TE OGH 1966/1/18 8Ob344/65

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Veröffentlicht am 18.01.1966
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lenk als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachout, Dr. Bauer, Dr. Rothe und Dr. Hager als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma O***** & Co, Früchte-Import, *****, vertreten durch Dr. Ludwig Franz Tlapek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Österreichischer Gewerkschaftsbund, Wien 1., Hohenstaufengasse 10-12, vertreten durch Dr. Robert Amhof, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 472.237,80 samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21. September 1965, GZ 5 R 202/65-76, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26. Mai 1965, GZ 39 Cg 176/61-70, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.460,42 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Hinsichtlich des Sachverhaltes wird auf die in dieser Sache ergangenen Beschlüsse des Obersten Gerichtshofes vom 14. 5. 1963, 8 Ob 75/63 (ON 46) und vom 10. 3. 1964, 8 Ob 68/64 (ON 56) hingewiesen. Das Erstgericht hat nunmehr nach Ergänzung des Verfahrens neuerlich den geltend gemachten Schadenersatzanspruch dem Grunde nach als zu Recht bestehend erkannt. Es kam hinsichtlich des Telefongespräches, das am 22. 6. 1961 von einem der Streikposten mit einer Dienststelle des beklagten Gewerkschaftsbundes geführt wurde, zum Ergebnis, daß zwar der Mann, mit dem der Streikposten gesprochen habe, die Unterbindung des Ausladens der Bananen durch die Streikenden gebilligt habe, daß aber nicht erweislich sei, daß es sich bei diesem Mann um ein zeichnungsberechtigtes Organ des beklagten Gewerkschaftsbundes gehandelt habe. Es bestehe die - wenn auch äußerst schwache - Möglichkeit, daß die betreffenden Äußerungen nicht von dem zeichnungsberechtigten Fachsekretär K***** stammten, sondern von einem gewissen F*****, einem nicht vertretungsbefugten Angestellten des beklagten Gewerkschaftsbundes. Im Hinblick auf die vom Obersten Gerichtshof im Aufhebungsbeschluß vom 14. 5. 1963, 8 Ob 75/63, ausgesprochene Ansicht, daß zur Begründung der Haftung des beklagten Gewerkschaftsbundes für deliktisches Verhalten eines seiner Angehörigen nicht schon die Setzung eines äußeren Tatbestandes hinreiche, der auf eine Vertretungsbefugnis hindeuten könnte, sondern daß das deliktische Verhalten von einem tatsächlich vertretungsbefugten Organ stammen müsse, kam das Erstgericht zum Ergebnis, daß auf dieses Telefongespräch vom 22. 6. 1961 eine Haftung des beklagten Gewerkschaftsbundes nicht gegründet werden könne. Hinsichtlich des Telefongespräches, das am 23. 6. 1961 zwischen M*****, einem Angestellten der Klägerin, und Leopold B*****, dem für den beklagten Gewerkschaftsbund zeichnungsberechtigten 1. Sekretär, geführt wurde, kam das Erstgericht zum Ergebnis, es sei nicht erweislich, daß die Streikposten von diesem Gespräch überhaupt erfahren hätten. Das Erstgericht war aber der Ansicht, B***** habe selbst durch drohende Äußerungen dem Angestellten M***** gegenüber bewirkt, daß sich die arbeitswilligen Angestellten der Klägerin vom Ausladen der Bananen hätten abhalten lassen. Es stellte den Inhalt dieses Telefongespräches im wesentlichen wie folgt fest: M***** habe den 1. Sekretär B***** gefragt, ob die Bananen nicht wenigstens von den arbeitswilligen Angestellten der Klägerin in die Kühlräume geschafft werden könnten. B***** habe erwidert, er habe keine Möglichkeit, den Angestellten der Klägerin etwa zu verbieten oder anzuschaffen, die Gewerkschaft könne aber selbstverständlich nichts dagegen unternehmen, wenn die Angestellten der Klägerin von den Streikenden schief angesehen würden. Er wisse aus Erfahrung, daß es bei solchen Gelegenheiten öfter zu Zwischenfällen komme. "Jedoch" - habe er sich wörtlich ausgedrückt - "Sie sind ja glücklich, Sie haben ein Spital in der Nähe". M***** habe nun B***** gebeten, doch auf die Streikenden dahin einzuwirken, daß die Arbeiten ausgeführt werden könnten. B***** habe wörtlich erwidert, "ich bedaure, ich habe die Leute nicht in der Hand". Auf die Bemerkung M*****, die Äußerung mit dem Spital stelle eine massive Drohung