TE OGH 1966/10/28 1Ob232/66

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Veröffentlicht am 28.10.1966
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Norm

ABGB §91
ABGB §92

Kopf

SZ 39/184

Spruch

In der Regel kein selbständiges und unmittelbares Klagerecht der Ehefrau gegen dritte, störend in die häusliche Ordnung einwirkende Personen, die ihre Benützungsrechte an der ehelichen Wohnung vom Ehemann herleiten

Wenn aber der Ehemann sein Recht auf Leitung des Hauswesens (§§ 91, 92 ABGB.) wider Vernunft, Anständigkeit und Billigkeit ausübt, kann die Ehefrau gegen ihn die Hilfe des Gerichtes in Anspruch nehmen

Entscheidung vom 28. Oktober 1966, 1 Ob 232/66

I. Instanz: Bezirksgericht Leoben; II. Instanz: Kreisgericht Leoben

Text

Die Klägerin ist auf Grund eines mit ihrem Ehegatten Johann F. sen. geschlossenen Notariatsaktes Hälfteeigentümerin der Liegenschaft G. Nr. 10 (in der Streitverhandlung vom 23. März 1966 haben die Parteien und der vernommene Zeuge allerdings von einer Hausnummer 17 gesprochen), in der sie gemeinsam mit dem Genannten eine aus Küche, Schlafraum, Kabinett und Nebenräumen bestehende Wohnung benützt.

Mit der vorliegenden Klage begehrte sie, dem Beklagten Johann F. jun., einem in die Ehe mitgebrachten, großjährigen und selbsterhaltungsfähigen Sohn ihres Ehemannes, das Betreten der ehelichen Wohnung zu verbieten, und brachte dazu vor, in den zu ihrem Wohnungsverbande gehörigen Räumen von dem Stiefsohn wiederholt tätlich angegriffen, verletzt, bedroht und beleidigt worden zu sein.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab und ging dabei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus: Der großjährige, selbsterhaltungsfähige Beklagte stamme aus der ersten Ehe des Ehemannes der Klägerin, mit dem diese seit dem Jahre 1949 verheiratet sei. Über Anordnung ihres Mannes müsse die Klägerin den Beklagten verköstigen, der hiefür seinem Vater monatlich ein Entgelt von 500 bis 600 S leiste und überdies in der von seinem Vater und der Klägerin betriebenen Landwirtschaft mitarbeite; der Beklagte nehme die ihm gereichten Mahlzeiten in der zur ehelichen Wohnung der Klägerin gehörenden, im Erdgeschoß gelegenen Küche ein; in diesem Raum wasche er sich auch, da es ihm in seinem eigenen, im 1. Stockwerk des Hauses gelegenen Wohnraum an einer Waschgelegenheit fehle.

In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht das Klagebegehren deshalb für verfehlt, weil es sich auf Räumlichkeiten der ehelichen Wohnung beziehe, über die nur der Ehemann verfügungsberechtigt sei; an dieser Rechtslage vermöge auch die Tatsache, daß beide Ehegatten Miteigentümer der Liegenschaft je zur Hälfte seien, nichts zu ändern.

Das Berufungsgericht hob infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es sei wohl richtig, daß nach der Regelung des § 91 (zu ergänzen: erster Satz und erster Halbsatz des zweiten Satzes) ABGB. dem Ehemann als dem Haupt der Familie das Recht der Leitung des Haushaltes zustehe und eine in diesem Rahmen getroffene Entscheidung keiner Rechtfertigung bedürfe; bei einer pflicht- und rechtswidrigen Ausübung dieses Leitungsrechtes müsse jedoch der davon betroffenen Ehefrau ein (selbständiges) Klagerecht gegen denjenigen zugestanden werden, der mit Wissen des Ehemannes die häusliche Ordnung in der ehelichen Wohnung durch Drohungen, Beschimpfungen und Mißhandlungen empfindlich störe.

Unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten sei aber auf die zur Begründung des erhobenen Unterlassungsanspruches vorgebrachte Behauptung der Klägerin, dem Beklagten falle eine derartige Verhaltensweise zur Last, einzugehen und die von ihr dazu angebotenen Beweise durchzuführen. Erst nach einer Klarstellung des Sachverhaltes in der aufgezeigten Richtung könne über das Klagebegehren abgesprochen werden. Sollten tatsächlich weitere Störungen der häuslichen Ordnung durch den Beklagten zu besorgen sein, dann wäre es diesem auch verwehrt, sich auf die aus dem Kindschaftsverhältnis resultierende Befugnis, dem Vater Besuche abzustatten, zu berufen.

