TE OGH 1965/12/22 1Ob212/65

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Veröffentlicht am 22.12.1965
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Norm

ABGB §365

Kopf

SZ 38/226

Spruch

Eine Ausdehnung des Grundsatzes der Unwirksamkeit ausländischer Konfiskationen auf im konfiszierenden Staate gelegene Sachen, die später, nach Besitzergreifung durch den konfiszierenden Staat, nach Österreich gelangt sind, erscheint im Hinblick auf die Territorialhoheit des konfiszierenden Staates zu weitgehend

Entscheidung vom 22. Dezember 1965, 1 Ob 212/65

I. Instanz: Bezirksgericht Urfahr-Umgebung; II. Instanz:

Landesgericht Linz

Text

Die Antragsteller sind Heimatvertriebene aus der CSSR. Sie behaupten, daß ihr Grundstück EZ. 118, KG. A., CSSR, entschädigungslos enteignet worden sei. Der Antragsgegner schlägere nunmehr in ihrem Walde zirka 500 fm Holz und führe dieses nach Österreich ein, wo er es verkaufe. Zur Sicherung ihres Anspruches auf Herausgabe dieses Holzes begehren sie die einstweilige Verfügung, ihrem Gegner zu verbieten, das auf dem Lagerplatz unweit der Grenze lagernde Holz im Ausmaß von 150 fm und das in seinem Sägewerk lagernde Fichtenholz aus dem Walde der gefährdeten Parteien im Ausmaß von 350 fm abzutransportieren, zu bearbeiten, zu verkaufen oder zu verpfänden.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab, weil es nicht als bescheinigt annahm, daß die Antragsteller noch Eigentümer des Holzes seien. Es sei vielmehr bescheinigt, daß Verkäufer und derzeitiger Eigentümer des Holzes das Außenhandelsunternehmen L. in Prag sei.

Der Rekurs der Antragsteller, worin nur mehr eine einstweilige Verfügung hinsichtlich einer Menge von 100 fm Fichtenholz begehrt wird, hatte Erfolg. Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens auf. Zur Begründung seines Beschlusses führte das Rekursgericht aus: Aus den Aussagen der Antragsteller sei zu schließen, daß die Enteignung ihrer Liegenschaft auf Grund des tschechoslowakischen Dekretes Nr. 108 vom 25. Oktober 1945 erfolgt sei. Die darin vorgesehene entschädigungslose Enteignung richte sich generell gegen die Angehörigen bestimmter Nationen, wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Nation oder wegen des Bekenntnisses zu einer bestimmten Muttersprache. Eine derartige entschädigungslose Enteignung verstoße aber gegen den ordre public. Da es sich bei Enteignung der Liegenschaft um einen Akt der tschechoslowakischen Staatshoheit gehandelt habe, der sich auf Sachen bezogen habe, die sich damals innerhalb der CSSR befunden haben, sei die Nichtanerkennung der Konfiskation auf solche Fälle zu beschränken, in denen österreichische Staatsangehörige betroffen gewesen seien. Es sei noch zu klären, ob die Antragsteller zur Zeit der Konfiskation österreichische Staatsbürger gewesen seien.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Parteien Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Rekursgericht nimmt die entschädigungslose Enteignung der Antragsteller im Zuge der bekannten Vertreibung der Deutschen aus der CSSR als bescheinigt an, glaubt aber, diese Maßnahme des fremden Staates dann nicht anerkennen zu können, wenn die früheren Eigentümer schon damals österreichische Staatsbürger gewesen seien. Der Oberste Gerichtshof hat wohl in ständiger Rechtsprechung die Unwirksamkeit einer ausländischen Konfiskation rücksichtlich des außerhalb des konfiszierenden Staates gelegenen Vermögens angenommen (vgl. hiezu Wahle in Klang[2] V 571 ff.). Eine Ausdehnung dieses Grundsatzes auf im konfiszierenden Staate gelegene Sachen, die später, nach Besitzergreifung durch den konfiszierenden Staat, ins Ausland gelangt sind, erscheint jedoch im Hinblick auf die Territorialhoheit des konfiszierenden Staates zu weitgehend (vgl. auch Klang in Klang[2] II 203). Wohl gewährt die entschädigungslose Enteignung den Antragstellern einen Anspruch nach dem Völkerrecht auf Entschädigung ihres konfiszierten Eigentums. Diesbezüglich sind auf diplomatischem Wege bekanntlich auch Verhandlungen im Gange. Davon abgesehen sprechen auch wirtschaftliche Überlegungen, insbesondere die Störung des Handelsverkehrs dagegen, das Eigentumsrecht der Antragsteller an den nach der Konfiskation ausgeführten Sachen anzuerkennen. (Vgl. hiezu Seidl - Hohenveldern, Internationales Konfiskations- und Enteignungsrecht, insbesondere S. 35 ff., 47 ff.).

Die beantragte einstweilige Verfügung konnte daher sofort abgewiesen werden.

Anmerkung

Z38226

Schlagworte

Enteignung, entschädigungslose durch ausländischen Staat, Unwirksamkeit, in Österreich, Konfiskation durch ausländischen Staat, Unwirksamkeit in Österreich, Territorialhoheit, Konfiskation durch ausländischen Staat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1965:0010OB00212.65.1222.000

Dokumentnummer

JJT_19651222_OGH0002_0010OB00212_6500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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