Norm
ABGB §1052Kopf
SZ 39/193
Spruch
Die Frist für den Rücktritt des Käufers vom Ratengeschäft nach § 4
(1) RatG. wird erst durch die Übergabe einer Abschrift des Ratenbriefes in Gang gesetzt
Entscheidung vom 15. November 1966, 4 Ob 522/66
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Text
Der Beklagte bestellte am 26. November 1962 bei Vertreterinnen der klagenden Partei, die in seine Wohnung kamen, einen Mixer. Der Bruttokaufpreis betrug 1290 S. Dieser Betrag sollte in zwölf Raten a 93.50 S bezahlt werden.
Die klagende Partei begehrt vom Beklagten die Zahlung des Kaufpreises des Mixers in der Höhe von 1290 S, 46 S an Rücksendungsspesen und 25 S an Bankspesen, zusammen 1361 S samt 12% Zinsen seit 2. August 1963, weil der Beklagte zweimal den bestellten und gelieferten Mixer nicht angenommen habe; dies in eventu Zug um Zug gegen Übergabe des bestellten Mixers. Das Erstgericht gab im ersten Rechtsgang dem Klagebegehren hinsichtlich eines Betrages von 1336 S samt 4% Zinsen seit 5. Dezember 1963 Folge und wies das Mehrbegehren auf Bezahlung eines weiteren Betrages von 25 S und 12% Zinsen (offenbar gemeint weiterer 8% Zinsen) aus dem ganzen Klagsbetrag ab.
Während die klagende Partei die Abweisung des Mehrbegehrens in Rechtskraft erwachsen ließ, hat der Beklagte berufen. Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge und hob das Ersturteil zur Gänze (also auch im nicht angefochtenen Teil) ohne Rechtskraftvorbehalt auf. Das Erstgericht habe noch zu prüfen, ob dem Beklagten überhaupt eine Abschrift des Ratenbriefes ausgefolgt worden sei. Ohne Ausfolgung der Abschrift des Ratenbriefes könne die fünftägige Rücktrittsfrist des § 4 (1) RatG. nicht zu laufen beginnen.
Das Erstgericht stellte im zweiten Rechtsgang fest: Am 26. Februar 1966 (richtig 26. November 1962) kamen die Vertreterinnen der klagenden Partei Leopoldine G. und Hermine Sch. in die Wohnung des Beklagten, wo sie zunächst dessen Gattin antrafen. Sie boten dieser einen Mixer zum Kauf an. Als diese erklärte, sie kaufe nichts, suchten die beiden Vertreterinnen den Beklagten, der damals mit seiner Gattin einen Streit gehabt hatte, mit ihr böse war und sich in einem anderen Raum aufhielt, auf und boten auch diesem den Mixer an. Der Beklagte unterschrieb den Bestellschein bzw. Ratenbrief Beilage B. Als er von seiner Gattin die verlangte Angabe von 290 S nicht bekam, weil sie kein Geld hatte, sagte er den Vertreterinnen, sie sollten in einigen Tagen wieder kommen, bis er seine Rente habe. Als die Vertreterinnen wieder erschienen, hatte die Gattin des Beklagten einen Zettel mit der Mitteilung an die Tür geheftet, sie nehme das Gerät nicht und zahle auch nichts. Der Zettel war nur von ihr, nicht aber auch vom Beklagten unterfertigt. Sie setzte von dessen Inhalt ihren Gatten auch erst später in Kenntnis. Als die klagende Partei das Gerät lieferte, sandte es die Gattin des Beklagten zurück. Im Juli 1963 (richtig offenbar Juni 1963) begab sich die Gattin des Beklagten in dessen Auftrag zur klagenden Partei und unterschrieb dort eine Verschiebung des Liefertermins auf 1. Juni 1963 (richtig 1. Juli 1963), nahm aber nach einem neuerlichen Lieferversuch das Gerät wieder nicht an. Eine Abschrift des Ratenbriefes wurde dem Beklagten weder bei Abschluß des Kaufvertrages noch zu einem späteren Zeitpunkt ausgefolgt. Der Ratenbrief enthält überdies kein Fälligkeitsdatum der Raten. Bei Unterfertigung des Ratenbriefes durch den Beklagten waren Höhe und Art der Anzahlung nicht eingetragen. Der in der Zeile "abzüglich Zahlung der Lieferung per N. N." eingesetzte Betrag von 290 S sowie die darunterstehende Ziffer von 1000 S wurden nicht bei Vertragsabschluß, sondern erst nachträglich eingesetzt. Daraus zog das Erstgericht den Schluß, daß mangels der Übergabe eines der Vorschrift des § 10 RatG. entsprechenden Ratenbriefes der Beklagte immer noch vom Kaufvertrag zurücktreten und die Annahme des Gerätes verweigern könne, weshalb die klagende Partei die Zahlung des Kaufpreises nicht begehren könne.
