TE OGH 1966/2/8 4Ob2/66

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Veröffentlicht am 08.02.1966
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Norm

ABGB §896
ABGB §1157
ABGB §1302
Kraftfahrgesetz 1955 §53
Kraftfahrverordnung 1955 §24

Kopf

SZ 39/25

Spruch

Der Regreßanspruch des solidarisch zum Schadenersatz Verpflichteten, der den Schaden ersetzt hat, gegen seine Mitverpflichteten (§ 1302 letzter Halbsatz ABGB.), richtet sich gemäß § 896 ABGB. nach dem zwischen ihnen intern bestehenden Rechtsverhältnis (hier Arbeitsrechtsverhältnis)

Auf Grund der Fürsorgepflicht kann der Dienstgeber beim Vorliegen besonderer gefahrerhöhender Umstände (Benzintransport in Tankwagen) zum Eingehen einer erhöhten Haftpflichtversicherung für sein Kraftfahrzeug verpflichtet sein

Entscheidung vom 8. Februar 1966, 4 Ob 2/66

I. Instanz: Arbeitsgericht Krems; II. Instanz: Kreisgericht Krems

Text

Am 29. August 1960 hat im Zuge der Bundesstraße 121 auf der U.- Brücke ein Verkehrsunfall stattgefunden, bei dem der dem Kläger gehörige und vom Beklagten gelenkte Tankwagenzug von der Brücke in den Fluß fiel, Feuer fing und ausbrannte. Das Feuer beschädigte die Brücke und ein unter der Brücke durchführendes Bezirkstelefonkabel. Dem vom Beklagten gelenkten Tankwagenzug kam ein dem Fritz H. gehöriger, von Leopold E. gelenkter LKW entgegen. Eine Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen hat nicht stattgefunden. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde der Beklagte wegen der Übertretung nach § 318 StG. rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 14 Tagen Arrest verurteilt. Leopold E. wurde von dem wider ihn erhobenen Strafantrag, er habe die Übertretung nach den §§ 431 und 318 StG. begangen, freigesprochen. Nach rechtskräftiger Beendigung des Strafverfahrens gegen den Beklagten wurde von den beiden Versicherungsträgern, bei denen für den Betrieb der erwähnten beiden Kraftfahrzeuge Haftpflichtversicherungen bestanden, je 60.000 S bei Gericht (§ 1425 ABGB.) erlegt. - In einem am 26. Jänner 1962 beim Kreisgericht St. Pölten anhängig gemachten Rechtsstreit klagte die Republik Österreich (Post- und Telegraphenverwaltung sowie Bundesstraßenverwaltung) die beiden Kraftfahrzeuglenker und die beiden Kraftfahrzeughalter aus dem Titel des Schadenersatzes für die Wiederherstellung der Brücke und des Telefonkabels auf Bezahlung von schließlich 178.226.03 S samt Nebengebühren. In diesem Rechtsstreit wurde mit Zwischenurteil vom 30. Juli 1962 erkannt, daß der eingeklagte Anspruch gegenüber sämtlichen vier Beklagten zur ungeteilten Hand dem Gründe nach zu Recht bestehe, weil beide Lenker ein Verschulden treffe. Dieses Urteil wurde von den jetzigen Prozeßparteien unbekämpft gelassen. Die Erschöpfung des Instanzenzuges durch Fritz H. und Leopold E. blieb erfolglos. Der erwähnte Prozeß wurde schließlich am 10. Juli 1964 durch einen Vergleich beendet, in welchem sich die damaligen vier Beklagten zur ungeteilten Hand verpflichteten, der klagenden Partei zuhanden der Finanzprokuratur einen Betrag von 180.000 S und einen Kostenbeitrag von 30.000 S bis längstens 10. Oktober 1964 zu bezahlen. Unter einem gab die klagende Partei die Zustimmung, die Erlagsbeträge je 60.000 S, zusammen 120.000 S, zur teilweisen Abstattung des Vergleichsbetrages zu verwenden. Nach Abschluß des Vergleiches wurden die Erlagsbeträge von zusammen 120.000 S an die Finanzprokuratur überwiesen. Damit verringerten sich die aus dem Vergleich geschuldeten Beträge auf insgesamt 90.000 S. Da sich die Kraftfahrer (Beklagter und E.) außerstande erklärten, Beträge zur rechtzeitigen gänzlichen Erfüllung des Vergleiches aufzubringen und die Finanzprokuratur für den Fall nicht fristgerechter vollständiger Vergleichserfüllung Exekutionsführung gegen die Fahrzeughalter in Aussicht stellte, bezahlte jeder der beiden Fahrzeughalter 45.000 S und erfüllte so fristgerecht den Vergleich.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger vom Beklagten den Ersatz der vom Kläger bezahlten 45.000 S. Der Beklagte sei im Innenverhältnis dem Kläger zum vollen Ersatz verpflichtet, weil den Kläger am Unfall vom 29. August 1960 kein Verschulden treffe und er nur im Außenverhältnis dem Dritten gegenüber mitgehaftet habe. Der Kläger habe Bankkredit in Anspruch nehmen und mit 10% verzinsen müssen. Er begehre daher mit Rücksicht auf die Fälligkeit der Vergleichssumme (10. Oktober 1964) aus dem Titel des Schadenersatzes vom Klagsbetrag 10% Zinsen ab 11. Oktober 1964. Der Beklagte wendete ein, der Kläger sei - da es sich um den Transport leicht brennbarer Stoffe gehandelt habe - verpflichtet gewesen, über die gesetzliche Haftpflichtversicherung hinaus eine höhere, zusätzliche Versicherung abzuschließen. Diese Unterlassung sei dem Kläger als Verschulden anzulasten. Der Kläger habe ferner den Vorprozeß zu Unrecht derart in die Länge gezogen, daß Kosten von 30.000 S entstanden seien, weshalb sie der Kläger zur Gänze tragen müsse.

