TE OGH 1968/4/24 6Ob51/68

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Veröffentlicht am 24.04.1968
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Norm

ABGB §1375
ZPO §395
ZPO §411

Kopf

SZ 41/52

Spruch

Im Falle eines in einem Scheinprozeß ergangenen Anerkenntnisurteiles können sich die Prozeßparteien in einem neuen Prozeß darauf berufen, daß die dem Anerkenntnisurteil entsprechende Rechtslage niemals gewollt war.

Entscheidung vom 24. April 1968, 6 Ob 51/68.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Streitteile sind Ehegatten, die bei aufrechter Ehe getrennt leben. Der Beklagte betreibt in Graz das handelsgerichtlich als Einzelfirma protokollierte Unternehmen, Großhandelshaus Hans K.,

G.".

Am 7. Oktober 1947 brachte die Klägerin eine Feststellungsklage ein, über welche am 10. November 1947 auf Grund eines Anerkenntnisses des Beklagten und des mit diesem erschienen öffentlichen Verwalters ein Anerkenntnisurteil erging, dessen Spruch wie folgt lautet: "Es wird festgestellt, daß die Klägerin Frieda K. an dem Vermögen und Ertrage der handelsgerichtlich protokollierten Firma Hans K., Großhandelshaus in G., seit dem Jahre 1931 zur Hälfte beteiligt ist und daß dieses Beteiligungsverhältnis auch jetzt noch zu Recht besteht. Der Beklagte ist schuldig, dem Privatkonto der Klägerin ... zum Ausgleiche des von ihm zur Sühneabgabezahlung entnommenen Betrages von 5000 S, die Hälfte hievon, sohin einen Betrag von 2500 S gutzuschreiben ..."

Die Klägerin begehrt die Verurteilung des Beklagten, unter Vorlage der Geschäftsbücher bzw. eines diesbezüglichen Verzeichnisses des gemeinschaftlichen Vermögens anzugeben, was ihm von diesem Vermögen bekannt sei und einen Eid darüber zu leisten, daß seine Angaben richtig und vollständig seien. Darüber hinaus begehrt die Klägerin Zahlung von 190.000 S. d. i. die mittlerweile angelaufene Summe von jeweils 10.000 S, monatlich auf Grund der behaupteten Vereinbarung der Gesellschafter.

Das Erstgericht entschied nach dem Klagebegehren. Es ging davon aus, daß das rechtskräftige Feststellungsurteil kraft seiner materiellen Rechtskraft die Frage der Beteiligung der Klägerin am Unternehmen des Beklagten endgültig geregelt habe. Der Beklagte müsse die Wirkungen des Anerkenntnisurteiles im Vorprozeß gegen sich gelten lassen und es sei nicht notwendig, Beweise über die Behauptung aufzunehmen, es handle sich bei dem bezogenen Anerkenntnisurteil um ein Scheinurteil. Es könne nur auf Grund nachträglicher geänderter Verhältnisse eine andere Feststellung begehrt werden. Das Beteiligungsverhältnis zwischen den Parteien beurteilte des Erstgericht als Gesellschaft bürgerlichen Rechtes und es lehnte die Auffassung des Beklagten ab, es handle sich um eine stille Gesellschaft. Liege eine Beteiligung am Vermögen vor, dann sei trotz mancher Merkmale diese nicht mehr als stille Gesellschaft zu qualifizieren, woraus sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung gemäß § 1198 ABGB., aber auch die Berechtigung zur Klageführung nach Art, XLII EGZPO. ergebe. Sei aber das Klagebegehren nach Punkt 1 des Spruches begrundet, dann sei auch die wesentliche Grundlage für das Begehren laut Punkt 2 des Spruches gegeben, denn das Vorliegen des Beteiligungsverhältnisses sei die Voraussetzung dafür, daß die Klägerin berechtigt sei, a conto ihres Gewinnanteiles monatlich die Entnahmen zu tätigen, wie dies bereits faktisch seit 1963 durchgeführt worden sei. Es sei weder behauptet worden noch hervorgekommen, daß etwa geschäftliche Gründe diese monatlichen Entnahmen a conto des Gewinnanteiles der Klägerin nicht zuließen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es trat der Auffassung bei, daß durch das Anerkenntnisurteil vom 10. November 1947 das Beteiligungsverhältnis der Klägerin am Vermögen und Ertrag des Unternehmens des Beklagten endgültig so lange festgestellt sei, als nicht eine seitherige Abänderung dieser Beteiligung erwiesen sei. Die Bemühung des Beklagten, diesem Urteil jede materiellrechtliche Wirkung abzusprechen und es als nichtig hinzustellen, weil es nur zum Schein erwirkt worden sei, müsse fehlschlagen. Die im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung eines Verzichtes der Klägerin stelle eine im Berufungsverfahren unzulässige Neuerung dar und es liege ein solcher Verzicht auch nicht vor. Das Berufungsgericht billigte auch die Ansicht des Erstgerichtes, es sei das mit Anerkenntnisurteil vom 10. November 1947 festgestellte Rechtsverhältnis als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes zu qualifizieren. Der Anspruch der Klägerin auf Rechnungslegung sei gemäß § 1198 ABGB. und demgemäß auch das weitere Klagebegehren gemäß Art. XLII EGZPO. begrundet. Die Berechtigung des Zahlungsbegehrens ergebe sich aus der Beteiligung der Klägerin am Unternehmen in Verbindung mit einer Bestätigung vom 1. Juli 1963, und der laufenden Zahlung des Betrages von 10.000 S monatlich bis zur Sistierung durch den Beklagten im November 1965. Es seien keine Behauptungen in der Richtung aufgestellt worden, daß etwa geschäftliche Gründe die monatliche Entnahme dieser Beträge nicht zuließen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und hob die Urteile der Untergerichte auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es kann die Ansicht der Untergerichte nicht geteilt werden, das rechtskräftige Anerkenntnisurteil begrunde für sich allein ohne jede Rücksicht auf die vom Beklagten erhobene Einwendung des im Scheinprozeß erwirkten Urteils den Klagsanspruch. Wohl ist es grundsätzlich richtig, daß im rein prozeßrechtlichen Sinn ein derartiges Urteil - falls es überhaupt vorliegen sollte, worüber aus rechtlichen Erwägungen keine Feststellungen getroffen wurden - nicht beseitigt werden kann und daß es auch die Wirkungen eines Urteiles einschließlich der materiellen Rechtskraftwirkung im Sinne der Endgültigkeit des Entscheidungsinhaltes ausübt (Fasching III S. 743). Aus diesem Grund könnte auch einem Dritten die Einrede des Scheinprozesses keineswegs entgegengesetzt werden. Hier aber handelt es sich darum, ob im Verhältnis der Partner der Abrede zur Erwirkung eines der materiellen Rechtslage widersprechenden Urteils die materielle Rechtskraftwirkung die Berufung auf diese Abrede ausschließt.