dar, habe B***** nur erwidert, "wenn Sie meinen". Das Erstgericht maß dieser das Telefongespräch beendenden Bemerkung B*****´s eine wesentliche Bedeutung bei. Diese Wendung habe nach dem Sprachgebrauch eine Bestätigung der Auffassung M***** bedeutet, wozu komme, daß M***** im Hinblick auf den unverhohlenen Hohn, der in der Bemerkung B*****´s über das in der Nähe befindliche Spital zum Ausdruck gekommen sei, zur Überzeugung habe kommen müssen, B***** sei gegen die Klägerin feindselig eingestellt. Unter diesen Umständen gewönnen die gegenständlichen Äußerungen B*****´s den über eine gutgemeinte Warnung hinausgehenden Charakter einer Drohung mit körperlichen Verletzungen der arbeitswilligen Angestellten der Klägerin. Das Erstgericht stellte hiezu noch fest, M***** habe die Äußerung B*****´s den Angestellten der Klägerin wörtlich mitgeteilt, womit B***** habe rechnen müssen. Die Angestellten der Klägerin hätten diese Äußerungen als Drohung aufgefaßt und sich gefürchtet. Sie hätten infolgedessen die Verwirklichung ihrer Absicht, die Bananen auszuladen und so vor dem Verderben zu bewahren, aufgegeben. Das Erstgericht war der Ansicht, B***** habe damit als vertretungsbefugtes Organ des beklagten Gewerkschaftsbundes zwar nicht durch Verleiten, jedoch durch Helfen zu der gegen § 3 des Koalitionsgesetzes verstoßenden und damit widerrechtlichen Schadenszufügung beigetragen. Damit sei gemäß § 1301 ABGB die Mitverantwortlichkeit des beklagten Gewerkschaftsbundes begründet.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des beklagten Gewerkschaftsbundes Folge. Es änderte das Urteil der I. Instanz dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es teilte nicht die Ansicht des Erstgerichtes, durch die oben angeführte, das Telefongespräch vom 23. 6. 1961 beendende Bemerkung des 1. Sekretär B*****, "wenn Sie meinen", hätten die schon im ersten Rechtsgang festgestellten Äußerungen des 1. Sekretärs B*****, insbesondere der Hinweis auf das in der Nähe befindliche Spital, den Charakter einer Drohung erhalten. Zudem fehle es an einem Kausalzusammenhang zwischen den Äußerungen des 1. Sekretärs B***** am Telefon und dem vorm Streikkommando auf die arbeitswilligen Angestellten der Klägerin ausgeübten Druck, weil feststehe, daß die Streikenden von diesem Telefongespräch vom 23. 6. 1961 nichts erfahren hätten. Für die Annahme, daß der 1. Sekretär B***** selbst das Ausladen der Bananen habe verbieten und ein solches von ihm selbst beabsichtigtes Verbot mittels Drohungen habe durchsetzen wollen, biete das Beweisverfahren keinen Anhaltspunkt. Das Urteil des Berufungsgerichtes bekämpft die Klägerin aus den Revisionsgründen des § 503 Z 2 bis 4 ZPO. Sie stellt den Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde, oder das angefochtene Urteil aufzuheben, und die Sache an eine der Vorinstanzen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Der beklagte Gewerkschaftsbund beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Als Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit wird geltend gemacht, daß das Berufungsgericht entgegen der Beweiswürdigung des Erstgerichtes angenommen habe, eine Verbindung zwischen dem beklagten Gewerkschaftsbund und den Streikposten sei nicht festgestellt. Diese Annahme des Berufungsgerichtes sei mit den erstgerichtlichen Feststellungen insbesondere mit der Feststellung nicht vereinbar, daß der "Sprecher" des beklagten Gewerkschaftsbundes bei dem Telefongespräch vom 22. 6. 1961 die Unterbindung des Ausladens der Bananen durch die Streikenden diesen gegenüber gebilligt habe. Von aktenwidrigen Annahmen ist aber das Berufungsgericht nicht ausgegangen. Das Berufungsgericht wollte mit seinen Ausführungen lediglich zum Ausdruck bringen, daß eine Verbindung, also ein Einverständnis, zwischen dem - durch seine vertretungsbefugten Organe vertretenen - Gewerkschaftsbund und den Streikposten, die das Ausladen der Bananen verhindern wollten, nicht erwiesen sei. Eine Aktenwidrigkeit dieser Annahme des Berufungsgerichtes kann nicht mit dem Hinweis auf das Telefongespräch vom 22. 6. 1961 dargetan werden, das zwischen einem der Streikposten und seinem Sprechpartner im Gewerkschaftsbundlokal geführt wurde.