Mit dem Ersturteil wurde dem Klagebegehren stattgegeben. Ein Mitverschulden des Beklagten an dem Schaden stehe fest. Er sei daher zum Ersatz zum Teil verantwortlich. Eine über die gesetzliche Haftpflichtversicherung hinausgehende Zusatzversicherung abzuschließen, sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen. Von einer ungebührlichen, vom Kläger verursachten Verzögerung des früheren Rechtsstreites könne nach der Aktenlage nicht die Rede sein. Das Klagebegehren sei daher nach §§ 1302, 896 ABGB. gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung des Beklagten das Ersturteil. Es hielt die Einwendungen des Beklagten im wesentlichen aus denselben Erwägungen wie das Erstgericht für unstichhältig. Gemäß § 896 ABGB. sei ein Mitschuldner zur ungeteilten Hand berechtigt, von den übrigen Mitschuldnern Ersatz zu fordern, wenn er die ganze Schuld aus dem Seinigen abgetragen habe. Wenn kein besonderes Verhältnis zwischen den Mitschuldnern bestehe, könne er den Ersatz zu gleichen Teilen (nach Köpfen) fordern. Im vorliegenden Rechtsstreit sei ein besonderes Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen zu bejahen. Der Kläger sei im Prozesse vor dem Kreisgericht St. Pölten nur als Kraftfahrzeughalter nach dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz in Anspruch genommen worden, während den Beklagten ein - sogar strafgerichtlich festgestelltes - Verschulden an dem Unfall treffe. Dieses besondere Rechtsverhältnis liege auch hinsichtlich der Prozeßkosten des früheren Rechtsstreites vor. Der Beklagte sei daher verpflichtet, dem Kläger die ganzen von ihm bezahlten 45.000 S zu ersetzen. Der Oberste Gerichtshof änderte die Urteile der Untergerichte dahin ab, daß der Beklagte zur Zahlung von 22.500 S samt Anhang verurteilt und das Mehrbegehren von 22.500 S samt Anhang abgewiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Vorauszuschicken ist, daß auf den vorliegenden Schadensfall, da er vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 31. März 1965, BGBl. Nr. 80 (Dienstnehmerhaftpflichtgesetz), eingetreten ist, die Vorschriften dieses Gesetzes nicht anzuwenden sind (Art II (1)).