Mit einem ähnlichen Problem, nämlich mit dem Anspruch aus einem erschlichenen Exekutionstitel, haben sich Lehre und Rechtsprechung schon wiederholt beschäftigt. Die Frage, ob gegen ein erschlichenes Versäumungsurteil im Wege der Klage nach § 36 (1) Z. 3 EO. Abhilfe gesucht werden kann, wird von dem überwiegenden Teil der Rechtsprechung und Lehre bejaht (ZBl. 1934 Nr. 334, ZBl. 1932 Nr. 233, SZ. XIV 104 und 31, SZ. X 27 u. a.; Petschek ZBl. 1927 S. 631 f.). Der Umstand, daß die Verzichtserklärung des Gläubigers vor Entstehung des Exekutionstitels abgegeben wurde, steht einer Klage nach § 36 EO. nicht im Wege, da es nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (Neumann - Lichtblau[3] S. 176, Petschek a. a. O., SZ. V 51) gleichgültig ist, ob die den Gegenstand der Einwendung nach § 36 EO. bildenden Tatsachen vor oder erst nach Entstehung des Exekutionstitels eingetreten sind (JBl. 1957 S. 271).

All dies betrifft freilich die Leistungsklage, deren Inhalt im Wege der Exekution vollstreckt werden soll. Immerhin hat beim erschlichenen Titel wenigstens eine Partei die wirkliche Absicht, den in Frage stehenden Anspruch durchzusetzen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Feststellungsurteil, welches abgesehen von der Kostenentscheidung für das Exekutionsverfahren nicht in Betracht kommt, doch ist das Problem der Gebundenheit der Parteien das nämliche. Ja man kann sogar sagen, daß die Partner der Verabredung eines Feststellungsurteiles dem im Urteil judizierten Anspruch noch ferner stehen, als im Falle des erschlichenen Exekutionstitels, weil hier beide Parteien von Anfang an weder den Anspruch selbst noch einen Exekutionstitel begrunden wollen. Ihre Absicht ist vielmehr auf die Erzeugung eines bloßen Scheines gerichtet. Umso mehr muß der Partner einer solchen Verabredung sich darauf berufen können, daß zwischen den Parteien die dem Urteil entsprechende Rechtslage niemals gewollt war, die Untergerichte durften daher nicht dem Klagebegehren mit der einfachen Begründung stattgeben, der Spruch des seinerzeitigen Anerkenntnisurteils schließe wegen seiner Rechtskraftwirkung eine Erörterung des streitverfangenen Anspruches aus. Dies wird dann nicht gesagt werden können, wenn im Sinne des Beklagtenvorbringens auf Grund einer Absprache der Parteien bloß zum Schein ein Urteil erwirkt wurde. Diesbezügliche Feststellungen werden zur erschöpfenden rechtlichen Beurteilung der Sache unerläßlich sein.

Sollte das fortgesetzte Verfahren zu dem Ergebnis führen, daß tatsächlich ein zum Schein erwirktes Urteil vorliegt, aus dem die Klägerin die von ihr in Anspruch genommene Eigenschaft einer Gesellschafterin des Unternehmens des Beklagten nicht ableiten kann, dann wird zu prüfen sein, ob die Klägerin auf Grund anderer Tatsachen diese Rechtsstellung dennoch genießt.

Anmerkung

Z41052

Schlagworte

Anerkenntnisurteil, Rechtskraft eines - im Scheinprozeß, Rechtskraft, Anerkenntnisurteil in Scheinprozeß, Scheinprozeß, Rechtskraft eines Anerkenntnisurteils, Urteil, Rechtskraft eines - im Scheinprozeß

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1968:0060OB00051.68.0424.000

Dokumentnummer

JJT_19680424_OGH0002_0060OB00051_6800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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