TE OGH 1967/11/28 4Ob337/67

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Veröffentlicht am 28.11.1967
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Norm

Glückspielverordnung §11
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §28

Kopf

SZ 40/153

Spruch

Ausnützung der Spielsucht des Publikums zur Förderung des Absatzes von Waren (psychologischer Kaufzwang), § 1 UWG.

Entscheidung vom 28. November 1967, 4 Ob 337/67.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das klagende Landesgremium des Radio- und Elektrohandels beantragt, zur Sicherung eines gleichlautenden auf § 1 UWG. gestützten Klagebegehrens die Erlassung der einstweiligen Verfügung, es werde die unentgeltliche Ausgabe von Drucksorten, die bei Vorweisung zweier infolge des Vorhandenseins bestimmter Merkmale zueinander passender Drucksorten unter der weiteren Voraussetzung der richtigen Beantwortung einer Rätselfrage, oder auch ohne diese Voraussetzung durch Auszahlung eines Gewinnes honoriert werden, wobei die nicht durch Auszahlung eines Gewinnes honorierten Exemplare nach einem Punktesystem zum tatsächlich oder angeblich verbilligten Einkauf von Elektrogeräten aus dem Sortiment einer anderen, in den Ankündigungen der beklagten Partei genannten Firma verwendet werden können, verboten, soweit die Ausgabe dieser Drucksorten vorwiegend durch die von der beklagten Partei betriebenen oder von ihr mit Treibstoffen oder Ölen belieferten Tankstellen erfolgt.

Das Erstgericht entsprach diesem Antrag. Der Entscheidung lag folgendes unbestrittenes Vorbringen der klagenden Partei zugrunde:

Die Beklagte habe in der Zeit vom April bis Mai 1967 unter dem Werbeslogan "Mach Geld bei SÜ" mit dem Ziel einer Steigerung ihres Umsatzes ein Spiel veranstaltet, daß darin bestanden habe, daß an allen von ihr selbst betriebenen oder belieferten Tankstellen Briefumschläge ausgegeben worden seien, von denen jeder einen halben Kupon, lautend auf 20, 50, 100, 500, 1000 oder 5000 S enthalten habe. Jeder dieser Kupons habe eine Hälfte eines charakteristischen österreichischen Landschaftsbildes gezeigt und es habe das Zusammenfügen zusammengehöriger Kuponhälften das vollständige Landschaftsbild ergeben. Die Kuponhälften hätten denselben Nennbetrag links und rechts oben aufgewiesen. Auf der Rückseite der Kuponhälften seien die Erläuterung des Spiels und die Zusage abgedruckt gewesen, wonach demjenigen, der zwei zueinander passende Kuponhälften bei einer S.-Tankstelle vorweise oder der Beklagten einsende und die Frage, welches Bauwerk oder welche Landschaft auf der Vorderseite des vollständigen Kupons abgebildet sei, richtig beantworte, jener Geldbetrag bar ausbezahlt werde, auf den die Kupons bzw. Kuponhälften lauten. Nach den so verlautbarten Spielregeln sei die Ausgabe der Kuponhälften nicht vom gleichzeitigen Kauf einer bestimmten Treibstoff- oder Ölmenge abhängig gemacht worden; es sei auch die theoretische Möglichkeit vorgesehen gewesen, brieflich um Zusendung solcher Kuponhälften bei der Beklagten zu bitten. Praktisch sei aber die Ausgabe der Kuponhälften so gut wie ausschließlich an den Tankstellen erfolgt. Die Beklagte habe jedoch, nachdem die Ausgabe der Kupons einige Wochen gelaufen sei, zusätzlich in Zeitungsinseraten verlautbart, daß die Inhaber derjenigen Kuponhälften, die keinen zu ihren Kupons passenden Kupon als Ergänzung in ihren Besitz bringen konnten, die Möglichkeit hätten, die in ihren Händen befindlichen Kuponhälften nach einem Punktesystem zum verbilligten Einkauf verschiedener Waren aus dem Sortiment der Firma G. zu verwenden. Das Erstgericht nahm ferner als bescheinigt an, daß von der Beklagten seit der mit 21. Mai 1967 beendeten Spielaktion "Mach Geld bei S." bei den S.- Tankstellen ein Katalog aufliege, mit dem aus dem Sortiment der Firma G. 32 Artikel des täglichen Lebens ("vom Fernseher bis zum Kochtopf"), von denen ein Teil in das Verkaufsprogramm der Elektrofachhändler falle, zu stark reduzierten Preisen allen Kraftfahrern angeboten würden, die mit ihren während der Spielaktion erworbenen Kupons keinen Bargeldpreis gemacht hätten. Die Beklagte verweise auf der ersten Seite dieses Katalogs darauf, daß die Kraftfahrer auf diese Art noch einen Gewinn verzeichnen könnten, weil sie die zu tief reduzierten Preisen angebotenen Geräte dann bei ihr beziehen könnten, wenn sie die in ihren Händen noch befindlichen, nicht zum Zuge gekommenen Kuponhälften mit jenem Nominale bei der Bestellung einsenden, das bei den Einzelgeräten in Punktebewertung, errechenbar nach dem ebenfalls abgedruckten Punkteschlüssel, abgedruckt sei. Im Katalog befinde sich auch ein Bestellkartenvordruck, der zur Bestellung eines Gerätes unter Anschluß der entsprechenden Kuponnominale Verwendung finden solle. Diese Bestellkarte sei an die Beklagte per Schließfach 60 beim Postamt 1015. Wien I., Krugerstraße, einzusenden, worauf die Lieferung der Ware gegen Nachnahme, falls die Bestellung mit 31. Juli 1967 (Poststempel) erfolgt sei, frachtfrei Bahnhof bzw. Postamt inklusive Verpackung zugesagt sei. Die bei der Beklagten auf diese Weise einlangenden Einzelbestellungen würden an die Firma G. zwecks Expedits auf Namen und Rechnung der Beklagten weitergeleitet und die Einzelsendung mit einer auf die Beklagte lautenden Klebeetikette zur Kennzeichnung des Absenders versehen. Die Nachnahmegelder der Kunden würden auf das bei der Creditanstalt-Bankverein für die Beklagte eingerichtete Konto laufen. Die Firma G. verrechne die auf diese Weise verwendeten Waren in regelmäßigen Abständen mit der Beklagten. Diese publiziere ihr Sonderangebot in Zeitungsinseraten.

