TE OGH 1968/3/20 2Ob27/68

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Veröffentlicht am 20.03.1968
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Norm

ABGB §1327

Kopf

SZ 41/31

Spruch

Der Ausdruck "alle Kosten" in § 1327 ABGB. bezieht sich nur auf diejenigen Kosten, welche die Tötung dem Ersatzberechtigten verursacht.

Entscheidung vom 20. März 1968, 2 Ob 27/68.

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Am 27. August 1965 ist der vom Kläger gelenkte PKW mit dem vom Beklagten geführten LKW in S. zusammengestoßen. Dabei sind der Kläger und die im PKW mitfahrende Gattin des Klägers verletzt worden; die Letztgenannte ist an den Unfallsfolgen nach drei Tagen gestorben. Der Kläger behauptet das Alleinverschulden des Beklagten an diesem Verkehrsunfalle und macht daraus in diesem Prozeß eine Forderung von 16.000 S s. A. geltend; der Beklagte hafte aus grobem Verschulden und zufolge der Begehung einer durch das Strafgesetz verbotenen Handlung; der Kläger sei in seiner seinerzeitigen Beschäftigung als Bankangestellter bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten pensionsversichert gewesen und habe diese Versicherung freiwillig fortgesetzt, um seiner Gattin eine Witwenversorgung zu sichern; durch die von ihm erbrachten Leistungen wäre seiner Gattin eine lebenslängliche Witwenversorgung in der Höhe einer aufwertbaren Monatsrente von 850 S zuzüglich der freien ärztlichen Betreuung gesichert gewesen; durch das schuldhafte Verhalten des Beklagten seien die Leistungen des Klägers frustriert worden; der Vermögenswert dieser Leistungen betrage mindestens 16.000 S; deren Ersatz werde vom Beklagten gefordert.

Die beklagte Partei hat das bezeichnete Begehren dem Gründe und der Höhe nach bestritten; den Kläger treffe am Verkehrsunfall ein mit 75% zu wertendes Mitverschulden; grobe Fahrlässigkeit liege dem Beklagten nicht zur Last; die Voraussetzungen für einen Ersatzanspruch nach § 1327 ABGB. seien nicht gegeben; dem Kläger sei durch die Einzahlung von Pensionsversicherungsbeiträgen ein Schade nicht entstanden, da ihm der Rentenanspruch aus der Sozialversicherung weiterhin zustehe; soweit der getöteten Gattin des Klägers ein Schade erwachsen sei, weil sie nicht in den Genuß der Witwenversorgung gelange, gehe ein Ersatzanspruch auf den Kläger nicht über; ein Rückvergütungsanspruch sei nicht gegeben.

Das Erstgericht hat Beweise nicht aufgenommen und das Klagebegehren puncto 16.000 S s. A, "als nicht schlüssig" abgewiesen. Unter den Begriff der KOSTEN im Sinne des § 1327 ABGB. sei das vom Kläger Begehrte nicht unterzubringen. Wäre es in der Absicht des Gesetzgebers gelegen, den Schuldigen auch für allen sonstigen, insbesondere mittelbaren Schaden, der aus dem Tode eines Menschen erwachse, haftbar zu machen, wäre § 1327 ABGB. überflüssig; denn die allgemeine Verpflichtung des Schuldigen zum Schadenersatz sei bereits in § 1295 ABGB. festgesetzt.

Der Berufung des Klägers, worin dieser das Ersturteil zur Gänze angefochten hatte, hat das Berufungsgericht nicht Folge gegeben. Nach seinem Prozeßvorbringen habe der Kläger mit der freiwilligen Beitragsleistung in der Pensionsversicherung von vornherein nicht einen Vermögensvorteil für sich, sondern für seine Gattin und für diese erst nach seinem Tode bezweckt. Damit mache der Kläger als Schaden einen durch das Verschulden des Beklagten verhinderten Vermögensvorteil in der Person seiner Gattin geltend. Daraus folge, daß der Kläger dadurch, daß seine Gattin nicht in den Genuß der Witwenpension gelange, nie geschädigt sein könne, höchstens die Gattin des Klägers könnte geschädigt sein. Wäre aber der Schadenseintritt in der Person des Klägers anzunehmen, weil die von ihm erbrachten Beitragsleistungen durch den vom Beklagten verschuldeten Tod der Gattin des Klägers zwecklos geworden seien, dann mache der Kläger damit einen mittelbaren oder Drittschaden geltend; denn es würde sich dann um einen Schaden handeln, den der Kläger, ohne diesen Schaden aus seiner Verletzung abzuleiten, infolge der tödlichen Verletzung seiner Gattin erleide. Nur der durch die rechtswidrige Handlung unmittelbar Verletzte sei schadenersatzberechtigt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz schaffe § 1327 ABGB.; die Aufzählung der einem Dritten aus einer Tötung zustehenden Ersatzansprüche sei aber in § 1327 ABGB. erschöpfend, sodaß der mittelbar Geschädigte nicht weitere Ersatzansprüche, als in dieser Bestimmung vorgesehen, stellen könne. Die vom Kläger schon vor dem Tode seiner Gattin erbrachten Prämienleistungen stunden in keinem ursächlichen Zusammenhang mit diesem Todesfall, seien daher nicht unter den Begriff der KOSTEN nach § 1327 ABGB. zu subsumieren. Schon unter diesem Gesichtspunkte müsse das Klagebegehren abgewiesen werden und es sei entbehrlich, Beweise aufzunehmen.