Der Oberste Gerichtshof hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache an dieses Gericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß die Grenzen des dem Ehemann im Sinne der Bestimmungen der §§ 91, 92 ABGB. zukommenden Rechtes, das Hauswesen zu leiten und damit auch zu bestimmen, welches seiner volljährigen, selbsterhaltungsfähigen Kinder er in die Gemeinschaft des Haushaltes aufnehmen bzw. in ihr belassen will, dort gezogen sind, wo seine diesbezüglichen Entschlüsse und Entscheidungen gegen Anstand, Gesetz und Ordnung verstoßen (Ehrenzweig, System des österreichischen Privatrechtes[2], II/2 S. 132 f., GlUNF. 5369). Falls der Ehemann von dem ihm nach den §§ 91, 92 ABGB. eingeräumten Recht der Leitung des Hauswesens wider Vernunft, Anständigkeit und Billigkeit Gebrauch macht, sich also beispielsweise - wie diesfalls von der Klägerin behauptet und unter Beweis gestellt wird - weigert, den einleuchtenden Gründen der in ihrer persönlichen Sicherheit gefährdeten Ehefrau Gehör zu verschaffen und sich schützend vor sie zu stellen, ist diese berechtigt, zur Verwirklichung ihres die Wahrung der häuslichen Ordnung durch den Ehemann mitumfassenden Unterhaltsanspruches und gestützt auf ihr Mitbenützungsrecht an der ehelichen Wohnung die Hilfe des Gerichtes gegen derartige Eingriffe in Anspruch zu nehmen (s. dazu: Wentzel in Klang[2] I 370). In ihrer familienrechtlichen Stellung als Ehefrau ist die Klägerin grundsätzlich jedoch darauf beschränkt, diese gerichtliche Hilfe - ob im Außerstreitverfahren (dafür: Schey, Die Obligationsverhältnisse des österreichischen allgemeinen Privatrechts, S. 468 Anm. 12; Karl Wolff, Grundriß, S.

302) oder im Prozeßweg (in diesem Sinne: Lenhoff in Klang[1] I/1 571 bei Anm. 14 a; SZ. VIII 7) kann dahingestellt bleiben - gegen den sein Leitungsrecht vernachlässigenden oder mißbrauchenden Ehemann selbst geltend zu machen. Ein selbständiges und unmittelbares Klagerecht gegen dritte, störend in die häusliche Ordnung einwirkende Personen, die ihre Benützungsrechte an der ehelichen Wohnung vom Ehemann herleiten, ist der Ehefrau hingegen im Regelfall verwehrt. Daran vermag auch der Umstand, daß die Grundlage des ehelichen Haushaltes das beiden Ehegatten gehörige Haus bildet, nichts zu ändern (Miet- Slg. 5589).

Nur dann, wenn der Ehemann im konkreten Fall auf die Ausübung seines Leitungsrechtes verzichtet und der Klägerin die Zustimmung zur Klageführung gegen den die häusliche Ordnung angeblich störenden Beklagten erteilt hätte, würde die Rechtslage eine Änderung erfahren und - unter der Voraussetzung der Erweisbarkeit des behaupteten widerrechtlichen Eingriffes in die häusliche Ordnung und einer Wiederholungsgefahr - die vorbeugende Unterlassungsklage berechtigt sein. Das Erstgericht hat jedoch in seinen vom Berufungsgericht als unbedenklich übernommenen Tatsachenfeststellungen auf die Zeugenaussage des Johann F. sen. verwiesen, derzufolge der Beklagte die eheliche Wohnung mit Wissen und Willen des genannten Zeugen benützt. Im Rahmen der Rechtsausführungen des erstgerichtlichen Urteils wird überdies, diesmal in die Form einer Feststellung gekleidet, festgehalten, daß der Ehemann der Klägerin mit der weiteren Benützung der ehelichen Wohnung durch den Beklagten ausdrücklich einverstanden ist. Damit erscheint aber die entscheidende Frage, ob der Ehemann der Klägerin deren Prozeßführung gegen den Beklagten billigt und ihr zugestimmt hat und im konkreten Fall auf das ihm nach den §§ 91, 92 ABGB. zukommende Leitungsrecht verzichtet hat, mit hinreichender Deutlichkeit verneint. Die Sache ist daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes bereits spruchreif, sodaß dem Rekurs Folge zu geben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen war.

Anmerkung

Z39184

Schlagworte

Ehegattin, Klagerecht gegen Eingriffe Dritter in die häusliche Ordnung, Klagerecht der Ehegattin, störende Eingriffe Dritter in die häusliche, Ordnung, Störung der häuslichen Ordnung durch Dritte, Klagerecht der Ehegattin

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1966:0010OB00232.66.1028.000

Dokumentnummer

JJT_19661028_OGH0002_0010OB00232_6600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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