Das Erstgericht meinte, es sei sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG., daß die branchenfremde Beklagte den Mitgliedern der Klägerin die Kunden durch tief reduzierte Preise der von ihr angebotenen Elektrogeräte abwerbe, um auf diese Weise die an Elektrogeräten interessierten Kunden an sich zu binden und durch diese Aktion sich eine fortgesetzte Aufmerksamkeit auf ihre eigenen Waren zu sichern.

Das Rekursgericht wies die beantragte einstweilige Verfügung ab. Die wesentlich verbilligte Abgabe der Ware durch die Beklagte sei, entgegen der Ansicht der Klägerin, nicht sittenwidrig, weil eine Preisunterbietung nur unter besonderen Begleitumständen sittenwidrig sei. Selbst der Verkauf unter den Gestehungskosten sei zulässig, wenn dies aus Werbegrunden geschehe und der Mitbewerber nicht darauf ausgehe, durch systematisches Unterbieten seine Konkurrenten vom Markt zu verdrängen. Ein solches Ziel könne der beklagten Partei nicht unterstellt werden. Der erkennbare Sinn der Sonderaktion der Beklagten sei, bei den Besitzern der bei der Preisrätselveranstaltung nicht zum Zuge gekommenen Gutscheinhälften an Stelle der darüber entstandenen Enttäuschung eine günstige Stimmung für die Beklagte und ihre Produkte zu erwecken. Das sei durchaus zulässig. Die Ausgabe der Gutscheinhälften sei nicht unter einem psychologischen Kaufzwang erfolgt. Es sei wohl das Publikum bei der Ankündigung des Preisausschreibens über die Gewinnchancen im unklaren geblieben, weil nicht gesagt worden sei, wie viele zusammenpassende Stücke ausgegeben werden. Die Klage bezwecke aber nicht die Untersagung einer solchen Ankündigungsart; es werde auch nicht beanstandet, daß nach dem Prospekt ein Lieferanspruch gegen die Beklagte nicht bestehe, so daß es in deren Willkür gelegen sei, die Bestellung auszuführen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Partei Folge und bewilligte nach Verdeutlichung des Wortlautes die einstweilige Verfügung.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die klagende Partei hat von Anfang an den Standpunkt vertreten, daß Preisausschreiben und Preisrätsel, die zu Zwecken des Wettbewerbes gratis veranstaltet werden, gegen § 1 UWG verstoßen, wenn die Teilnahme am Preiswettbewerb irgendwie mit dem Warenabsatz verkoppelt sei. Als sittenwidrig gelte die Veranstaltung eines Preiswettbewerbes, wenn die Spiellust des Publikums zu dem Zweck ausgenützt werde, um den Warenabsatz zu fördern. Wenn der Teilnehmer am Preisausschreiben annehme, es sei günstiger für ihn, die Ware zu kaufen, oder wenn durch das Preisausschreiben ein psychologischer Kaufzwang ausgeübt werde, verstoße das Preisausschreiben gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Diese allgemeinen Ausführungen der klagenden Partei entsprechen der Judikatur und dem Schrifttum (vgl. Hohenecker - Friedl, S. 70 f., Baumbach - Hefermehl[9] I, S. 334).

