TE OGH 1968/5/21 4Ob308/68

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Veröffentlicht am 21.05.1968
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Norm

ABGB §37
ABGB §879
Kartellgesetz §1

Kopf

SZ 41/62

Spruch

Anwendung der zwingenden Bestimmungen des österreichischen Kartellgesetzes, soweit eine - an sich nach deutschem Recht zu beurteilende - Vereinbarung Bestimmungen über Preisbildung und Absatzregelung enthält, die in Österreich wirksam werden sollen. Die Wirkungen einer auf einer zwingenden österreichischen Bestimmung beruhenden Teilnichtigkeit sind aber nach deutschem Recht zu beurteilen.

Entscheidung vom 21. Mai 1968, 4 Ob 308/68.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Kläger begehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, 1. das Patentrecht des Erstklägers aus dem österreichischen Patent Nr. 178.576 vom 25. Mai 1954 anzuerkennen, 2. die betriebsmäßige Inverkehrsetzung und Feilhaltung von Skibelägen, die die Erfindungsmerkmale des Patentes Nr. 178.576 verwirklichen, in Österreich sofort zu unterlassen und 3. über den Vertrieb der vom Beklagten erzeugten Skibeläge, die die Erfindungsmerkmale des Patentes Nr. 178.576 verwirklichen, in Österreich Rechnung zu legen. Sie bringen vor, daß dem Erstkläger das angeführte Patent für seine Erfindung eines Schutzbelages für Holzteile, insbesondere für Ski, erteilt worden sei. Die Erfindung des Erstklägers habe bei den Skierzeugern großen Anklang gefunden, weil sie dem Ski ausgezeichnete Laufeigenschaften gebe. Dadurch habe diese Erfindung eine große kommerzielle Auswertung erfahren. Der Zweitkläger habe vom Erstkläger mit Vertrag vom 20. Dezember 1961 das ausschließliche Recht zur alleinigen Herstellung und zum Alleinvertrieb des Patentes des Erstklägers erhalten. Der Beklagte erzeuge ebenfalls Skibeläge und ahme dabei zur Gänze das genannte Patent nach. Der Erstkläger habe nämlich sein Patent im Ausland, insbesondere in Deutschland, nicht angemeldet. Die Parteien hätten am 27. Mai 1963 in M. eine Vereinbarung getroffen, wonach sie einander gegenseitig ihre Patente zur Verfügung stellen. Für den österreichischen Markt hätten sie vereinbart, dort die gleichen Preise der Kundschaft zu berechnen, wie sie von den Klägern bis dahin berechnet worden seien. Es sei weiter vereinbart worden, daß der Beklagte bereits fest abgeschlossene Aufträge aus Österreich für die laufende Saison in der Höhe von etwa 450.000 m zu den abgeschlossenen Bedingungen ausführen könne. Der Beklagte habe jedoch seine Abnehmer darauf hinweisen müssen, daß es sich dabei um Ausnahmepreise handle, die nur für die bereits abgeschlossenen Aufträge und für die laufende Saison gälten, während für die folgende Saison die erwähnte Regelung zur Anwendung komme. Es habe sich dann herausgestellt, daß der Beklagte bis zum 24. April 1963 bereits Aufträge für eine Gesamtmenge von 550.000 m hereingenommen habe. Der Beklagte sei aufgefordert worden, die entsprechenden Abstriche zu machen. Er habe trotz Aufforderung durch den Patentanwalt der Kläger den Entwurf eines Rundschreibens, mit dem er die neuen Preise seinen Abnehmern mitzuteilen gehabt hätte, nicht übersandt. Mit Rücksicht darauf, daß der Beklagte diesbezügliche Schreiben nicht beantwortet habe, habe Patentanwalt Dipl.-Ing. W. namens der Kläger mit Schreiben vom 19. November 1963 erklärt, daß die Vereinbarung vom 27. Mai 1963 als aufgelöst betrachtet werde. Überdies habe der Beklagte den Vertrag dadurch verletzt, daß er nach Abschluß der Vereinbarung Skibeläge zu Preisen geliefert oder angeboten habe, die unter denen der Kläger gelegen seien.

Der Vertrieb des Skibelages durch den Beklagten in Österreich sei daher ein grober patentrechtlicher Eingriff.

Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage und brachte vor, daß ihm für die Erzeugung von Skibelägen in Österreich das Patent Nr. 208.483 erteilt worden sei. Richtig sei, daß am 27. Mai 1963 in M. eine Vereinbarung getroffen worden sei. Der Vertragsrücktritt durch die Kläger sei unberechtigt und unwirksam, da nicht eine Rücktrittserklärung abgegeben, sondern nur die Bitte geäußert worden sei, die Vereinbarung als aufgelöst zu betrachten. Er habe auch den Vertrag nicht verletzt.

Das Erstgericht stellte unter anderem fest, daß zwischen den Parteien zur Vermeidung einer Patenteingriffsklage oder einer weiteren Nichtigkeitsklage am 27. Mai 1963 in Mittenwald folgende Vereinbarung getroffen worden sei:

"a) K. besitzt das österreichische Patent 178.576, Ku. das österreichische Patent 208.483. K. und Ku. wollen aus diesen Schutzrechten gegenseitig keine Rechte ableiten. Beide Partner verpflichten sich, gemeinsam die Rechte zu verteidigen und Eingriffe gemeinsam zu verfolgen. Kosten und erstrittene Erlöse gehen je zur Hälfte. Beide Teile stellen sich die obigen Patente gegenseitig zur Verfügung.

b) Die Partner sind übereingekommen, in Österreich die gleichen Preise an die Kundschaft zu berechnen, d. h. der Einstandspreis Dr. K. muß der gleiche sein, unabhängig davon, ob die Lieferung im Zollvormerk erfolgt oder als normale Einfuhr. Bei einer Einfuhr muß also der Rechnungspreis einschließlich Zoll und Ausgleichsteuer den vereinbarten Preis ergeben. Mit dieser Regelung sind etwaige gegenseitige Lizenzansprüche ausgeglichen.

c) Die von Ku. bereits fest abgeschlossenen Aufträge aus Österreich für die laufende Saison, das ist bis Ende März 1964, in Höhe von etwa 450.000 m werden zu den abgeschlossenen Bedingungen ausgeführt. Diese Abnehmer sind jedoch mit Abschluß der Vereinbarung darauf hinzuweisen, daß es sich bei den eingeräumten Preisen um Ausnahmepreise handelt, die nur für die laufende Saison gelten. Für die folgenden Saisonen gilt b).

d) Diese Vereinbarung gilt, so lange eines der beiden Patente noch aufrecht ist, zu deren Aufrechterhaltung über die längstmögliche Dauer sich jeder Partner für sein Patent verpflichtet.

e) Diese Punkte sind der endgültigen Vereinbarung zugrunde zulegen, sofern nicht bis zum 8. Juni 1963 ein Widerruf mittels Einschreibebriefes zu Handen von Rechtsanwalt Z. bzw. Patentanwalt

W. erfolgt."

Das Erstgericht wies die Klage ab, weil der Beklagte keinen Grund zur Auflösung des (nach deutschem Recht zu beurteilenden) Dauerschuldverhältnisses gegeben habe. Nach der M. Vereinbarung vom 27. Mai 1963 habe der Beklagte persönlich seine österreichischen Kunden verständigt, daß er seine bisherigen Preise nicht mehr halten könne, sondern auf Grund der M. Vereinbarung erhöhen müsse. Der Beklagte habe hiebei seine Kunden in das M. Abkommen Einsicht nehmen lassen. Die Abfassung und Versendung eines Rundschreibens habe der Beklagte in dieser Vereinbarung nicht übernommen. Seiner Verpflichtung zur Verständigung der Kunden sei er nachgekommen. Die Lieferungen des Beklagten in der Saison 1963/1964 seien auf Grund von fixen Bestellungen oder Rahmenbestellungen, die vor dem 27. Mai 1963 lägen, vorgenommen worden. Nur die Firma Ke. habe keine fixe Bestellung aufgegeben, sondern lediglich einen Jahresbedarf von 4000 m genannt. Dem Beklagten müsse aber der gute Glaube zugebilligt werden, auch von der Firma Ke. einen festen Auftrag über die erwähnte Menge erhalten zu haben. Die Gesamtlieferung aus den vor der M. Vereinbarung eingelangten Bestellungen für die Saison 1963/1964 habe jedoch nur zirka 200.000 m betragen und somit die vereinbarte Höchstgrenze nicht erreicht. Soweit die Preise des Beklagten in der Saison 1964/1965 geringfügig unter den von den Klägern bekanntgegebenen Preisen lagen, könnten die Kläger daraus einen Grund zur Kündigung der Vereinbarung nicht ableiten, weil sie selbst die Preise mehrfach gesenkt und sich geweigert hätten, dem Beklagten die neuen Preise bekanntzugeben. Eine Vertragsverletzung des Beklagten sei daher nicht erwiesen.

