TE OGH 1966/2/2 7Ob19/66

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Veröffentlicht am 02.02.1966
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Norm

Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §2 (2) litb
Versicherungsvertragsgesetz §6 (1)

Kopf

SZ 39/22

Spruch

Der Versicherer ist nicht leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer oder Halter des Kraftfahrzeuges dieses einer Person, die keinen Führerschein besitzt, zur Lenkung anvertraut hat, der Fahrer aber dann eine Schwarzfahrt unternimmt und sich auf dieser der Unfall ereignet

Entscheidung vom 2. Februar 1966, 7 Ob 19/66

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz

Text

Der Kläger war Halter eines PKW-s Marke Jaquar, hinsichtlich dessen zwischen ihm und der Beklagten eine Vollkaskoversicherung bestand. Am 19. Juli 1962 fuhr der im Dienst des Klägers stehende Georg H. mit diesem Wagen und verursachte dabei einen Unfall. Dies hatte zur Folge, daß der Wagen vollkommen zerstört wurde. H. besaß damals noch keinen Führerschein.

H. erhielt erst einige Wochen nach dem erwähnten Unfall einen Führerschein. Als die "D."-Gesellschaft im Sommer 1961 in Salzburg den "Jedermann"-Film drehte, war H. mit ihr vertraglich verbunden und mußte im Zuge seiner Tätigkeit immer wieder mit Kraftfahrzeugen der Filmgesellschaft fahren. Der Kläger war bei diesem Film als Regisseur tätig. Produzent war Otto D. Dieser beschaffte sich hintereinander zwei Mietwagen, wovon er den ersten dem Kläger mit H. als Fahrer zur Verfügung stellte. Letzterer mußte deshalb mit dem Verleiher des Wagens namens N. eine Probefahrt machen. Nach einer Woche wurde der Mercedes zurückgestellt. Der Kläger erhielt von der Filmgesellschaft einen anderen, ebenfalls gemieteten Wagen zur ständigen Benützung, und zwar wieder mit H. als Fahrer. Dieser fuhr 2 - 3 Wochen täglich mit dem Kläger, manchmal sogar mehrmals im Tag. Es ist in der Filmbranche selbstverständlich, daß jeder Mitarbeiter bis zum Unbedeutensten ein Kraftfahrzeug zu fahren berechtigt ist, sodaß üblicherweise niemand nach einem Führerschein fragt.

Im Jahre 1962 stellte der Kläger H. für alle möglichen Arbeiten, die sich beim Film ergeben, und insbesondere zum Lenken von Kraftwagen an. Dabei lieh sich manchmal H. den Wagen für persönliche Zwecke aus, wobei er aber stets fragte, ob er ihn für eine bestimmte Zeit haben dürfe. Er fuhr dann auch noch gelegentlich für die "D."- Filmgesellschaft.

Am Abend des Tages, an dem sich der Unfall ereignete, brachte H. den Kläger mit dem Wagen "Jaquar" zur Bahn. Dann fuhr er wieder in das H.-Schlössel, wo er beim Kläger wohnte und verköstigt wurde. Die Gattin des Klägers erklärte ihm, nichts für das Abendessen zu haben, und bat ihn, zu diesem Zweck in die Stadt zu fahren. Vom H.-Schlößei führt keine Autobusverbindung in die Stadt, sodaß H. mit keinem anderen Verkehrsmittel als mit dem Wagen des Klägers dorthin fahren konnte. Er begab sich sodann mit dem Wagen zu seiner Schwester in der S.-Gasse und nahm dort das Abendessen ein. Nach Mitternacht brachte er seine Kusine, die sich ebenfalls dort befunden hattet, mit dem Wagen in die G.-Gasse nach Hause und fuhr dann wieder in die Richtung zum H.-Schlössel um heimzukehren. Der Umweg, den er dabei machte, betrug kaum 2 km. Auf dieser Fahrt ereignete sich der Unfall.