Die gegen dieses Ersturteil erhobene Berufung der klagenden Partei blieb erfolglos.
Das Berufungsgericht fand das Verfahren mangelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und vertrat die Rechtsansicht, daß die Rechtswirksamkeit eines Abzahlungsgeschäftes nicht von der Errichtung, demnach auch nicht von der Ausfolgung einer Abschrift des Ratenbriefes an den Käufer abhänge. Das an sich rechtswirksame Abzahlungsgeschäft bleibe aber bis zur Übergabe einer Abschrift des Ratenbriefes an den Käufer in einer Art Schwebezustand. Im vorliegenden Fall habe die klagende Partei als Verkäuferin den vorgeschriebenen Ratenbrief dem Beklagten als Käufer nicht übergeben. Das Rücktrittsrecht stehe diesem noch offen. Wohl schreibe das Gesetz die Schriftlichkeit der Rücktrittserklärung vor. Diese Schriftlichkeit könne aber, sofern die Frist, wie hier, noch nicht verstrichen sei, durch eine Prozeßerklärung ersetzt werden. Dies sei hier geschehen, denn der Beklagte habe den Antrag auf Abweisung des Klagebegehrens in der mündlichen Streitverhandlung gestellt. Dieser Antrag sei als Rücktrittserklärung zu werten, und dadurch sei der Kaufvertrag aufgelöst. Habe die klagende Partei die ihr obliegende Formvorschrift nicht erfüllt, nämlich dem Beklagten eine Abschrift des Ratenbriefes ausgehändigt, so könne dieser, zu dessen Schutz das Ratengesetz in erster Linie gedacht sei, deswegen nicht schlechter gestellt werden, indem er diesfalls nur durch schriftliche Erklärung vom Vertrag zurücktreten könnte. Es müsse dem Beklagten also gestattet sein, die Rücktrittserklärung in einem Fall wie dem vorliegenden in Form einer Prozeßerklärung abzugeben. Die Verschiebung des Liefertermins auf den 1. Juli 1963 durch die Gattin des Beklagten in dessen Auftrag vermöge an der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes nichts zu ändern, weil ein Recht des Käufers auf Ausfolgung einer Abschrift des Ratenbriefes ebenso wie das Recht auf Rücktritt gemäß § 15 (1) Z. 11 bzw. (1) Z. 3 RatG. unverzichtbar sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht anläßlich der Aufhebung des ersten Urteils des Erstgerichtes wegen Mangelhaftigkeit hinsichtlich eines vom Erstgericht rechtlich noch nicht gewürdigten Sachverhaltes eine bestimmte Rechtsansicht ausgesprochen hat. Die Revision ist aber unbegrundet.
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die klagende Partei habe zu beweisen, daß dem Beklagten eine Abschrift des Ratenbriefes ausgefolgt worden sei, ist unbedenklich. Die klagende Partei vermag für ihre gegenteilige Rechtsansicht keine gesetzliche Grundlage und keinen vernünftigen Grund anzugeben. Die klagende Partei hat aus ihrer Behauptung, sie habe dem Beklagten bereits eine Abschrift des Ratenbriefes ausgefolgt, Rechte abgeleitet und ist daher für diesen Umstand beweispflichtig. Hingegen ist es Sache eines Beklagten, der behauptet, innerhalb der fünftägigen Rücktrittsfrist des § 4 (1) RatG. vom Vertrag zurückgetreten zu sein, die Einhaltung dieser Frist zu beweisen.