Die Berufung der Kläger blieb erfolglos. Das Berufungsgericht hielt die Feststellungen des Erstgerichtes für unbedenklich und das Verfahren für mangelfrei, gab der Berufung nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteigt. Der im Auflösungsschreiben vom 19. November 1963 angeführte Rücktrittsgrund treffe nicht zu. Der Vertreter der Kläger habe zwar vorher mehrfach verlangt, daß der Vertreter des Beklagten ihm den Entwurf eines Rundschreibens zur Verständigung im Sinne des Punktes c) der M. Vereinbarung übersende und die Verständigung der österreichischen Kunden des Beklagten nachweise, doch sei weder die Vorlage eines Rundschreibens an die Kläger, noch überhaupt die Verfassung eines solchen, noch auch der Nachweis der Verständigung in der M. Vereinbarung vorgesehen. Da der Beklagte seine österreichischen Kunden vom M. Übereinkommen verständigt habe, liege eine Vertragsverletzung nicht vor. Ob aber im sonstigen Verhalten des Beklagten eine Vertragsverletzung liege, die zum Vertragsrücktritt berechtige, könne dahingestellt bleiben. § 2 (1) KartellG. normiere nämlich ausdrücklich, daß die Bestimmungen dieses Gesetzes auch auf im Ausland getroffene Kartellvereinbarungen Anwendung fänden, soweit sie im österreichischen Bundesgebiet durchgeführt werden sollen. Daß die Vereinbarung der Streitteile in Österreich durchzuführen war, ergebe der Inhalt der Übereinkunft. Auf die zwingenden Bestimmungen des Kartellgesetzes sei von Amts wegen Bedacht zu nehmen. Gemäß § 1

(1) KartellG. seien Kartelle unter anderem Zusammenschlüsse von wirtschaftlich selbständig bleibenden Unternehmern, die durch vertragliche Bindungen (Kartellvereinbarungen) eine Regelung oder Beschränkung des Wettbewerbes, insbesondere in Ansehung des Absatzes oder der Preise, bewirken sollen. Sämtliche angeführten Tatbestandsmerkmale träfen auf die von den Parteien beschlossene M. Vereinbarung zu. Durch diese Vereinbarung sei ein Wettbewerb zwischen den Parteien hinsichtlich der Preise geradezu ausgeschaltet worden. Es handle sich daher um ein preisbeschränkendes Kartell. Die Vereinbarung vom 27. Mai 1963 mit dem gegenseitigen Verzicht auf die Geltendmachung gewerblicher Schutzrechte könne als eine Art Lizenzvertrag angesehen werden. Lizenzverträge fielen nur dann nicht unter den Begriff der Kartellvereinbarung, wenn die darin vereinbarten Beschränkungen bei der Ausübung des Schutzrechtes über dessen gesetzlichen Umfang nicht hinausgingen. Sie seien aber dann als Kartell anzusehen, wenn die Beschränkungen des Lizenznehmers den gesetzlichen Umfang des Schutzrechtes überschritten, so insbesondere dann, wenn sie Beschränkungen hinsichtlich der Preisgestaltung enthielten. Eine Kartellvereinbarung sei aber nach § 3 (1) KartellG. nur dann gültig und wirksam, wenn sie schriftlich verfaßt und rechtskräftig in das Kartellregister eingetragen worden sei. Ersteres treffe zwar zu, doch sei unbestritten, daß eine Eintragung in das Kartellregister nicht vorgenommen worden sei. Dies bedeute, daß die Parteien an die Kartellvereinbarung bis zur rechtskräftigen Eintragung nicht nur nicht gebunden seien, sondern daß sie die Kartellvereinbarung vor der Eintragung nicht durchführen dürften. Durch das Kartellgesetz würden jedoch nur die wettbewerbsbeschränkenden Bestimmungen der Kartellvereinbarung und die damit zusammenhängenden Nebenvereinbarungen, hier also die Preis- und Absatzbeschränkungen, ungültig und damit unwirksam, während sonstige Vereinbarungen, die den wettbewerbsbeschränkenden Inhalt nicht berührten, auch ohne Einhaltung der Gültigkeitserfordernisse des § 3 KartellG. wirksam blieben. Der Klagsanspruch werde lediglich darauf gestützt, daß der Beklagte die Preisvereinbarung und die sich daraus ergebenden Absatzbeschränkungen nicht eingehalten habe. Hiezu sei aber der Beklagte vor rechtskräftiger Eintragung der Kartellvereinbarung ins Kartellregister nicht verpflichtet gewesen. Die Kläger könnten daher eine allfällige Preisunterbietung durch den Beklagten nicht als Vertragsverletzung geltend machen. Wirksam sei aber Punkt a) der Vereinbarung, wonach beide Teile einander ihre Patente gegenseitig zur Verfügung stellen. Die Kläger könnten daher die in der Klage geltend gemachten patentrechtlichen Ansprüche schon aus diesem Gründe nicht erheben.

Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Kläger wenden sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die M. Vereinbarung sei nach österreichischem Recht als Kartell anzusehen. Diese Vereinbarung ist nach Ansicht der Kläger nicht ein endgültiger Vertrag, sondern nur ein Provisorium für einen erst in Zukunft zu errichtenden endgültigen neuen Vertrag. Das trifft nicht zu. Der Vereinbarung vom 27. Mai 1963 ist nicht zu entnehmen, daß die getroffenen Abreden erst nach einer "endgültigen Vereinbarung" (Punkt e) wirksam werden sollen. Sie stellen daher, wenn vielleicht auch als Provisorium gedacht, doch eine beiderseits verbindliche Vereinbarung dar und nicht bloß einen Vorvertrag, der nur dann vorliegen würde, wenn die Parteien vereinbart hätten, daß sie erst in einem späteren Zeitpunkt einen bestimmten Vertrag abschließen wollen. Von der Verbindlichkeit der M. Vereinbarung geht etwa auch das Schreiben des Vertreters der Kläger, Patentanwalt Dipl. Ing. W., an den Vertreter es Beklagten, Rechtsanwalt DDr. Z., vom 6. Juni 1963 aus.

Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, daß der Inhalt der Punkte b) und c) ein Kartell im Sinne des § 1 (1) KartellG. ist. Kartelle sind Zusammenschlüsse von wirtschaftlich selbständig bleibenden Unternehmern oder von Verbänden von Unternehmern, die durch vertragliche Bindungen (Kartellvereinbarungen) eine Regelung oder Beschränkung des Wettbewerbes, insbesondere in Ansehung der Erzeugung, des Absatzes oder der Preise, bewirken sollen. Die beiden Parteien sollten nach der getroffenen Vereinbarung wirtschaftlich selbständig bleiben, sie wollten durch vertragliche Bindungen für das Gebiet der Republik Österreich eine Beschränkung des Wettbewerbes in Ansehung des Absatzes und der Preise der Skibeläge bewirken und sich zu diesem Zweck zusammenschließen. Auf die M. Übereinkunft treffen daher alle Merkmale zu, die nach § 1 (1) KartellG. die Vereinbarung als Kartellvereinbarung erscheinen lassen. Die Kläger haben überdies in der Berufung selbst ausgeführt, daß der Kernpunkt des Übereinkommens die Preisabsprache war. Daß in der Vereinbarung gleichzeitig gegenseitig Lizenzen erteilt wurden, ändert nichts daran, daß es sich um eine Kartellvereinbarung im Sinne des § 1 (1) KartellG. handelt, gehen doch die dem Beklagten auferlegten Beschränkungen umfänglich und zeitlich über den gesetzlichen Umfang der Schutzrechte der Kläger hinaus (vgl. SZ. XXXII 79, 4 Ob 346/64 = Gr. 1965 S. 137, Schönherr, Fallen Lizenzverträge unter das Kartellgesetz?, GR. 1952 S. 19, besonders 26, Schönherr, Österreichisches Kartellrecht, S. 8), so in der Verpflichtung des Beklagten, die Preise der Kläger keinesfalls zu unterbieten. Daß die M. Vereinbarung nicht ins österreichische Kartellregister eingetragen ist, ist unbestritten.

