TE OGH 1967/9/6 6Ob229/67

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Veröffentlicht am 06.09.1967
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Norm

ABGB §1380
ZPO §204

Kopf

SZ 40/115

Spruch

Der Abschluß eines Vergleiches unter Vorbehalt des Widerrufes innerhalb einer bestimmten Frist ist zulässig. Die rechtzeitige Widerrufserklärung kann nicht zurückgewiesen werden.

Entscheidung vom 6. September 1967, 6 Ob 229/67.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Im Zuge des Verfahrens über die vom Kläger gegen die beklagte Partei geltend gemachten Forderungen von insgesamt 83.705 S s. A. schlossen die Streitteile am 26. September 1966 vor dem Prozeßgericht einen Vergleich dahin, daß sich die Beklagte verpflichtete, dem Kläger den Betrag von 4000 S in zwei Teilbeträgen von je 2000 S, die erste Rate am 31. Oktober 1966 und die zweite am 31. Dezember 1966 mit einem dreitätigen Respiro bei Terminverlust und Exekution zu bezahlen (Punkt 1). Mit diesem Vergleich sind die zwischen den Streitteilen etwa noch bestehenden vermögensrechtlichen Ansprüche und Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit in Zukunft gegenseitig aufgehoben (Punkt 2). Dieser Vergleich tritt in Kraft, falls er vom Kläger nicht bis 10. Jänner 1963 widerrufen werden sollte. Der Widerruf muß spätestens an diesem Tage bei Gericht eingelangt sein. Der Kläger kann den Vergleich nur widerrufen, falls die Beklagte den Betrag von 4000 S nicht längstens bis 3. Jänner 1963 bezahlt haben sollte (Punkt 3).

Nachdem der Kläger mit seinem am 10. Jänner 1963 beim Prozeßgericht überreichten Schriftsatz den Vergleich widerrufen hatte, ordnete das Erstgericht die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung an. Bei dieser wendete die Beklagte im wesentlichen ein, den Vergleich voll und ganz erfüllt zu haben. Sie habe die Zahlungen wohl nicht unmittelbar an den Kläger leisten können, da dessen Forderungen gegen sie gepfändet worden seien. Sie habe die Beträge daher zu Gericht erlegt. Sie beantragte Klagsabweisung.

Das Erstgericht wies mit seinem Beschluß "den Widerruf des Vergleiches" durch den Kläger zurück. Es stellte nach Durchführung der mündlichen Verhandlung im wesentlichen fest, die vom Kläger geltend gemachte Forderung sei mit den Beschlüssen des Bezirksgerichtes Gänserndorf vom 20. November 1964, vom 27. Juni 1966 und vom 18. Oktober 1966, zugunsten der vollstreckbaren Forderungen der betreibenden Parteien Republik Österreich, Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft und Republik Österreich (Einbringungsstelle beim OLG. Wien) von 2440 S, 1353.15 S und 818.80 S je s. A. gepfändet und diesen Gläubigern zur Einziehung überwiesen worden. Das Bezirksgericht Gänserndorf habe die von der Beklagten am 3. November und 19. Dezember 1966 bei der Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien erlegten Beträge von je 2000 S antragsgemäß zu Gericht angenommen, in der Folge als Erläge nach § 307 EO. behandelt und schließlich der Republik Österreich einen Teilbetrag von 2967 S und den Restbetrag von 1033 S der Pensionsanstalt der gewerblichen Wirtschaft überwiesen.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, da damit die Beklagte die geschuldeten Beträge vor dem Verfallstag (3. Jänner 1967) mit schuldbefreiender Wirkung erlegt habe, sei der Kläger zum Widerruf des Vergleiches nicht berechtigt gewesen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge, hob den Beschluß unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Die Bestimmung des Punktes 3 des Vergleiches, wonach die Beklagte bis 3. Jänner 1967 zu zahlen habe, die Wirksamkeit des Vergleiches aber bis 10. Jänner 1967 hinausgezogen sein solle, sei widersinnig, weil die Verpflichtete schon vor dem Ablauf der Widerrufsfrist zahlen müsse. Diese Bestimmung laufe darauf hinaus, daß die Wirksamkeit des Vergleiches entgegen seinem Wortlaut nicht bis zum Ende der Frist hinausgeschoben sei, sondern daß der Vergleich durch nicht fristgerechte Zahlung aufgehoben werden solle. Ein solcher Vergleich sei als Prozeßhandlung unzulässig und wirke nicht prozeßbeendigend. Die Zurückweisung seines Widerrufes mit der Wirkung, daß über den Klagsanspruch nicht entschieden werde, sei daher nicht möglich. Davon abgesehen werde ein gerichtlicher Vergleich als Prozeßhandlung durch rechtzeitigen Widerruf auch dann beseitigt, wenn das Widerrufsrecht an Bedingungen geknüpft sei. Ob die Bedingung, von der das Widerrufsrecht abhängig sei, eingetreten sei, könne nur meritorisch entschieden werden. Zu einer Prüfung der Wirksamkeit des Vergleiches als materiellrechtlichen Vertrages könne es allerdings nur auf Grund einer Einwendung, die Vergleichssumme bezahlt zu haben, kommen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der im Zuge des Rechtsstreites von den Parteien vor dem Prozeßgericht abgeschlossene und vom Gericht protokollierte Vergleich ist ein gerichtlicher Vergleich im Sinne des § 204 ZPO. Er hat, wie das Rekursgericht richtig hervorhob, zugleich den Charakter eines zivilrechtlichen Vertrages, der als solcher wirksam ist (Fasching, Komm. II S. 963, ZBl. 1937 Nr. 454, JBl. 1961 S. 365) und einer Prozeßhandlung. Als solche hat er prozeßbeendende Wirkung (Fasching, a. a. O., ZBl. 1927 Nr. 116, JBl. 1961 S. 365). Diese Wirkung tritt aber dann nicht ein, wenn der Vergleich auf Grund eines einer oder auch beiden Parteien eingeräumten Widerrufsrechtes rechtzeitig widerrufen wird. Was Prozeßhandlungen betrifft, können sie zwar nicht unter Bedingungen vorgenommen werden. Hinsichtlich des gerichtlichen Vergleiches hielt an diesem Grundsatz aber nur Pollak (System[2] S. 417) konsequent fest, während das übrige Schrifttum (Fasching a. a. O., S. 968 f.) in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung wohl einen Vergleich unter einer Resolutivbedingung für unzulässig, einen Vergleich unter einer Suspensivbedingung aber für zulässig erachtet. Soweit das Rekursgericht einen unzulässigen Vergleich, der auch nicht prozeßbeendigend wirkt, annahm, kann ihm nicht gefolgt werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die Streitteile vereinbarten, der Vergleich soll in Kraft treten, wenn er vom Kläger nicht bis 10. Jänner 1967 widerrufen werde. Damit wurde die Wirksamkeit des Vergleiches ausdrücklich von einem zukünftigen ungewissen Ereignis, dem Unterbleiben eines Widerrufes durch den Kläger, abhängig gemacht. Es handelt sich daher um einen suspensiv bedingten und damit um einen durchaus zulässigen Vergleich. Unter dem Gesichtspunkte einer Prozeßhandlung bestehen daher gegen den Vergleich keine Bedenken.

