TE OGH 1967/11/10 2Ob292/67

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Veröffentlicht am 10.11.1967
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Norm

ABGB §1323

Kopf

SZ 40/144

Spruch

Jeder Geschädigte kann seinen Mehraufwand an Zeit und Geld zur Schadensbehebung ersetzt verlangen.

Die Republik Österreich (ÖBB.) ist daher berechtigt, einen Verwaltungskostenzuschlag zu den einzelnen Rechnungen, die von den mit der Reparatur beauftragten Unternehmen gelegt wurden, vom Schädiger zu begehren.

Entscheidung vom 10. November 1967, 2 Ob 292/67.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die klagende Partei, Republik Österreich (Österr. Bundesbahnen), hat in der Klage behauptet, daß am 19. November 1963 durch einen im Eigentum der beklagten Partei stehenden "Stockautobus" das Blechdach zwischen dem Büffet des Autobusbahnhofes der Österreichischen Bundesbahnen und dem Stellwerk 11 des Südbahnhofes beschädigt worden sei. Die beklagte Partei habe ihre Schadenersatzpflicht dem Gründe nach anerkannt und auch die Reparaturkosten von 67.283 S beglichen. Sie habe jedoch die Bezahlung des in Rechung gestellten zwölfprozentigen Verwaltungskostenzuschlages zu den einzelnen Firmenrechnungen abgelehnt. Dieser Verwaltungskostenzuschlag sei der beklagten Partei entsprechend der Dienstanweisung der Generaldirektion der Österreichischen Bundesbahnen in Rechnung gestellt worden. Darin sei auch die Umsatzsteuer von 5.25% inbegriffen gewesen. Da sich erst nachträglich herausgestellt habe, daß es sich nicht um umsatzsteuerpflichtige Leistungen gehandelt habe, habe sie dies bei der Berechnung ihrer Forderung berücksichtigt. Es ergebe sich daher noch der Verwaltungskostenzuschlag von 4033 S, den die beklagte Partei zu bezahlen habe. Dieser Zuschlag umfasse alle anläßlich der Ausschreibung, der Vergebung, der Abrechnung, der Prüfung und der Abnahme der in Auftrag gegebenen Reparaturleistungen sowie die durch die sonstigen damit verbundenen Verwaltungs- und Kassatätigkeit entstandenen Selbstkosten. Bei dem Pauschalbetrag von 12% handle es sich um einen mittleren Erfahrungswert, mit welchem die vorerwähnten im einzelnen nicht erfaßbaren und nachweisbaren Leistungen der Klägerin in angemessener Weise abgegolten werden sollen.

Die beklagte Partei hat Klagsabweisung begehrt und eingewendet, daß sich das Begehren auf Zahlung eines Verwaltungskostenzuschlages lediglich auf interne Dienstanweisungen und Dienstvorschriften (DV. 226) stütze und diese Anweisungen nach außen hin in keiner Weise maßgebend seien. Es bleibe der klagenden Partei vorbehalten, die ihr tatsächlich erwachsenen Auslagen zu konkretisieren und zu beweisen.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Es war der Meinung, daß der klagenden Partei ein positiver Schaden nicht entstanden sei. Die Tatsache, daß durch die Vergebung der Reparaturarbeiten ein erhöhter Arbeits- und Verwaltungsaufwand entstanden sei, sei noch keineswegs geeignet, daraus einen Anspruch auf Ersatz eines Schadens abzuleiten, zumal die im Dienstpostenplan vorgesehenen Beamten der Österreichischen Bundesbahnen mit den einschlägigen Arbeiten befaßt gewesen seien.

Das Berufungsgericht hat der Berufung der klagenden Partei Folge gegeben und das erstgerichtliche Urteil dahin abgeändert, daß es die beklagte Partei schuldig erkannt hat, der klagenden Partei den Verwaltungskostenzuschlag von 4033 S zu bezahlen. Es war der Ansicht, daß der Eisenbahnbetrieb eine privatwirtschaftliche Tätigkeit der klagenden Partei sei und daß es sich dabei um ein Unternehmen handle, das auf die Erzielung eines Gewinnes ausgerichtet sei. Kraft ihrer eigentümlichen Stellung müßten die Österreichischen Bundesbahnen in den Fällen, in denen sie von Dritten geschädigt werden, eigene Leute, seien es nun Arbeiter oder Beamte, zur Verfügung halten (§ 269 ZPO.). Es könne ihnen nicht zugemutet werden, den Aufwand für diese Tätigkeit selbst zu tragen. Der Schaden der Österreichischen Bundesbahnen bestehe daher in dem für diese Leute aufgewendeten Lohn, deren Arbeitsleistungen ihr selbst nicht zugutekommen. Es sei nur eine pauschale Berechnung dieses Schadens möglich. Die Österreichischen Bundesbahnen unterhielten einen großen Betrieb, in welchem fortlaufend und in einem nicht unerheblichen Umfang Schäden durch Dritte verursacht werden, welche in eigener Regie oder durch fremde Arbeitskräfte beseitigt werden müßten. Die ihr dadurch entstehenden Mehrkosten könne sie ersetzt verlangen (VAE. 1942, 70, 111, 112, 180). Zu demselben Ergebnis gelange man, wenn man im Sinne der Rechtsprechung (JBl. 1959 S. 209) davon ausgehe, daß der geschädigte Gewerbetreibende, der den Schaden selbst behebt, nicht nur seine tatsächlichen Auslagen, sondern auch den geschäftsüblichen Reingewinn ersetzt verlangen könne. Daraus müsse gefolgert werden, daß der Schädiger auch sogenannte Gemeinkostenzuschläge zu ersetzen habe, die einen vom Geschädigten gemachten, exakt aber nicht meßbaren Aufwand betreffen. Seien aber Beamte der Österreichischen Bundesbahnen zu Arbeiten für die Schadensbeseitigung herangezogen worden, die für andere Arbeiten vorgesehen gewesen seien, so seien dadurch andere Arbeiten frustriert worden, wofür der Schädiger ersatzpflichtig sei (ZVR. 1967 Nr. 167). Der Anspruch der klagenden Partei sei daher dem Gründe nach gegeben, die Höhe des Anspruches sei nach § 273 ZPO. festzusetzen gewesen. Der begehrte Verwaltungskostenzuschlag von 4033 S sei bei einem Aufwand von 67.000 S angemessen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die beklagte Partei steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß der geltend gemachte Anspruch nicht zu Recht bestehe, weil ein positiver Schaden nicht eingetreten sei. Aus einem erhöhten Arbeits- und Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit dem Schadensfall könne der geltend gemachte Anspruch nicht abgeleitet werden. Der klagenden Partei sei dadurch kein Schaden entstanden, daß ein technischer Beamter der Österreichischen Bundesbahnen im Zusammenhang mit dem Schadensfall tätig werden mußte. Der Schädiger sei nicht verpflichtet, nach Schadenseintritt je nach der Struktur des geschädigten Betriebes zusätzlich für den Aufwand zu haften, der ausschließlich in der Organisation des geschädigten Unternehmens liege. Die klagende Partei habe auch keinen Beweis für einen Aufwand im einzelnen erbracht.