Die Vereinbarung vom 27. Mai 1963 wurde in M., also in der Bundesrepublik Deutschland, zwischen Inländern und Ausländern geschlossen. Gemäß § 37 ABGB. ist auf diese Vereinbarung deutsches Recht anzuwenden, worin auch die Untergerichte und die Parteien übereinstimmen. Das M. Übereinkommen erschöpft sich keineswegs in der Preisabsprache für Österreich, es will auch (vgl. Punkt a) durch gegenseitige Überlassung der Schutzrechte außerhalb Österreichs Rechtswirkungen erzeugen. Das M. Übereinkommen ist, abgesehen vom übereinstimmenden Parteiwillen, nach deutschem Recht zu beurteilen, doch sind hinsichtlich der Preisbildung und der Absatzregelung (Punkte b und c), die ja in Österreich wirksam werden sollten, die zwingenden Vorschriften des österreichischen Rechtes und damit auch des Kartellgesetzes zu beachten (Köhler, Internationales Privatrecht[3], S. 152, und die dort angeführte Judikatur, Walker, Internationales Privatrecht[5], S. 311, 409). Die Judikatur, die ständig diese Meinung vertritt, beruht auf der Erwägung, daß es anderenfalls in das Belieben der Vertragspartner gestellt wäre, durch Manipulationen mit dem Ort des Vertragsabschlusses in Österreich zwingende Vorschriften auszuschalten (vgl. auch § 4 zweiter Satz ABGB.).

Da sich die Punkte b) und c) des M. Übereinkommens nach österreichischem Recht als Kartellvereinbarung darstellen, sind sie

-

für den österreichischen Rechtsbereich - vor Eintragung ins Kartellregister nichtig und unwirksam (§ 3 (1) KartellG., Schönherr

-

Dittrich, Kartellgesetz, S. 19, Schönherr, a.a.O., S. 14).

Die übrigen Bestimmungen des M. Übereinkommens, insbesondere Punkt

a) hat das Berufungsgericht als rechtswirksam angesehen, und zwar in Anlehnung an die ständige österreichische Rechtsprechung zur Frage der beschränkten Rechtsfolgen der Teilnichtigkeit einer Vereinbarung.

Dieser Rechtsansicht der zweiten Instanz kann nicht gefolgt werden. Wie schon aus § 37 ABGB. hervorgeht (die dort angeführten Rechtsgeschäfte sind in vollem Umfang - "sie" - nach dem Recht des Abschlußortes zu beurteilen), gilt das Schuldstatut für Inhalt und Umfang der Verbindlichkeiten der Vertragsteile, für die Wirkungen, aber auch für die Gültigkeit und Ungültigkeit des Vertrages (vgl. Köhler, a.a.O., S. 157, Walker, a.a.O., S. 417, Bolla, Grundriß des österreichischen Internationalen Privatrechts, S. 107).

Im vorliegenden Fall ist die Rechtsanwendung dadurch kompliziert, daß die Teilnichtigkeit der kartell-rechtlichen Bestimmungen des Mittenwalder Übereinkommens auf einem österreichischen Gesetz beruht, wogegen die weiteren Bestimmungen des Übereinkommens nach deutschem Recht zu beurteilen sind, weil diesbezüglich kein Widerstreit gegen zwingende inländische Normen besteht. Es ist also die Frage von Bedeutung, welches Recht anzuwenden ist, wenn die Wirkung der (nach österreichischem Recht zu beurteilenden) Teilnichtigkeit der kartellrechtlichen Bestimmungen auf den Weiterbestand der übrigen dem deutschen Recht unterliegenden) Bestimmungen des Vertrages klargestellt werden soll.