Der vom Kläger innerhalb der ihm eingeräumten Frist erklärte Widerruf des Vergleiches hat die Fortsetzung des Verfahrens zur Folge, wie das Erstgericht, das die mündliche Streitverhandlung anordnete und durchführte, auch richtig erkannte. Die rechtzeitige Widerrufserklärung konnte es aber in der Folge nicht mehr zurückweisen. Daß dem Kläger das Widerrufsrecht unter der vom Erstgericht nicht als erfüllt angesehenen Bedingung einer Säumnis der Beklagten in der Bezahlung der Vergleichssumme über den 3. Jänner 1967 hinaus eingeräumt war, ändert daran nichts. Die Nichteinhaltung dieser Bedingung durch die Beklagte hätte nur den Zerfall des Vergleiches als bürgerlich rechtlichen Vertrages der Streitteile zur Folge, sodaß der Kläger seine Gesamtforderung wieder geltend machen könnte, während für den Fall der rechtzeitigen Erfüllung durch die Beklagte der Vergleich aufrecht bliebe. Er gibt dann gegen die neuerliche Geltendmachung des Anspruches des Klägers eine materiellrechtliche Einwendung, die die inhaltliche Abweisung des Klagebegehrens zur Folge hat (SZ. XXII 52, EvBl. 1959 Nr. 115). In jedem Fall muß über das Klagebegehren aber mit Urteil erkannt werden.

Diese Einwendung hat die Beklagte aber, wie das Rekursgericht offenbar übersehen hat, erhoben. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 8. März 1967 brachte sie ausdrücklich vor, den Vergleich voll und ganz erfüllt zu haben und in der Sache Klagsabweisung zu beantragen. Da das Erstgericht auch ein umfassendes Verfahren durchführte, dessen Ergebnisse ihm immerhin auch ausreichten, in dem Verfahren eine, wenn auch formell verfehlte Entscheidung zu treffen, kann es ihm überlassen bleiben, ob es eine weitere mündliche Verhandlung für erforderlich hält.

Anmerkung

Z40115

Schlagworte

Bedingung, Vergleich, Resolutionsbedingung, Vergleich, Suspensivbedingung, Vergleich, Vergleich, bedingter, Vergleich Widerruf, Widerruf, bedingter Vergleich

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1967:0060OB00229.67.0906.000

Dokumentnummer

JJT_19670906_OGH0002_0060OB00229_6700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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