Der Vorwurf, das Berufungsgericht habe es unterlassen, sich mit den im dritten Rechtsgang vom Erstgericht vorgenommenen Feststellungen auseinanderzusetzen, sondern habe diese Feststellungen mit Stillschweigen übergangen, ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zugrundegelegt. Es hat sie lediglich rechtlich anders beurteilt wie das Erstgericht.

Aktenwidrig soll weiters die Annahme des Berufungsgerichtes sein, das Beweisverfahren habe keinen Anhaltspunkt für die Annahme geliefert, daß der 1. Sekretär B***** selbst das Ausladen der Bananen habe verbieten und ein solches Verbot mittels Drohungen habe durchsetzen wollen. Das Berufungsgericht habe hiebei die Zeugenaussage des 1. Sekretärs B***** unvollständig und aktenwidrig wiedergegeben. Auch dieser Vorwurf ist nicht begründet. Das Berufungsgericht ist bei der Darstellung des Sachverhaltes nicht von einem nicht den Tatsachen entsprechenden Inhalt der Zeugenaussage des 1. Sekretärs B***** und der auf diese Aussage gegründeten erstgerichtlichen Feststellungen ausgegangen. Es hat lediglich die Meinung des Erstgerichtes nicht geteilt, die Äußerungen des 1. Sekretärs B***** hätten durch die oben angeführte Wendung, "wenn Sie meinen", den Charakter einer Drohung erhalten. Dabei handelt es sich, wie noch auszuführen sein wird, im wesentlichen um eine Frage der rechtlichen Beurteilung und nicht um einen Akt der Beweiswürdigung oder der Tatsachenfeststellung. Von einer Aktenwidrikeit kann schon aus diesem Grunde nicht gesprochen werden.

Was die Frage anlangt, ob der beklagte Gewerkschaftsbund als ein zum Erfolg Beitragender gemäß § 1301 ABGB in Anspruch genommen werden kann, so hat der Oberste Gerichtshof bereits im Aufhebungsbeschluß vom 14. 5. 1963, 8 Ob 75/63, zum Ausdruck gebracht, daß eine Verpflichtung des beklagten Gewerkschaftsbundes, vorbeugend Vorkehrungen zu treffen, um bei dem ausgebrochenen Streik allfällige Übergriffe von Streikenden zu verhindern oder die dann bei der gegenständlichen Bananenausladung tatsächlich vorgekommenen Übergriffe von Streikenden zu unterdrücken, nicht bejaht werden kann. Die etwa bei Bydlinski in der Österreichischen Zeitschrift für öffentliches Recht Band IX (Neue Folge), S 548, dargestellten Rechtsansicht, kann, soweit sie im Gegenstandsfall dazu führen würde, daß der Beklagte seine Machtlosigkeit gegen einen Teil der Streikenden und allenfalls seine fehlgeschlagenen Bemühungen, die Streikposten von ihrem unerlaubten Vorgehen abzubringen, dartun müßte, als zu weitgehend nicht beigetreten werden.

