TE OGH 1966/6/23 2Ob162/66

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Veröffentlicht am 23.06.1966
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Norm

Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §1
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §5
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §9
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §19

Kopf

SZ 39/117

Spruch

Wird ein Sachschaden dadurch verursacht, daß durch das Fahren mit einem Kraftwagen ein Stein gegen einen anderen Kraftwagen geschleudert wird, so wird in der Regel ein unabwendbares Ereignis gemäß § 9 (1) EKHG. anzunehmen sein. Nur wenn der Lenker nicht alle Sorgfalt im Sinne des § 9 (2) EKHG. angewendet hat, kommt eine Haftung des Kraftfahrzeughalters nach den Bestimmungen des EKHG. in Betracht

Entscheidung vom 23. Juni 1966, 2 Ob 162/66

I. Instanz: Bezirksgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz

Text

Nach dem festgestellten Sachverhalt ist am 4. März 1965 auf der Autobahn in der Nähe von Seewalchen, die Windschutzscheibe am PKW des Klägers dadurch zertrümmert worden, daß er vom Zweitbeklagten mit einem PKW der Erstbeklagten überholt und durch die Räder ein auf der Fahrbahn unter dem Streugut liegender Stein gegen die Windschutzscheibe geschleudert wurde.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger Schadenersatz von den beiden Beklagten nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes und des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes in der Höhe von 1490 S mit der Behauptung begehrt, daß der Zweitbeklagte nach dem Überholen das Fahrzeug knapp vor dem Kraftwagen des Klägers wieder auf den rechten Fahrstreifen gelenkt, dabei eine Geschwindigkeit von 80 bis 100 km/h eingehalten und dadurch das Wegschleudern des Steines bewirkt habe.

Die Beklagten haben bestritten und Klagsabweisung begehrt.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Es ist der Aussage des Zweitbeklagten gefolgt und hat entgegen der Behauptung des Klägers festgestellt, daß dieser nicht knapp nach dem Überholen wieder den rechten Fahrbahnstreifen aufgesucht habe, sondern weiterhin auf dem Überholstreifen geblieben sei. Den Zweitbeklagten treffe kein Verschulden und die Beklagten hätten es nicht zu verantworten, wenn bei der nicht vorschriftswidrigen Fahrweise des Zweitbeklagten ein Stein gegen den Kraftwagen des Klägers geschleudert worden sei. Es liege ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 9 EKHG. vor, das auch bei Anwendung der äußersten nach den Umständen gebotenen Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Die Hinweistafel "Langsam fahren, keine Salzstreuung" stehe mit dem Eintritt des Schadens in keinem ursächlichen Zusammenhang, weil damit nur auf die erhöhte Schleudergefahr aufmerksam gemacht werden sollte, nicht aber auf die Möglichkeit, daß Streugut von überholenden Fahrzeugen weggeschleudert werden könnte.

Das Berufungsgericht hat der Berufung des Klägers Folge gegeben und das erstgerichtliche Urteil dahin abgeändert, daß es dem Klagebegehren stattgegeben hat. Es war der Meinung, daß der Zweitbeklagte die, wenn auch nicht ziffernmäßig angeordnete, Geschwindigkeitsbeschränkung einhalten hätte müssen, durch die alle mit einer unterlassenen Salzstreuung verbundenen typischen und über das übliche Maß hinausgehenden Gefahren bei Einhaltung höherer Geschwindigkeiten für andere Verkehrsteilnehmer ausgeschaltet werden sollte. Der Kausalzusammenhang sei daher gegeben, weil damit auch auf die Möglichkeit des Wegschleuderns des Streugutes aufmerksam gemacht worden sei. Der Beklagte habe bei der von ihm eingehaltenen Geschwindigkeit von 80 bis 100 km/h mit dem Wegschleudern von Steinen rechnen müssen, was noch dazu durch die von ihm verwendeten Spikereifen besonders begünstigt worden sei. Der Zweitbeklagte hätte daher keine so hohe Geschwindigkeit einhalten und daher auch den Kläger nicht überholen dürfen. Er habe dadurch gegen die Vorschriften der §§ 16 (1) lit. b und 20 (1) StVO. 1960 verstoßen. Ihn treffe ein Verschulden, für das die Erstbeklagte als Kraftfahrzeughalter hafte.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten. Sie machen den Revisionsgrund nach § 503 Z. 4 ZPO. geltend und beantragen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das erstgerichtliche Urteil wieder hergestellt werde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß das erstgerichtliche Urteil zu lauten hat:

1. Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 1490 S samt 4% Zinsen seit 5. März 1965 und die mit 1545.09 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

2. Das Klagebegehren, die zweitbeklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 1490 S samt 4% Zinsen seit 5. März 1965 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 701.31 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist nur teilweise, nämlich insoweit berechtigt, als sie vom Zweitbeklagten erhoben wird.