Der Erstrichter stellte den Wert des Wagens abzüglich den des Wracks mit 26.525 S fest, sprach dem Kläger den Betrag von 26.525 S samt 4% Zinsen seit 20. April 1963 zu und wies das Mehrbegehren ab. Ferner erklärte er die Gegenforderung von 268.50 S als nicht zu Recht bestehend.

Er kam zu dem Ergebnis, daß für die Rechtssache ausländisches Recht, nämlich deutsches Recht, anzuwenden sei, weil der Vertrag in Deutschland geschlossen wurde. Es sei daher die Bestimmung des § 2 Z. 2 lit. c der deutschen AKB. anzuwenden, die allerdings den entsprechenden österreichischen Bestimmungen für diesen Fall im wesentlichen gleich ist. Der Kläger habe im Hinblick auf die geschilderten Umstände voraussetzen können, daß H. die vorgeschriebene Fahrerlaubnis besitze. Er sei daher als schuldlos zu bezeichnen.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und vertrat die Ansicht, daß es Sache des Klägers gewesen wäre, sich von H. den Führerschein zeigen zu lassen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Kläger Folge und hob die Urteile der Untergerichte auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Mit Unrecht bekämpft allerdings der Kläger die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß er nicht entschuldbarerweise annehmen durfte, H. hätte die vorgeschriebene Fahrerlaubnis besessen. Die Beweislast trifft in dieser Hinsicht den Versicherungsnehmer, auch sind an den Beweis strenge Anforderungen zu stellen (Stiefel - Wussow[5], Anm. 44 zu § 2 AKB.). Der Kläger meint, deshalb, weil verschiedene andere Besitzer von Kraftwagen H. das Fahren gestattet haben, hätte er keinen Grund gehabt, daran zu zweifeln, daß dieser einen Führerschein besitze. Da es immer wieder Leute gibt, die oft i durch längere Zeit führerscheinlos fahren, ist es im allgemeine Sache eines jeden, der einem anderen die Lenkung eines Kraftwagens anvertraut, insbesondere ihn hiezu anstellt, sich in dieser Hinsicht zu informieren, was in der Regel nur durch das Verlangen nach Vorweisung des Führerscheins erreicht werden kann. Es mag dem Kläger zugegeben werden, daß dies nicht unter allen Umständen notwendig ist. Wer z. B. weiß, daß ein anderer als Postkraftwagenfahrer tätig ist, kann ohneweiters annehmen, daß dieser auch den Führerschein besitzt, weil die Dienststelle sonst keineswegs das Fahren gestatten würde. Gerade deshalb, weil es, wie festgestellt, in der Filmbranche nicht üblich ist, nach diesen Umständen zu fragen, kann es umso leichter vorkommen, daß von Leuten dieses Berufszweiges einer Person das Lenken von Kraftwagen gestattet wird, obwohl diese nicht dazu befugt ist. Der Kläger kann nicht einmal behaupten, H. danach gefragt zu haben, ob er einen Führerschein besitzt, obwohl dies die mindeste Sorgfalt ist, die von dem Halter eines Kraftwagens verlangt werden kann (EvBl. 1956 Nr. 353).