Auf die weitere in der Revision angeschnittene Frage, ob der Beklagte rechtswirksam seinen Rücktritt auch durch eine Prozeßhandlung erklären könnte, muß nicht eingegangen werden, weil dem Beklagten nach den getroffenen Feststellungen eine Abschrift des Ratenbriefes noch nicht zugestellt wurde und daher, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, die fünftägige Frist für eine allfällige Rücktrittserklärung noch gar nicht in Gang gesetzt ist. Dem Käufer steht, wie hier, ein Rücktrittsrecht im Sinne des § 4 (1) RatG. zu, weil der Kaufvertrag außerhalb der vom Verkäufer für seine geschäftlichen Zwecke dauernd benutzten Räume abgeschlossen wurde, und diese fünftägige Frist wird, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, erst durch die Übergabe einer Abschrift des Ratenbriefes in Gang gesetzt. Auf das Recht des Rücktrittes und auf die Ausfolgung einer Abschrift des Ratenbriefes kann rechtswirksam nicht verzichtet werden (§ 15 (1) Z. 3 und 11 RatG.). Diese Bestimmungen können in ihrem Zusammenhang, wenn man den Zweck des Gesetzes (Schutz des Ratenkäufers vor übereilten Bestellungen bei Kaufabschlüssen außerhalb der Geschäftsräume des Verkäufers) bedenkt, nur dahin verstanden werden, daß zwar trotz Nichterrichtung eines Ratenbriefes das Abzahlungsgeschäft rechtswirksam zustande gekommen ist (§ 10 (3) RatG.), daß aber der Verkäufer den Anspruch auf Bezahlung des Kaufpreises nicht geltend machen kann, bevor er nicht dem Käufer eine Abschrift eines ordentlich errichteten Ratenbriefes ausgefolgt hat und die fünftägige, dem Käufer offenstehende Rücktrittsfrist verstrichen ist. Andernfalls hätte der Verkäufer die Möglichkeit, durch Nichtausfolgung einer Abschrift des Ratenbriefes den nicht über sein Rücktrittsrecht nach § 4 (1) RatG. belehrten Käufer (§ 10 (1) Z. 10 RatG.) durch vorzeitige Einklagung um den dem Käufer vom Gesetzgeber zugedachten Schutz zu bringen. Solange der Verkäufer mit seiner Verpflichtung, dem Käufer eine Abschrift des Ratenbriefes auszufolgen, in Verzug ist, kann er vom Käufer auch nicht verlangen, daß dieser seine Verpflichtung erfüllt und den Kaufpreis zahlt (vgl. § 1052 ABGB.). Auf die rechtliche Möglichkeit, noch immer vom Kauf zurücktreten zu können, hat der Beklagte im Zuge des Rechtsstreites wiederholt hingewiesen.
Schließlich hat die klagende Partei in der Revision noch darauf hingewiesen, daß der Liefertermin einvernehmlich auf den 1. Juli 1963 verschoben worden sei. Damit habe der Beklagte auf den Rücktritt vom Vertrag ausdrücklich verzichtet. Mit der Unterfertigung der Erklärung, "Terminverschiebung bis 1. Juli einverstanden", auf Beilage C durch die Gattin des Beklagten als dessen Bevollmächtigte, hat der Beklagte nicht auf sein Recht, vom Vertrag zurücktreten zu können, verzichtet. Dieser Erklärung kann nur entnommen werden, daß der Kaufvertrag in einem Punkt, nämlich hinsichtlich des Zeitpunktes der Lieferverpflichtung der klagenden Partei, abgeändert wurde. Damit ist aber die klagende Partei nicht von ihrer Verpflichtung befreit worden, dem Beklagten endlich eine Abschrift des Ratenbriefes auszufolgen. Ob der Beklagte nach Rechtsbelehrung gemäß § 10 (1) Z. 10 RatG. und nach Ingangsetzung der fünftägigen Frist nach § 4 (1) RatG. auf sein Rücktrittsrecht wirksam verzichten und damit die Rücktrittsfrist abkürzen kann, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil die klagende Partei ja einen Verzicht auf das Rücktrittsrecht vor schriftlicher Rechtsbelehrung durch Ausfolgung einer Abschrift des Ratenbriefes und damit vor Ingangsetzung der fünftägigen Frist des § 4 (1) RatG. für sich in Anspruch nimmt. Ein Verzicht vor diesem Zeitpunkt ist jedenfalls nach § 15 (1) Z. 3 RatG. unwirksam.
Anmerkung
Z39193Schlagworte
Beginn der Frist für den Rücktritt des Ratenkäufers nach § 4 (1) RatG., Frist für den Rücktritt des Ratenkäufers nach § 4 (1) RatG., Beginn, Ratenkäufer, Rücktritt nach § 4 (1) RatG., Beginn der Frist, Rücktritt des Ratenkäufers nach § 4 (1) RatG., Beginn der FristEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1966:0040OB00522.66.1115.000Dokumentnummer
JJT_19661115_OGH0002_0040OB00522_6600000_000