TE OGH 1966/11/4 2Ob291/66

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Veröffentlicht am 04.11.1966
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Norm

Jugendgerichtsgesetz 1961 §2 (1)

Kopf

SZ 39/187

Spruch

Schwere Erziehungsmängel, die sich in Straftaten äußern, berechtigen bei Versagen anderer Maßnahmen zur Einweisung in die Bundesanstalt für Erziehungsbedürftige

Entscheidung vom 4. November 1966, 2 Ob 291/66

I. Instanz: Bezirksgericht Greifenburg; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt

Text

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 17. Oktober 1961 wurde der mj. Elmar U. im Einvernehmen und Einverständnis mit dem Amt der Kärntner Landesregierung - Landesjugendamt und der außerehelichen Mutter Marianne W. in Fürsorgeerziehung überwiesen. Auf Grund dieses Beschlusses verfügte das Amt der Kärntner Landesregierung mit Bescheid vom 26. Oktober 1961 die Einweisung des Minderjährigen in das Landeserziehungsheim "Rosental" in G. und in der Folge mit Bescheid vom 23. März 1966 wegen "Versagens im freien Verhältnis" die neuerliche Einweisung in Heimerziehung in das Landeserziehungsheim U. in Tirol.

Mit Urteil des Landesgerichtes I. vom 4. Juli 1966 wurde der Minderjährige zur Strafe des strengen Arrestes in der Dauer von drei Monaten verurteilt. Die Vollziehung der Strafe wurde gemäß § 14 JGG. für eine Probezeit von drei Jahren aufgeschoben. Hievon wurde das Erstgericht vom Landesgericht I. mit dem Beifügen verständigt, das Schöffengericht habe einhellig die Ansicht vertreten, daß die Unterbringung des Jugendlichen in der Bundesanstalt für Erziehungsbedürftige notwendig wäre.

Vom Erstgericht zur allfälligen Antragstellung aufgefordert, brachte das Jugendamt G. als Amtsvormund des Minderjährigen dessen Verweisung in die Bundesanstalt für Erziehungsbedürftige K. in Vorschlag.

Das Erstgericht wies den Antrag des Jugendamtes G. ab. Infolge Rekurses des Jugendamtes G. verfügte das Rekursgericht in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses die beantragte Einweisung und die Aufhebung der mit dem Beschluß ON. 15 angeordneten Fürsorgeerziehung mit Rechtskraft dieses Beschlusses.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Minderjährigen nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Minderjährige machte geltend, daß er den Willen habe, sich zu bessern und ein neues Leben zu beginnen, während ihm eine Einweisung in die Bundesanstalt für Erziehungsbedürftige den Weg in ein ordentliches Leben versperren würde.

Dieses Vorbringen ist jedoch nicht stichhältig, zumal die in § 2 (1) JGG. 1961 geforderten Voraussetzungen für die bekämpfte Maßnahme vorliegen.

Nach der Aktenlage war es zur Überweisung in Fürsorgeerziehung gekommen, weil der damals elf Jahre alte Minderjährige, der im Haushalt seiner Mutter und seines Stiefvaters neben zwei ehelichen Kindern der beiden Genannten aufwuchs, schwer erziehbar war, von seiner Mutter zu nachsichtig und von seinem Stiefvater zu grob behandelt wurde, umherstrolchte, sich nicht mehr in die Schule getraute, in Heu- und Streuhütten nächtigte, rauchte, seit den Sommerferien 1961 fast täglich einen Diebstahl, sei es im Elternhaus, sei es bei Nachbarn, verübte, sogar Kirchen- und Opferstockeinbrüche beging, Geld, eine Uhr, ein Fernglas, ein Kofferradio und mehrmals Fahrräder stahl. Nach Beendigung der Pflichtschulzeit im Erziehungsheim "Rosental" wurde er unter Aufrechterhaltung der Fürsorgeerziehung in der Stadtgärtnerei K. als Lehrling untergebracht. Nach den Gründen des Urteils des Landesgerichtes I. nahm der Minderjährige am 27. Februar 1966 an seinem Arbeitsplatz das Motorfahrrad eines Arbeitskameraden ohne Erlaubnis in Gebrauch, versuchte während einer Stadtrundfahrt mit demselben vor einer motorisierten Polizeistreife, deren Haltzeichen er mißachtet hatte, zu flüchten und kam dabei zum Sturz, wobei das Motorfahrrad erheblich beschädigt wurde. Im Februar 1966 versuchte er, um sich Geld für Vergnügungen zu verschaffen, in der Pfarrkirche St. L. die für den Geldeinwurf bestimmte Öffnung eines Opferstockes mit einem Messer zu erweitern, was ihm jedoch nur unzureichend gelang. Am 4. März 1966 gelang es ihm in derselben Kirche, aus einem Opferstock 63.80 S und 1 Dinar unter Verwendung mit Leim bestrichener Holzstäbchen herauszuholen. Als er von einer Kirchenbesucherin dabei betreten wurde, verließ er die Kirche, kam aber kurz darauf neuerlich zurück und wurde von dem inzwischen eingetroffenen Polizisten festgenommen. Nachdem er am 11. März 1966 in das Landeserziehungsheim U. gebracht worden war, flüchtete er von dort und begab sich nach K., wo er neue strafbare Handlungen (§ 26 WaffenG.) verübte. Während der Untersuchungshaft im landesgerichtlichen Gefangenenhaus I. verletzte er am 21. Mai 1966 während eines Raufhandels einen Mithäftling leicht.

Der Minderjährige hat nicht nur eine, sondern mehrere mit Strafe bedrohte Handlungen begangen. Nach seinem vorstehend geschilderten bisherigen Werdegang unterliegt es keinem Zweifel, daß seine mangelhafte Erziehung zumindest eine der Bedingungen ist, aus denen die Delikte zu erklären sind. Der Erziehungsmangel ist auch von solcher Schwere, daß er das künftige rechtmäßige Verhalten des Minderjährigen in Frage stellt. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, daß sich die Straftaten des Minderjährigen gegen verschiedene Rechtsgüter richten. Die bisherigen Erziehungsmaßnahmen waren nicht geeignet, den Minderjährigen zu bessern. Es muß daher die angeordnete Verweisung als das letzte Mittel angesehen werden, um eine Besserung zu erreichen.

Anmerkung

Z39187

Schlagworte

Bundesanstalt für Erziehungsbedürftige, Voraussetzungen der Einweisung, Erziehungsmängel, Einweisung in eine Bundesanstalt für, Erziehungsbedürftige, Straftaten Minderjähriger, Einweisung in eine Bundesanstalt für, Erziehungsbedürftige

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1966:0020OB00291.66.1104.000

Dokumentnummer

JJT_19661104_OGH0002_0020OB00291_6600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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