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig. Das Berufungsgericht hat bereits zutreffend auf die inländische und ausländische Rechtsprechung und die Lehrmeinungen zu dieser Frage hingewiesen (Geigel, Der Haftpflichtprozeß[13], 4/26, S. 48 ff., ZVR. 1957 Nr. 92, ZVR. 1967 Nr. 167, VAE. 1942, 70, 111, 112, 180), die die Auffassung, der Anspruch der klagenden Partei auf Ersatz ihrer Unkosten in Form eines pauschalierten Verwaltungskostenzuschlages sei gerechtfertigt, stützen. Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung JBl. 1959 S. 209 den Standpunkt eingenommen hat, der Schädiger habe dem Geschädigten, der den Schaden in seinem eigenen Betrieb behoben hat, auch den geschäftsüblichen Reingewinn zu vergüten, der mit einer solchen Arbeit verbunden ist. Dabei war der Gedanke ausschlaggebend, daß der Geschädigte, wenn er den Schaden nicht in seinem eigenen Betrieb behoben hätte, in der hiezu aufgewendeten Zeit andere gewinnbringende Arbeiten hätte leisten können.

Auf derselben Linie liegt der in ZVR. 1967 Nr. 167 entschiedene Fall, in welchem der Post- und Telegraphenverwaltung wegen Beschädigung eines Fernmeldekabels auch der mit dem Ausfall des Kabels für eine bestimmte Zeit verbundene Gebührenentgang als Schadenersatz zuerkannt wurde.

Diese Erwägungen führen zu der grundsätzlichen Annahme, daß nicht nur jeder Unternehmer, der Arbeitskräfte seines Betriebes freistellt, um den Schaden selbst zu beheben, den Mehraufwand ersetzt verlangen kann, sondern daß auch jeder andere Geschädigte, der Zeit und Geld im Zusammenhang mit der Behebung des Schadens aufwenden muß, den Ersatz dieses Mehraufwandes vom Schädiger begehren kann.

Wenn nun, wie im vorliegenden Fall feststeht, von den geschädigten Österreichischen Bundesbahnen Verwaltungsaufwendungen gemacht werden mußten, die im Zusammenhang mit dem Schadensfall stehen und wenn dadurch Arbeitskräfte dem Betrieb der Österreichischen Bundesbahnen entzogen wurden, so ist ihnen damit ein wirklicher Schaden im Zusammenhang mit dem Schadensfall entstanden, der der klagenden Partei vom Schädiger zu ersetzen ist. Da es aber nicht nur mit großen Schwierigkeiten, sondern wieder nur mit einem weiteren Verwaltungsaufwand verbunden wäre, den Aufwand für jeden einzelnen Schadensfall gesondert festzustellen, erscheint es auch im Interesse des Schädigers gelegen, diesen Schaden mit einem Pauschalbetrag abzugelten. Der von der klagenden Partei begehrte 12%ige Verwaltungskostenzuschlag zu den einzelnen Rechnungsbeträgen erscheint nicht zu hoch gegriffen.

Anmerkung

Z40144

Schlagworte

Mehraufwand, Ersatz des - zur Schadensbehebung Österreichische Bundesbahnen, Verwaltungskostenzuschlag für Schadensbehebung Schadenersatz, Mehraufwand zur Schadensbehebung Schadenersatz, Verwaltungskostenanschlag der ÖBB. Schadensbehebung, Ersatz des Mehraufwandes zur -, Verwaltungkostenzuschlag der ÖBB. Verwaltungskostenzuschlag der ÖBB. für Schadensbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1967:0020OB00292.67.1110.000

Dokumentnummer

JJT_19671110_OGH0002_0020OB00292_6700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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