Die Beklagten wenden sich vorerst gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß durch die an der Autobahn aufgestellten "Hinweistafeln" mit der Aufschrift "Langsam fahren, keine Salzstreuung" die Qualifikation der Autobahn als Schnellstraße für diesen Bereich aufgehoben worden sei, daß nur eine Geschwindigkeit von 60 bis 65 km/h zulässig gewesen wäre und der Zweitbeklagte gegen die oben zitierten Vorschriften schuldhaft verstoßen habe. Sie sind der Meinung, daß diese Hinweistafeln nicht zu den im § 52 StVO. 1960 aufgezählten gültigen Verbots- und Gebotszeichen gehören und der Zweitbeklagte mangels Angabe einer bestimmten Geschwindigkeitsbegrenzung nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen habe.

Hiezu ist darauf zu verweisen, daß derartige Verkehrsbeschränkungen zu den Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs im Sinne des § 31 (1) StVO. 1960 gehören, deren Aufzählung im Gesetz nicht erschöpfend ist (s. hiezu die erläuternden Bemerkungen 1 zu § 31). Alle diese Einrichtungen genießen aber einen besonderen gesetzlichen Schutz und sind, wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung 2 Ob 541/59 in ZVR. 1960 Nr. 307 ausgesprochen hat, von den Verkehrsteilnehmern zu beachten.

Der Zweitbeklagte hatte sich daher an diese Weisung zu halten. Da aber keine ziffernmäßige Geschwindigkeitsbegrenzung angeordnet war, kann es ihm nicht als schuldhaftes Verhalten angerechnet werden, wenn er eine Geschwindigkeit von 80 bis 100 km/h eingehalten hat. Es erscheint nämlich keineswegs ausgeschlossen, daß auch bei der vom Berufungsgericht für zulässig angesehenen Geschwindigkeit von 60 bis 65 km/h der Stein von der Fahrbahn weg gegen die Windschutzscheibe des Kraftwagens des Klägers hätte geschleudert werden können. Aus diesen Erwägungen kann auch eine schuldhafte Verletzung der Vorschriften der §§ 16 (1) lit. b und 20 (1) StVO. durch den Zweitbeklagten nicht angenommen werden. Wohl aber hat der Zweitbeklagte bei seiner Fahrweise nicht jede gemäß § 9 (2) EKHG. nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet, weshalb zwar nicht der Zweitbeklagte wegen Verschuldens nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes, wohl aber die erstbeklagte Partei als Kraftfahrzeughalter gemäß § 5 (1) EKHG. für den entstandenen Schaden haftet. Im vorliegenden Fall ist mit Rücksicht auf das Verhalten des Zweitbeklagten das Wegschleudern des Steines nicht als ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 9 (1) EKHG. anzusehen.

Nur in diesem Sinne ist der Revision der Beklagten Folge zu geben. Da eine Haftung des Zweitbeklagten als Fahrzeuglenker mangels eines Verschuldens nicht besteht, ist das Klagebegehren ihm gegenüber abzuweisen. Bezüglich der erstbeklagten Partei bleibt es bei der Verurteilung, wie sie das Berufungsgericht ausgesprochen hat. Diese grundet sich allerdings nicht auf § 19 (2) EKHG., sondern auf die §§ 1 und 5 (1) EKHG. Der Schaden, der der Höhe nach nicht bestritten ist, hält sich im Rahmen der Begrenzung des § 16 (1) Z. 3 EKHG., sodaß auch diesbezüglich kein Hindernis gegen die Verurteilung der erstbeklagten Partei besteht.

Anmerkung

Z39117

Schlagworte

Haftung, Schleudern eines Steines gegen ein Kraftfahrzeug, Kraftfahrzeug, Schleudern eines Steines gegen ein -, Schaden, Schleudern eines Steines gegen einen Kraftwagen, Unabwendbares Ereignis, Schleudern eines Steines gegen einen Kraftwagen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1966:0020OB00162.66.0623.000

Dokumentnummer

JJT_19660623_OGH0002_0020OB00162_6600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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