Gegen das Berufungsurteil richtete sich die Revision der klagenden Partei: sie bekämpft dieses Urteil dem ganzen Inhalt nach und beantragt aus den Revisionsgrunden des § 503 Z. 2 und 4 ZPO. die Abänderung des Berufungsurteils dahin, daß dem Klagebegehren Folge gegeben werde; hilfsweise stellt der Kläger den Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Rückverweisung der Sache.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Unter dem Revisionsgrunde des § 503 Z. 2 ZPO. wird die Unterlassung jedweder Beweisaufnahme gerügt. Eine Mangelhaftigkeit liegt aber nicht vor, weil dem Klagebegehren schon nach dem Prozeßvorbringen des Klägers aus rechtlichen Erwägungen der Erfolg versagt bleiben muß, wie bei der Erörterung der Rechtsrüge darzulegen sein wird.

Der Revisionswerber macht in der Rechtsrüge (§ 503 Z. 4 ZPO.) im wesentlichen geltend, daß die Beurteilung der Untergerichte und die von ihnen bezogene Lehre und Praxis dem Gesetzeswortlaut des § 1327 ABGB., alle Kosten müßten im Falle des aus einer körperlichen Verletzung eingetretenen Todes ersetzt werden, nicht gerecht werde; durch diese Norm sei auch der in der Klage geltend gemachte Ersatzanspruch gedeckt; die von den Untergerichten wiedergegebene Praxis sei durch den technischen Fortschritt überholt; die Spruchpraxis müsse der modernen Lebensgestaltung angeglichen werden; daneben verweist der Revisionswerber auf den derzeitigen Stand des Sozialversicherungsrechtes und die Bedeutung der Prämienreserve in der vertraglichen Lebensversicherung.

Das Revisionsvorbringen ist nicht geeignet, einen Rechtsirrtum der Vorinstanzen hinsichtlich der Erledigung des oben bezeichneten Schadensbegehrens darzutun. Vor allem darf der Ausdruck "alle Kosten" im § 1327 ABGB. nur aus dem Zusammenhange der Bestimmungen verstanden werden. Es handelt sich danach um den Ersatz jener Kosten, welche die Tötung den Erben oder den sonstigen Ersatzberechtigten verursacht hat (vgl. Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse, 1928, S. 633, zu und in Fußnote 55). Nun will der Revisionswerber die Auslegung der bezogenen Vorschrift durch Lehre und Rechtsprechung nicht gelten lassen. Er übersieht dabei, daß auch die neuere Gesetzgebung eine Auslegung im Sinne seines Vorbringens nicht zuläßt. Die Haftpflichtgesetze haben eigene Vorschriften an die Stelle der §§ 1325 und 1327 ABGB. gesetzt und die bezeichneten Bestimmungen des ABGB. auf Grund der Lehre und Praxis weitergebildet; das Endstadium stellt das EKHG. dar und bei der Einheit der Rechtsordnung muß diese Fortbildung bei der Auslegung der §§ 1325 und 1327 ABGB. berücksichtigt werden (vgl. Gschnitzer, Schuldrecht, Besonderer Teil und Schadenersatz, 1963, S. 174 f.). Während nun in § 1327 ABGB. von KOSTEN ohne nähere Spezifizierung die Rede ist, werden in § 12 (1) EKHG. in vier Punkten (Z. 1 bis 4) jene Kosten im einzelnen bezeichnet, welche die Auslegung des § 1327 ABGB. schon immer als Kosten im Sinne dieser Gesetzesstelle angesehen hat. Ersatzansprüche der vom Kläger in diesem Prozesse geltend gemachten Art sind in der Regelung des § 12

(1) EKHG. aber nicht enthalten und dies kann nur dahin gewertet werden, daß auch die letzte Gesetzgebung der Annahme eines Umfanges des Begriffes "Kosten" im Sinne des Standpunktes des Revisionswerbers entgegensteht.

Aber auch die Ausführungen des Revisionswerbers über die Bestimmungen und Einrichtungen der Sozial- und Vertragsversicherung sind nicht geeignet, die Berechtigung des vorliegenden Schadenersatzbegehrens zu rechtfertigen. Diesfalls handelt es sich doch um die Berechtigung des Klägers, Schadenersatz zu fordern; das schädigende Ereignis ist die Tötung der Gattin des Klägers und dieser ist zufolge des Grundsatzes, daß nur der unmittelbar Verletzte Ersatz fordern kann, auf die Ausnahmebestimmungen des § 1327 ABGB. verwiesen, worüber bereits im vorstehenden abgesprochen worden ist. Die Vorschriften des Versicherungsrechtes ergeben mangels eines Zusammenhanges mit dem diesfalls gegebenem Problem keine Lösung. Abgesehen davon, übersieht der Revisionswerber die Bedeutung der Legalzession nach § 332 ASVG. Der Sozialversicherungsträger kann nur unter dem Gesichtspunkte dieser Legalzession Ersatz vom Schädiger verlangen, jeweils nach Maßgabe der sonstigen Berechtigung des Verletzten. Am Umfange der Schadenersatzverpflichtung des Schädigers tritt durch die Legalzession keine Änderung ein.

Anmerkung

Z41031

Schlagworte

"Kosten" im Sinne des § 1327 ABGB., Schadenersatz nach § 1327 ABGB., Tötung, Ersatz "aller Kosten" im Sinne des § 1327 ABGB.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1968:0020OB00027.68.0320.000

Dokumentnummer

JJT_19680320_OGH0002_0020OB00027_6800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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