Im Rechtsstreit vor dem Kreisgericht St. Pölten ist die Solidarhaftung der damaligen vier Beklagten (unter denen sich die beiden Prozeßparteien des vorliegenden Rechtsstreites befanden) aus der Schadenszufügung vom 29. August 1960 dem Gründe nach rechtskräftig bejaht worden. Die von dem damaligen Beklagten schließlich im Vergleiche vom 10. Juli 1964 eingegangenen Verpflichtungen zur Zahlung eines Schadenersatzbetrages von 180.000 S und eines Kostenbetrages von 30.000 S wurden als Gesamtschuld übernommen. Das Gesamtschuldverhältnis umfaßt demnach auch den Kostenbetrag von 30.000 S. Gemäß § 1302 letzter Halbsatz ABGB. bleibt von den einem Dritten aus einer Schadenszufügung solidarisch Haftenden demjenigen, der den Schaden ersetzt hat, der Rückersatz gegen die übrigen vorbehalten. Bezüglich der Höhe des Regreßanspruches enthält § 1302 ABGB. keine Bestimmung. Es ist daher die allgemeine Bestimmung des § 896 ABGB. anzuwenden. Danach besteht gegenüber dem Mitschädiger der Anspruch auf Ersatz eines Anteiles. Diese Rechtsbeziehung der Streitteile bestimmt sich nach dem zwischen ihnen intern bestehenden "besonderen Verhältnis" (§ 896 erster Satz ABGB.), das ist im vorliegenden Fall das Arbeitsverhältnis.

Den Anspruch auf vollen Rückersatz leitet der Kläger daraus ab, daß ihn persönlich am Unfall vom 29. August 1960 überhaupt kein Verschulden getroffen und daß der Beklagte ihm durch seine unvorsichtige, schuldhafte Fahrweise im Dienst Schaden durch das Entstehen von Ersatzansprüchen verursacht habe. Dem Anspruch des Klägers hat der Beklagte entgegengesetzt, er sei überhaupt nicht rückersatzpflichtig, weil es der Kläger trotz des ihm bekannten Gefahrenrisikos bei Benzintransporten unterlassen habe, über die gesetzliche Haftpflichtversicherung hinaus eine angemessen erhöhte Zusatzversicherung abzuschließen, in welchem Falle der entstandene Schaden in einem höheren Maße durch Versicherung gedeckt worden wäre.

