zugesprochen. Bei einer Behandlung mit Strophantininjektionen kann aber von einer Luxusbehandlung, der sich nur ganz besonders begüterte Personen unterziehen, keine Rede sein. Aus dem Sachverständigengutachten geht eindeutig hervor, daß es sich bei den Strophantininjektionen um eine medizinisch schon anerkannte Behandlungsmethode handelt, daß vom ärztlichen Standpunkt aus bei Herzleiden verschiedene Behandlungsmethoden möglich sind und kein starres Schema für die Fälle einer Behandlung mit Digitalispräparaten und für die Fälle der Behandlung mit Strophantininjektionen vorgeschrieben werden kann. Bei dieser Sachlage handelt es sich um eine Frage des ärztlichen Ermessens, ob der Arzt die eine oder andere Behandlungsmethode wählt. Es kann von dem Patienten nicht verlangt werden, daß er auf die Anordnung des Arztes hin, ihn mit Strophantininjektionen zu behandeln, Aufklärung verlangt, ob es nicht eine andere, vor allem billigere Behandlungsmethode gibt. Es darf nicht übersehen werden, daß der Patient auch dann, wenn er die Kosten der ärztlichen Behandlung selbst zu tragen hat, in der Regel keinen Einfluß darauf nimmt, welche Behandlungsmethode der Arzt wählt, da dem Patienten im allgemeinen jede Fachkenntnis für eine Einflußnahme nach dieser Richtung fehlt, und er sich der vom Arzt als Fachmann getroffenen Entscheidung vertrauensvoll unterwirft. Es hat daher das Erstgericht zutreffend erkannt, daß es sich bei der vom behandelnden Arzt getroffenen Wahl zwischen einer Behandlung des Erstklägers mit Strophantininjektionen oder einer Behandlung mit Digitalispräparaten um eine im Rahmen der ärztlichen Verantwortung liegende Entscheidung handelt, die nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes, da die getroffene Entscheidung nicht zur Anwendung einer Luxusmethode geführt hat, sondern zu der medizinisch anerkannten Verabreichung von Strophantin-Wochenendinjektionen, sowohl für den Patienten als auch für jene Personen, die die Kosten dieser Behandlung zu tragen haben, bindend ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der behandelnde Arzt ausdrücklich erklärt hat, daß die Verabreichung wöchentlicher Strophantininjektionen an den Erstkläger notwendig ist, weil sonst die Füße infolge Wassers anschwellen. Im übrigen wurde von den Beklagten nicht behauptet, daß etwa der Erstkläger darauf bestanden hätte, gerade mit Strophantin behandelt zu werden. Es geht vielmehr aus dem ganzen Sachverhalt hervor, daß er sich der Behandlung unterzogen hat, die vom Arzt angeordnet wurde. Mit Recht wird in der Revision darauf hingewiesen, daß ein Patient freiwillig eine Behandlung mit Injektionen so lange nicht auf sich nimmt, als er mit dem gleichen Erfolg beschwerdelos mit Pillen oder Tropfen behandelt werden kann.

Die Rechtsrüge der Revision erweist sich sohin als begrundet, weshalb in Abänderung des angefochtenen Urteiles dem Erstkläger unter Bedachtnahme auf den von ihm gestellten Revisionsantrag ein weiterer Betrag von 612 S für die Kosten der Behandlung mit Strophantin zuzusprechen war, so daß sich der ihm insgesamt zuerkannte Betrag von 663 S auf 1275 S erhöht und die Abweisung des Mehrbegehrens von 777.90 S auf 165.90 S verringert.

Anmerkung

Z38059

Schlagworte

Ärztekosten, Umfang der - bei Ausgedinge, Ausgedinge, Umfang der Ärztekosten bei -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1965:0060OB00098.65.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19650407_OGH0002_0060OB00098_6500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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