Zutreffend bekämpft jedoch der Kläger den Rechtsstandpunkt der zweiten Instanz, es stehe fest, daß H. nicht als unberechtigter Fahrer anzusehen sei. Er hat allerdings auf der Rückfahrt nur einen Umweg von kaum 2 km gemacht. Ein solcher allein würde, wenn man davon ausginge, daß die Entfernung des Zieles vom H.-Schlössel, wie H. als Zeuge angibt, nur 3 km - also hin und zurück 6 km - beträgt, keine so bedeutende Rolle spielen, um ihn als unberechtigten Fahrer erscheinen zu lassen. Es muß jedoch der Inhalt der Bewilligung der Fahrt ins Auge gefaßt werden. Der Kläger bestreitet nicht die Befugnis seiner Gattin, H. die Benützung des Wagens zu gestatten. Sie hat ihm aber nur erlaubt, zum Essen in die Stadt zu fahren. Dies schließt naturgemäß die Gestattung der Rückfahrt in angemessener Frist in sich, nicht aber ohneweiters, bis Mitternacht auszubleiben, dann noch eine dritte Person nach Hause zu bringen und dabei einen Umweg zu machen. Denn ein solches Verhalten schließt die Gefahr in sich, daß inzwischen Alkohol genossen oder daß der Fahrer schläfrig und damit die Fahrtüchtigkeit herabgesetzt wird. Die bisherigen Feststellungen lassen daher keineswegs den Schluß zu, daß H. zu der Fahrt, wie er sie vorgenommen hat, nämlich nach Zeit und Weg, die Erlaubnis eingeräumt wurde. Vielmehr wäre zu untersuchen, ob der Kläger, wenn er einmal H. gestattete, den Wagen für eigene Zwecke zu benützen, ihm hinsichtlich Zeit und Weg alles überließ und dieser daher auch annehmen durfte, daß er den Wagen auch in anderer Weise, als vorausgesehen war, nämlich so, wie er es tat, benützen dürfe.

Es ist aber noch die Frage zu erörtern, ob der Versicherungsnehmer, der einem anderen die Benützung eines Wagens gestattet, obwohl er weiß oder wissen mußte, daß dieser keinen Führerschein hat, sich darauf berufen kann, der Lenker habe eine Fahrt unternommen, die ihm nicht erlaubt war. Diese Frage, die vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht entschieden wurde, ist in der deutschen Lehre strittig. Böhme (VersR. 1957 S. 141) und Pienietz[2] (S 97) vertreten die Ansicht, die in § 2 Z. 2. lit. c der neuen deutschen und lit. b der alten AKB. enthaltene Bestimmung, daß die Verpflichtung des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer oder Halter bestehen bleibt, wenn ein unberechtigter Fahrer das Fahrzeug gelenkt habe, setze voraus, daß sie schon vorher bestanden habe, was nicht zutreffe, wenn der Versicherer schon vor Antritt der Schwarzfahrt leistungsfrei war. Demgegenüber ist aber zu bemerken, daß das Wort "Verpflichtung zur Leistung" das Sollen einer bestimmten Leistung und nicht ein Dauerschuldverhältnis, nämlich das Bestehen einer Deckung für etwaige Schäden, bedeutet. Mit Recht bemerkt Stiefel - Wussow[5], Anm. 42 zu § 2 AKB., daß die genannte Auffassung dem Wortlaut des § 2 AKB. widerspricht. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat daher diese Meinung abgelehnt (BGHZ. 35, 39, NJW. 1964 S. 1371). Wenn es sich auch bei diesen Entscheidungen um Haftpflichtversicherungsfälle handelt, so bezieht sich § 2 AKB. doch auch auf die Fahrzeugversicherung, weil es sich dabei um allgemeine Bestimmungen handelt. Der Versicherer kann seine Leistungsfreiheit gegenüber dem Versicherungsnehmer nur auf diese Bestimmung stützen.

Es besteht im vorliegenden Fall eine Vollkaskoversicherung, also für jeden Unfall und nicht etwa bloß für einen Schaden wegen unbefugten Gebrauches. Der Versicherungsnehmer hat daher auch Anspruch auf Ersatz des Schadens, der bei einer Schwarzfahrt einer nicht betriebsfremden Person entstanden ist (s. Stiefel - Wussow Anm. 42 zu § 2 AKB.).

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die getroffenen Feststellungen ergänzungsbedürftig sind.

Anmerkung

Z39022

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1966:0070OB00019.66.0202.000

Dokumentnummer

JJT_19660202_OGH0002_0070OB00019_6600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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