So wie der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die Interessen des Arbeitgebers und seines Betriebes nach besten Kräften wahrzunehmen und alles zu unterlassen, was diese Interessen schädigt, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, im Rahmen des Arbeitsverhältnisses sich für den Arbeitnehmer einzusetzen, ihm Schutz und Fürsorge zuteil werden zu lassen und alles zu unterlassen, was die Interessen des Arbeitnehmers zu schädigen geeignet ist. So nimmt die Lehre (etwa Strasser, Dienstgeber und eingebrachtes Dienstnehmereigentum, RdA. 1954, H. 10, S. 15, 17) z. B. hinsichtlich der Frage, ob der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht auch für Versicherungsschutz gegen Feuer und Diebstahl hinsichtlich der vom Arbeitnehmer in den Betrieb des Arbeitgebers eingebrachten und dort abgestellten Gegenstände zu sorgen hat, den Standpunkt ein, daß den Arbeitgeber eine Versicherungspflicht trifft, wenn besondere, gefahrenerhöhende Umstände es unbillig erscheinen lassen, die Gefahr dem Arbeitnehmer aufzubürden. Die Grenze der Verpflichtung des Arbeitgebers liegt in der Zumutbarkeit. Der Kläger hat seiner Fürsorgepflicht damit, daß er es bei der Mindestsumme der gesetzlichen Haftpflichtversicherung bewenden ließ, nicht Genüge getan. Bei Benzintransporten in Tankwagen besteht ein erhöhtes Gefahrenrisiko, insbesondere in der Richtung einer gesteigerten Feuers- und Explosionsgefahr im Falle von Unfällen im Betriebe dieses Fahrzeuges. Auch im konkreten Fall war die Einwirkung von Feuer, das sich beim Ausbrennen des abgestürzten Tankwagens entwickelte, für den Eintritt der Beschädigung unmittelbar maßgebend. Diese besonderen gefahrenerhöhenden Umstände mußten dem Kläger als einschlägigem Transportunternehmer bekannt sein. Er mußte bei dem erhöhten Gefahrenrisiko damit rechnen, daß bei Ereignung eines von seinem Arbeitnehmer (Kraftfahrer) verursachten oder mitverursachten Sachschadenfalles die an sich geringe gesetzliche Haftpflichtversicherung von 60.000 S möglicherweise nicht ausreichen würde, den Schaden zu decken. Er hätte bedenken müssen, daß der Arbeitnehmer zum Ersatz von Schäden aus derartigen Schadensfällen persönlich herangezogen werden kann und damit ein - unter Umständen nicht unerheblicher - Teil des erhöhten Gefahrenrisikos und seiner Folgen auf den Arbeitnehmer abgewälzt wird. Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg einwenden, daß ihn nach den gesetzlichen Vorschriften die Pflicht, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, nur im gesetzlichen Mindestausmaß getroffen habe. Diese Verpflichtung bezieht sich nämlich in erster Linie auf sein Verhältnis zu den Dritten, die durch den Betrieb seines Kraftfahrzeuges geschädigt werden könnten, nicht aber auf das interne arbeitsrechtliche Verhältnis, für das besondere, aus der Fürsorgepflicht erwachsende Verpflichtungen des Arbeitgebers bestehen. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 14. September 1955, SZ. XXVIII 201, zum Ausdruck gebracht hat, soll sich der soziale Zweck der Haftpflichtversicherung gerade auch beim unselbständigen Lenker eines Kraftwagens, der nicht mit Berufsrisiken belastet werden darf, bewähren. Im internen Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten ist daher nicht bloß vom Verschulden des Beklagten an dem schädigenden Ereignis, sondern auch davon auszugehen, daß es der Kläger im Umfang der ihn treffenden Fürsorgepflicht unterlassen hat, durch eine entsprechende zumutbare Höherversicherung für eine Minderung der durch die Mindesthaftpflichtversicherung nicht gedeckten Ersatzbeträge in der eingeklagten Höhe zu sorgen.

Diese Unterlassung steht im Innenverhältnis zum Verschuldensanteil des Beklagten in annähernd gleichem Verhältnis. Der Kläger kann daher nur die Hälfte seines Schadens vom Beklagten ersetzt verlangen.

Der von dem Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Einwand, der Kläger habe die ungebührliche Länge der Prozeßdauer im Vorprozeß verschuldet, ist unberechtigt. Hier liegt nämlich eine ausdrückliche Solidarverpflichtung aller im Vorprozeß Beklagten auch hinsichtlich der Prozeßkosten vor und es greifen demnach auch für Regreßansprüche in diesem Zusammenhang die Bestimmungen des § 896 ABGB. Platz. Davon, daß der Kläger den Vorprozeß ungebührlich in die Länge gezogen hätte, kann nach der Aktenlage nicht gesprochen werden.

Was die Höhe des begehrten Zinsfußes anlangt, so wurde die dafür gebrauchte Begründung des Klägers von der erforderlichen Aufnahme eines Bankkredites im einzelnen nicht bestritten und im übrigen diese Frage vom Beklagten in seinen Rechtsmitteln überhaupt nicht behandelt.

Anmerkung

Z39025

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1966:0040OB00002.66.0208.000

Dokumentnummer

JJT_19660208_OGH0002_0040OB00002_6600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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