Norm
ABGB §1090Kopf
SZ 39/121
Spruch
Qualifikation des Rechtsverhältnisses zwischen einem Barbesitzer und der Toilettefrau der Bar (Pacht- oder Dienstvertrag)
Entscheidung vom 5. Juli 1966, 4 Ob 42/66
I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Text
Die Klägerin war vom 10. September 1954 bis 18, Juli 1965 als Toilettefrau in der "C.-Bar", einem Betrieb der beklagten Partei, tätig. Sie behauptet, als Dienstnehmerin der beklagten Partei beschäftigt gewesen zu sein und für die letzten drei Jahre vor Beendigung des Dienstverhältnisses nach dem Kollektivvertrag für das österreichische Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe Anspruch auf Bezahlung von 46.809.55 S sowie auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses zu haben. Sie macht diese Ansprüche mit Klage geltend.
Die beklagte Partei wendete ein, daß die Klägerin Pächterin der Toilette in der "C.-Bar" gewesen sei. Sie habe sich bei Abschluß des Pachtvertrages zur Reinigung der Toiletteräume gegen freiwillige Zuwendungen der Besucher verpflichtet.
Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruchs ein und erkannte mit Zwischenurteil zu Recht, daß die eingeklagten Forderungen dem Gründe nach zu Recht bestehen. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Die Klägerin sei am 9. September 1954 mit Direktor L., einem der geschäftsführenden Gesellschafter der beklagten Partei, in Verbindung getreten, weil sie von dessen Gattin gewußt habe, daß für die "C.-Bar" eine Toilettefrau benötigt werde. L. habe der Klägerin erklärt, daß sie als Toilettefrau für die Reinigung der Damentoilette verantwortlich sei, daß ihr die beklagte Partei die Handtücher und Tischtücher, einen Arbeitsmantel, Clopapier und Seife beistelle, daß die Klägerin aber für ihre Tätigkeit keinen Lohn erhalte, weil es sich bei dieser Arbeit um ein reines Trinkgeldgeschäft handle. Etwa acht Tage nach Aufnahme ihrer Tätigkeit sei der Klägerin erklärt worden, sie müsse sich Clopapier und Seife selbst kaufen, weil der Verbrauch hievon zu groß sei. Da die Klägerin von jenem Mann, der die Herrentoilette zu betreuen hatte, erfahren habe, daß er wöchentlich 25 S bekomme, habe sie sich an die beklagte Partei gewandt und erwirkt, daß auch sie wöchentlich 25 S erhalte. Ab der zweiten Woche ihrer Tätigkeit habe sie diesen Betrag auch ausbezahlt erhalten, und zwar etwa während eines Zeitraumes von zwei Jahren. Dann sei der Betreuer der Herrentoilette aus den Diensten der beklagten Partei ausgeschieden. Man habe die Klägerin gebeten, nun auch die Herrentoilette mitzubetreuen. Weil eine Ersatzkraft nicht gefunden werden konnte, habe die Klägerin nunmehr auch die Reinigung der Herrentoilette besorgt und wöchentlich einen Betrag von 50 S erhalten. Nach einiger Zeit habe sie unter Hinweis auf die eingetretene Teuerung bei Straßenbahn und Autobus eine Erhöhung des wöchentlich ausbezahlten Betrages von 50 S auf 75 S und ab 1. Juli 1958 auf 100 S erreicht. Die Klägerin sei, wie