Wenn das von der beklagten Partei veranstaltete Spiel "Mach Geld bei S." darauf geprüft wird, ob es die Spielleidenschaft des kraftfahrenden Publikums in unlauterer Weise für die geschäftlichen Zwecke der beklagten Partei ausgenützt hat, ergibt sich zunächst, daß die beklagte Partei in erster Linie die Vermehrung des Absatzes der von ihr vertriebenen Treibstoffe und Öle im Auge hatte. Durch die Ausgabe verschlossener Briefumschläge mit halben Kupons, die auf verschiedene Geldbeträge lauteten und verschiedene österreichische Landschaftsbilder aufwiesen und zu denen der Empfänger der Kupons die dazu gehörige andere Hälfte des entsprechenden Kupons suchen mußte, um den versprochenen eingedruckten Geldbetrag von der beklagten Partei zu erhalten, sollte die Spielleidenschaft des angesprochenen Publikums angefacht werden. Es ist allerdings als bescheinigt angenommen worden, daß die verschlossenen Kupons nicht nur bei den Tankstellen der beklagten Partei ausgegeben worden sind, sondern daß jeder Kraftfahrer Kupons auch schriftlich bei der beklagten Partei anfordern konnte. Es war auch nicht Voraussetzung für den Bezug eines Kupons, daß der Empfänger Treibstoff oder Öl bezog. Wenn es auch richtig sein mag, daß Kupons auch schriftlich bei der beklagten Partei von Kraftfahrern bezogen wurden und daß ein Teil des Publikums beim Empfang der Kupons an den Tankstellen der beklagten Partei dieser keine Produkte abnahm, kann nicht übersehen werden, daß immer noch ein erheblicher Teil der Kraftfahrer die Kupons direkt bei einer Tankstelle bezogen hat und durch die unmittelbare Berührung mit der Verkaufsorganisation der beklagten Partei in eine psychische Zwangslage geraten ist, weil es diese Kraftfahrer wegen der von der beklagten Partei in Aussicht gestellten Vorteile als ihre Anstandspflicht ansehen mußten, gleichzeitig Treibstoff oder Öl abzunehmen. Gerade durch die Entfachung der Spielsucht des Publikums sollte der Absatz der Waren der beklagten Partei direkt gefördert und nicht nur - wie die beklagte Partei glauben machen will - auf ihre Waren aufmerksam gemacht werden. Dies aber verstieß gegen die Bestimmungen der §§ 1, 28, 34 (2) UWG., §§ 1, 3 Glückspielvdg. vom 25. Mai 1950, BGBl. Nr. 137, weil die Spiellust zumindest eines erheblichen Teils des Publikums nicht zu dem Zweck ausgenützt werden darf, um den eigenen Warenabsatz zu fördern.