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ist die Erwägung maßgebend, daß die Beachtung der zwingenden Bestimmungen des österreichischen Kartellrechtes eine auf die allgemeine Vorbehaltsklausel zurückgehende Ausnahme von der allgemeinen Anwendung des deutschen Rechtes ist. In einem solchen Fall soll die in das grundsätzlich heranzuziehende ausländische Recht geschlagene Bresche nicht unnötig erweitert und so wenig wie möglich in das ausländische Recht eingegriffen werden (so die allgemeine Rechtsansicht: Köhler, a. a.O., S. 23, Raape, Internationales Privatrecht[5], S. 99, Kegel, Internationales Privatrecht, S. 173). Auf den vorliegenden Fall angewendet, bedeutet dies, daß sich die Anwendbarkeit der österreichischen Bestimmungen über die Nichtigkeit eines Vertragsstückes auf diesen Teil des Vertrages beschränken soll und daß die Wirkungen der Teilnichtigkeit auf den dem deutschen Recht unterliegenden übrigen Inhalt des Vertrages nach dem deutschen Recht zu beurteilen sind.

Es könnte noch zweifelhaft sein, ob die M. Abmachung nicht etwa auch gegen das deutsche Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. Juli 1957, DBGBl. I S. 1081, verstößt und daher auch nach deutschem Recht nichtig ist. Dies trifft jedoch nicht zu, weil sich die Wettbewerbsbeschränkungen der Mittenwalder Abmachung nur auf Österreich und nicht auch auf Deutschland beziehen (vgl. § 6 (1) des genannten Gesetzes, Müller - Henneberg und Schwartz, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und europäisches Kartellrecht[2], S. 321 f., Rasch, Kommentar zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 74).

Zieht man somit zur Lösung der Frage, ob Punkt a) der Mittenwalder Vereinbarung wirksam ist oder nicht, deutsches Recht heran, erweist sich das Verfahren der Untergerichte als mangelhaft. Während nach österreichischer Rechtslehre (vgl. Gschnitzer in Klang[2] IV/1, S. 168 und Rechtsprechung (etwa SZ. XXIV 170) bei Absonderungsmöglichkeit einzelner Vertragspunkte und Leistungen der Vertrag nur hinsichtlich des Verbotenen nichtig ist, bestimmt § 139 DBGB., daß bei Teilnichtigkeit das ganze Rechtsgeschäft nichtig sein soll, wenn nicht anzunehmen ist, daß es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Es kommt also nach deutschem Recht auf den mutmaßlichen Parteiwillen an; die Regel ist jedenfalls die vollständige Nichtigkeit (Palandt, Kommentar zum Deutschen bürgerlichen Gesetzbuch[26], S. 103, Soergel - Siebert, Kommentar zum Deutschen bürgerlichen Gesetzbuch[101], S. 615 ff.).

Es kommt daher im gegebenen Fall darauf an, ob nach dem Parteiwillen Punkt a) des M. Übereinkommens unabhängig vom übrigen Inhalt dieses Vertrages vereinbart wurde; beweispflichtig hiefür ist zufolge der Auslegungsregel des § 139 DBGB. die beklagte Partei (vgl. Soergel - Siebert, a.a.O., S. 620). Hierüber wurden die Parteien bisher nicht gehört. Den Parteien muß Gelegenheit zur Stellungnahme und zu Beweisanträgen hinsichtlich des Parteiwillens bei Abschluß des M. Übereinkommens gegeben werden.

Sollte der beklagten Partei der Beweis gelingen, daß nach dem Parteiwillen Punkt a) der Vereinbarung unabhängig vom Schicksal der übrigen Vertragsbestimmungen wirksam sein sollte, wird zufolge der getroffenen Vereinbarung kein Patenteingriff vorliegen. Gelingt der beklagten Partei dieser Beweis nicht, so steht ihr kein Recht auf Benutzung des österreichischen Patentes Nr. 178.576 zu. In diesem Fall müßte weiter geprüft werden, ob der Beklagte tatsächlich bei seiner Produktion und seinem Vertrieb einen Patenteingriff begangen hat.

Anmerkung

Z41062

Schlagworte

Internationales Privatrecht, Anwendung des österr. KartellG. auf eine nach deutschem Recht zu beurteilende Kartellvereinbarung Kartellvereinbarung, nach deutschem Recht zu beurteilende, Anwendung der österr. KartellG. Teilnichtigkeit einer Kartellvereinbarung wegen Verstoßes gegen zwingende Bestimmungen des KartellG.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1968:0040OB00308.68.0521.000

Dokumentnummer

JJT_19680521_OGH0002_0040OB00308_6800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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