die anderen Dienstnehmer, entsprechend dem Auftrag des Direktors L. um zirka 20 Uhr in das Lokal gekommen. Sie habe mit der Reinigung der Toilette begonnen und die Handtücher und die Seife hergerichtet. Diese Arbeit habe ungefähr eine Stunde gedauert. Darauf habe sie für die Barmädchen und für Direktor Sch. das Essen aus einem nahegelegenen Gasthaus geholt. Dies habe die Klägerin freiwillig gemacht, sie sei durch ein Trinkgeld honoriert worden. Nach Beginn des Kabarettprogramms um etwa 22 Uhr sei die Klägerin zwischen Herren- und Damentoilette hin- und hergependelt, je nachdem, wo sie sich gerade eine Verdienstmöglichkeit in Form eines Trinkgeldes erwartet habe. Nach Beendigung des Programmes gegen 2 Uhr, manchmal auch gegen 2.30 Uhr früh, sei die Klägerin noch im Lokal geblieben, wenn sie sich von den zurückgebliebenen Gästen noch ein Trinkgeld erwartet habe, im übrigen sei sie mit dem Autobus nach Hause gefahren. An Werktagen habe die Klägerin jedenfalls noch vor 3 Uhr das Lokal verlassen, weil sie sonst keinen Autobus für die Heimfahrt gehabt hätte. Da die beklagte Partei ihre Bar Tag für Tag geöffnet halte, habe es für die Klägerin nie einen freien Tag gegeben. Einen Urlaub habe sie gleichfalls nie gehabt. Als sie in den letzten vier Jahren aus gesundheitlichen Gründen einen Urlaub habe nehmen müssen und ihre Absicht, Urlaub zu nehmen, dem Geschäftsführer der beklagten Partei vorgetragen habe, habe ihr dieser erklärt, sie müsse für eine Urlaubsvertretung sorgen, weil die Toiletten gereinigt werden müßten. Als Urlaubsvertreterin habe die Schwester der Klägerin fungiert. Am 19. Juli 1965 habe die Klägerin die Köchin der "C.-Bar" mit den Worten "Du Sierige" beleidigt, worauf die Klägerin von Direktor Sch. mit den Worten "Sie sind entlassen, verlassen Sie sofort das Lokal" entlassen worden sei.
In rechtlicher Beziehung führte das Erstgericht aus, daß für eine Pachtung der Toiletteräume jeder Anhaltspunkt fehle, weil ein Pachtzins nicht vereinbart worden sei. Die Tätigkeit der Klägerin sei weisungsgebunden gewesen, weil sie zu einer ihr vom Geschäftsführer der beklagten Partei aufgetragenen Zeit in der Bar habe anwesend sein und mit der Reinigung der Toiletten beginnen müssen. Für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses spreche auch das der Klägerin von Anfang gewährte Entgelt, die Beistellung eines Arbeitsmantels sowie der für die Toiletten notwendigen Handtücher und Tischtücher. Ihre Forderung auf Bezahlung von Lohn, Entschädigung für entfallene Ruhetage, Urlaubsentgelt, Jahresremuneration und Feiertagszuschlägen seien dem Gründe nach berechtigt. Die Klägerin habe auf Grund ihres Dienstverhältnisses auch Anspruch auf Wohnungsbeihilfe. Auch der Anspruch auf Kündigungsentschädigung sei berechtigt, weil die Entlassung der Klägerin wegen der Beschimpfung der Köchin als "sierig" nicht gerechtfertigt gewesen sei. Diese Beschimpfung stelle keine grobe Ehrenbeleidigung im Sinne des § 82 lit. g GewO. dar.
Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 (1) Z. 3 ArbGerG. von neuem durch und kam zu denselben Feststellungen wie das Erstgericht. Es billigte auch dessen rechtliche Beurteilung. Es sei zwar richtig, daß ein Bestandzins nicht in Geld entrichtet werden müsse, sondern auch in einer Dienstleistung bestehen könne, es sei jedoch die Auffassung der Berufung verfehlt, der der beklagten Partei von der Klägerin zugewendete Nutzen habe in der Reinigung der Toiletten bestanden. Läge nämlich ein Pachtvertrag vor, dann fiele die Reinigung der Toiletten in den von der Klägerin bedungenen Gebrauch der Bestandsache, den sie im Rahmen der ihr obliegenden Betriebspflicht auszuüben gehabt hätte, und wofür sie ein Entgelt, nämlich den Pachtzins, zu entrichten gehabt hätte. Der Nutzen des Verpächters bestehe nämlich nicht nur im Gebrauch des Pachtgegenstandes durch den Pächter, sondern vor allem im Erhalt des Pachtzinses. Da ein solcher aber weder bedungen noch entrichtet worden sei, liege ein Pachtverhältnis nicht vor.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte das Urteil des Berufungsgerichtes.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Für die Einordnung des strittigen Rechtsverhältnisses in einen bestimmten Vertragstypus ist entscheidend, ob die Verpflichtung der Klägerin, die Toiletteanlagen den Besuchern der Bar ohne Anspruch auf eine bestimmte Benützungsgebühr zur Verfügung zu stellen und die erforderliche Reinigung zu besorgen, lediglich Folge der Betriebspflicht als Pächterin oder unmittelbare Dienstpflicht der Beklagten war. Beim Dienstvertrag steht nach dem wirtschaftlichen Zweck das Interesse des Dienstgebers an der Dienstleitung auf gewisse Zeit (§ 1151 ABGB.) im Vordergrund, beim Bestandvertrag (Pacht) das Interesse des Bestandgebers an der Gegenleistung des Bestandnehmers, dem bestimmten Preis (§ 1090 ABGB.), nicht aber die Betriebspflicht und die mit ihr verbundene Tätigkeit. Wollte man das in Frage stehende Rechtsverhältnis als Bestandvertrag auffassen, dann müßte man die Reinigungsarbeiten der Klägerin als Gegenleistung ansehen, was aber daran scheitert, daß sie zum Betrieb gehören, also in der Betriebspflicht schon enthalten sind. Daraus folgt, daß die Klägerin für die Überlassung der Toiletten und die damit verbundene Erwerbsgelegenheit keinen Preis im Sinn des § 1090 ABGB. leistete. Es fehlte somit ein wesentliches Element des Bestandvertrages. Die Benutzung der Toiletten wird den Besuchern einer Bar im allgemeinen als Nebenleistung gewährt. Die Beklagte als Inhaberin der Bar hatte das Interesse hauptsächlich daran, daß die Toiletten in Ordnung gehalten werden, daß also die Klägerin ihre Arbeit in den Toiletten verrichte. Ein Interesse der beklagten Partei an der Entrichtung eines Pachtschillings kann nach den Feststellungen der Untergerichte nicht angenommen werden. Wenn die Klägerin auf Dauer unter Anwesenheitspflicht zur bestimmten Zeit die Toiletten reinigte, so war sie nicht Pächterin (vgl. Klang in Klang[2] V 20), sondern als Dienstnehmerin dem Barbetrieb eingegliedert und hatte als solche Anspruch auf kollektivvertragliche Entlohnung. Dazu gehört nach § 84 GewO. auch der Anspruch auf Kündigungsentschädigung, weil ein Grund zur vorzeitigen Entlassung der Klägerin nicht bestanden hat. Dies haben schon die Untergerichte zutreffend dargelegt. Daraus, daß die Klägerin sich zehn Jahre lang nur mit den Trinkgeldern zufrieden gegeben hat, kann die beklagte Partei wegen der zwingenden Bestimmungen des Kollektivvertrages (§ 2 (3) KollVG.) nichts gewinnen.
Anmerkung
Z39121Schlagworte
Bar, Toilettenfrau einer -, Dienstvertrag, nicht Pacht, Dienstvertrag, Abgrenzung zum Pachtvertrag, Toilettenfrau einer Bar, Pachtvertrag, Abgrenzung zum Dienstvertrag, Toilettenfrau einer Bar, Toilettenfrau einer Bar, Dienstvertrag, nicht PachtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1966:0040OB00042.66.0705.000Dokumentnummer
JJT_19660705_OGH0002_0040OB00042_6600000_000