Im Vordergrund steht die Frage, ob in dem Verhalten des B*****, insbesondere in dessen Äußerungen bei dem Telefongespräch vom 23. 6. 1961, ungeachtet des Eingeständnisses, die Leute nicht in der Hand zu haben, eine Drohung oder Einschüchterung oder Beihilfe zu den bei der gegenständlichen Bananenausladung vorgekommenen Übergriffen von Streikposten und der darin liegenden Drohung oder Einschüchterung zu erblicken ist. Der Meinung der Klägerin, bei der Annahme des Erstgerichtes, B***** habe selbst durch drohende Äußerungen dem Angestellten M***** gegenüber bewirkt, daß sich die arbeitswilligen Angestellten der Klägerin vom Ausladen der Bananen hätten abhalten lassen, handle es sich um eine Tatsachenfeststellung, kann insoweit, als es darum geht, ob die Äußerungen B*****´s eine Drohung oder eine Einschüchterung oder eine Beihilfe zu diesen Delikten darstellten, nicht beigepflichtet werden. Das Wesen einer Drohung besteht in der Inaussichtstellung von Übeln, deren Eintritt von dem Willen des Drohenden abhängig ist. Im vorliegenden Falle könnte eine Drohung oder eine Einschüchterung oder die Beihilfe zu einem solchen Delikt nur angenommen werden, wenn den Worten des B***** der Sinn unterlegt werden müßte, daß es in seiner Macht stünde, die Übergriffe der Streikposten zu unterdrücken, zumindest aber, daß er diese Übergriffe selber billige und deren Erfolg begünstigen wolle. Gerade diesen Sinn seiner Äußerungen hat aber B*****, der nicht etwa von sich aus an die Klägerin herangetreten ist, sondern von der Klägerin um Intervention angegangen worden ist, dadurch ausdrücklich ausgeschlossen, daß er die nach dem unpassenden Hinweis auf das in der Nähe befindliche Spital wiederholte Bitte um Intervention mit der bedauernden Bemerkung abschlug, er habe die Leute nicht in der Hand. Wenn B***** den auf diese Erklärung seiner Passivität nicht recht passenden Vorwurf einer Drohung seitens M***** mit der Bemerkung "wenn Sie meinen", beantwortete und das Telefongespräch damit abschloß, so kann auch dieser zur Abschließung eines unerwünscht verlaufenden Gespräches üblichen Wendung nicht die vom Erstgericht gegebene Bedeutung zuerkannt werden. Unter diesen Umständen können die Äußerungen B*****´s, insbesondere der Hinweis auf das in der Nähe befindliche Spital, nur als eine wenn auch in eine unpassende Form gekleidete Warnung vor allenfalls zu befürchtenden Übergriffen der Streikenden gewertet werden. Ob die Äußerungen B*****´s auch richtig in diesem Sinn von den Leuten der Klägerin verstanden wurden, ist nicht entscheidend. Die für das Vertragsrecht geltenden Bestimmungen der §§ 869, 915 ABGB kommen hier entgegen der Meinung der Klägerin nicht zur Anwendung, weil es hier nur darum geht, ob der beklagte Gewerkschaftsbund für ein von einem Vertrag unabhängiges deliktisches Verhalten seiner Organe haftet. Auf eine Warnung kann aber mangels Rechtswidrigkeit eine Haftung des beklagten Gewerkschaftsbundes für die Folgen der Übergriffe der Streikposten nicht gegründet werden, woran auch der Umstand nichts zu ändern vermag, daß es die Angestellten der Klägerin, nachdem sie von dem Fehlschlagen der Bemühungen um eine Intervention B*****´s und von dem Wortlaut der Äußerungen B*****´s Kenntnis erlangten, endgültig unterließen, die Bananen auszuladen, wodurch die Bananen dem Verderb preisgegeben wurden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E77675 8Ob344.65

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1966:0080OB00344.65.0118.000

Dokumentnummer

JJT_19660118_OGH0002_0080OB00344_6500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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