Das dargestellte wettbewerbswidrige Verhalten der beklagten Partei kann freilich gemäß § 14 UWG. primär nur geltend gemacht werden von einem Unternehmer, der Waren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt, oder von Vereinigungen zur Förderung wirtschaftlicher Interessen derartiger Unternehmer. Die klagende Partei gehört nicht zu diesem Kreis der Klageberechtigten. Die beklagte Partei hat aber ihr Spiel "Mach Geld bei S." dadurch ausgeweitet, daß sie denjenigen Teilnehmern, die vergeblich einen Geldpreis zu machen versucht hatten, die Verwertung der nicht zum Zug gekommenen Kupons je nach dem eingedruckten Geldbetrag beim Ankauf von Waren aus dem Sortiment der Firma G., darunter auch Elektrogeräten, mit denen sich die beklagte Partei eingedeckt hatte, ermöglicht hat. Auch dieser Warenbezug stand im ursächlichen Zusammenhang mit der von der beklagten Partei erregten Spielleidenschaft, da der verheißene verbilligte Bezug dieser Waren, der zum Versprechen der Bezahlung eines Gewinnbetrages hinzutrat, zum Bezug von Kupons zusätzlich anspornte und es da wieder vom Zufall abhing, ob der Teilnehmer einen Kupon mit einem niedrigen oder höheren eingedruckten Geldbetrag erhielt. Jedenfalls war der verheißene verbilligte Bezug der fremden Waren ein wesentliches Element des gesamten Spieles, wenn es auch erst während dessen Dauer hinzugetreten ist. Auch beim Bezug der Elektrogeräte war die Spiellust des Publikums der den Absatz fördernde Faktor, weil sich die Teilnehmer beim Bezug der Kupons einen möglichst hohen eingedruckten Geldbetrag erhofften, der zum besonders verbilligten Warenbezug berechtigen würde. Wenn auch die beklagte Partei das Spiel in erster Linie zur Förderung des Absatzes ihrer eigenen Produkte organisiert hat, war sie doch auch am Absatz der von der Firma G. bezogenen fremden Waren interessiert, weil sie nach dem Ergebnis des Bescheinigungsverfahrens möglichst vielen enttäuschten Teilnehmern, die bei der Geldverteilung nicht zum Zuge gekommen waren, einen Ersatz bieten wollte. Auch dieses Vorgehen der beklagten Partei ist wegen der Verquickung des Warenabsatzes mit der Spiellust als sittenwidrig anzusehen, und zwar nicht nur in isolierter Betrachtung, sondern wegen des unlösbaren Zusammenhanges im gesamten Umfang des Spieles. Wegen dieses Zusammenhanges ist die klagende Partei, die die Interessen des Radio- und Elektrohandels vertritt, legitimiert, das gesamte Spiel der beklagten Partei als sittenwidrig zu bekämpfen.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Annahme des Berufungsgerichtes, die Gutscheinhälften seien zur Zeit der Ankündigung des Sonderangebotes der aus dem Sortiment der Firma G. stammenden Waren schon vollständig ausgegeben gewesen, mit den vorliegenden Bescheinigungsmitteln nicht übereinstimmt.

Danach wurde in den "Oberösterreichischen Nachrichten" vom 8. Mai 1967 mitgeteilt, daß das große Spiel "Mach Geld bei S." am 22. Mai 1967 ende, daß bis zu diesem Tag noch die Chance bestehe, Kupons zu ergänzen oder neu zu sammeln, und daß die Kupons noch bis zum 1. Juni 1967 eingelöst würden. Dann folgt das "einmalige Sonderangebot".

Das gesamte Verhalten der beklagten Partei war wettbewerbswidrig. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Elektrogeräte wirklich verbilligt waren, wie die beklagte Partei angekundigt hat, oder ob dies nicht der Fall war, wie die klagende Partei annimmt. Denn die Sittenwidrigkeit des "Spieles" der beklagten Partei lag schon darin, daß der Absatz der Waren durch die wettbewerbswidrige Ausnutzung der Spielfreude des Publikums gefördert werden sollte. Waren die angekundigten Preise der Elektrogeräte aber entgegen der Mitteilung der beklagten Partei in Wahrheit nicht verbilligt, läge darin auch noch eine wahrheitswidrige Anpreisung nach § 2 UWG.

Auf die Frage, ob die Werbung der beklagten Partei auch eine verbotene Rabattankündigung enthalten hat, war nicht einzugehen, weil die klagende Partei ihre Klage und den Antrag, eine einstweilige Verfügung zu erlassen, nur auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestützt hat.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und der angefochtene abweisende Beschluß des Rekursgerichtes dahin abzuändern, daß die vom Erstgericht bewilligte einstweilige Verfügung wieder herzustellen war. Dem Spruch war hiebei eine deutlichere Fassung zu geben.

Anmerkung

Z40153

Schlagworte

Kaufzwang, psychologischer, Ausnützung der Spielsucht, unlauterer, Wettbewerb, Psychologischer Kaufzwang, Ausnützung der Spielsucht, unlauterer, Wettbewerb, Sittenwidrigkeit nach § 1 UWG., Ausnützung der Spielsucht zur Förderung, des Warenabsatzes, Spielsucht, Ausnützung zur Förderung des Warenabsatzes, unlauterer, Wettbewerb, Unlauterer Wettbewerb, Ausnützung der Spielsucht zur Förderung des, Warenabsatzes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1967:0040OB00337.67.1128.000

Dokumentnummer

JJT_19671128_OGH0002_0040OB00337_6700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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