TE OGH 1968/7/3 5Ob138/68

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Veröffentlicht am 03.07.1968
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Norm

Finanzstrafgesetz §251
ZPO §304

Kopf

SZ 41/89

Spruch

Die Finanzverwaltung ist nach § 251 FinStrG., § 304 (1) Z. 2 ZPO. zur Vorlage von Unterlagen zwecks Berechnung einer Anzeigerbelohnung verpflichtet.

Entscheidung vom 3. Juli 1968, 5 Ob 138/68.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Kläger war vom 26. April 1956 bis 16. Dezember 1958 bei der Getränkefirma Franz A. als Leiter der Spirituosenabteilung beschäftigt; er hatte gegen diese Firma eine Anzeige wegen Steuerhinterziehung erstattet und hiezu Angehörigen der zuständigen Finanzbehörde entsprechende Informationen erteilt. Mit der vorliegenden Klage begehrt er von der Republik Österreich eine Belohnung in der Höhe von 5% von jenen Abgaben und Abgabenstrafen, die auf Grund seiner Informationen der Firma A. vorgeschrieben wurden. Diese Vorschreibungen beziffert er mit einer Million Schilling, darunter 200.000 S oder 210.000 S Abgabenstrafen. Das ergäbe eine Belohnung von 50.000 S, worauf er bereits 18.500 S erhalten habe, sodaß ein offener Betrag von 31.500 S s. A. verbleibe, welcher Betrag eingeklagt werde.

Das Erstgericht wies, nachdem die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges rechtskräftig verworfen worden war, das Klagebegehren kostenpflichtig ab.

Es stellte fest, daß auf Grund der vom Kläger erteilten Informationen der Firma Franz A. an Abgabenstrafen

200.000 S und an Abgaben

162.961 S --------- zusammen also

362.961 S oder rund

363.000 S vorgeschrieben worden seien. 5% hievon ergeben

18.150 S. Da der Kläger jedoch schon

18.500 S und einen weiteren Betrag von

650 S an Anzeigerbelohnung erhalten habe, stehe ihm ein weiterer Anspruch nicht zu.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erhobenen Berufung Folge, hob das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt gemäß § 519 Z. 3 ZPO. auf und verwies die Sache zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es begrundete seine Entscheidung im wesentlichen folgendermaßen:

Das Erstgericht habe mit Recht den Inhalt des Schreibens des Bundesministeriums für Finanzen an den Kläger vom 29. Mai 1963, Beilage A, als privatrechtliche Grundlage der Zusage einer Anzeigerbelohnung an den Kläger in der in diesem Schreiben zum Ausdruck kommenden Höhe angesehen. Danach sollte der Kläger 5% jener Beträge an Abgaben und Abgabenstrafen, die auf Grund der von ihm erteilten Informationen vorgeschrieben und eingehoben werden, unter Anrechnung der damals bereits ausbezahlten 10.000 S erhalten. Der Kläger verlange in diesem Verfahren auch keinen höheren Prozentsatz. Diese 5% seien von Abgaben und Abgabenstrafen zu berechnen, daher offenkundig nicht, wie es der Kläger teilweise unternehme, auch von Mahngebühren und Säumniszuschlägen.

Nach Absatz 1 des Schreibens Beilage A gebühre die 5%ige Belohnung von jenen Abgaben und Abgabenstrafen, die auf Grund der vom Kläger erteilten Informationen vorgeschrieben und eingehoben werden. Entgegen der Ansicht des Klägers müsse eine Kausalität zwischen den erteilten Informationen und den vorgeschriebenen Abgaben und Abgabenstrafen bestehen. Diese Kausalität habe der Kläger als anspruchsbegrundende Tatsache zu erweisen. Durch den Hinweis auf die beiden vorgelegten Rückstandsausweise sei dem Kläger der Kausalitätsbeweis noch nicht gelungen, weil vor allem aus dem Rückstandsausweis mit der Steuernummer 41/60 über einen Betrag von 858.006.22 S für einen Zeitraum von 1952 bis 1959 (Beilage C) nicht hervorgehe, woraus sich diese Summe im einzelnen zusammensetze, insbesondere welche Abgabenvorschreibungen auf die Informationen des Klägers zurückzuführen seien.

Des weiteren sei nach Inhalt des Schreibens die Belohnung erst nach Einhebung der bezüglichen Abgaben und Abgabenstrafen fällig. Der Kläger habe die geschehene Einhebung der auf Grund seiner Informationen vorgeschriebenen Abgaben und Abgabenstrafen behauptet, sodaß sein Klagsvorbringen in dieser Richtung schlüssig sei. Allerdings habe das Erstgericht eine Feststellung darüber unterlassen, in welcher Höhe bisher auf Grund der Informationen des Klägers vorgeschriebene Abgaben und Abgabenstrafen tatsächlich eingehoben worden seien. Hierin liege ein Feststellungsmangel, zumal in der Klagebeantwortung das gesamte Klagevorbringen bestritten worden sei, daher auch die Behauptung, daß die Abgaben und Abgabenstrafen von der beklagten Partei hereingebracht worden seien. Diese Feststellung wäre allerdings nur erforderlich, wenn weitere mit den Angaben des Klägers in kausalem Zusammenhang stehende Abgabenforderungen außer den bereits anerkannten erweislich wären.

Die Berufung des Klägers auf eine Auslobung und auf bestehende Erlässe, Verordnungen und schriftliche Weisungen - neben der privatrechtlichen Zusage im Schreiben Beilage A - sei verfehlt; eine Auslobung werde nach § 860 ABGB. durch die öffentliche Bekanntmachung verbindlich. Eine derartige Bekanntmachung habe der Kläger weder hinreichend zu behaupten noch zu beweisen vermocht. Interne Erlässe, Verordnungen und schriftliche Weisungen wiederum begrunden für einen außenstehenden Dritten keinen privatrechtlichen Anspruch, sodaß als Rechtsgrund für den erhobenen Anspruch lediglich der Inhalt des Schreibens vom 29. Mai 1963, Beilage A, verbleibe.

Das erstgerichtliche Verfahren ist aber nach der Ansicht des Berufungsgerichtes aus folgenden Erwägungen mangelhaft geblieben:

Nach der bisherigen Beweislage lasse sich das Maß der Kausalität der der Firma Franz A. vorgeschriebenen Abgaben und Abgabenstrafen mit der Anzeige des Klägers und seinen sonstigen mündlichen Aufklärungen noch nicht mit Sicherheit beurteilen, insbesondere auch nicht, ob durch die Aufklärungen des Klägers die Finanz-Verwaltung überhaupt erst in die Lage versetzt worden sei, darüber Erhebungen zu pflegen, ob die Firma Franz A. Schwarzeinkäufe und Schwarzverkäufe ohne Eintragung in die Bücher getätigt habe, was allenfalls ohne Mitwirkung des Klägers anläßlich der üblichen periodischen Betriebsprüfung im Frühjahr 1959 nicht hätte aufgedeckt werden können, sodaß eine nachträgliche steuerliche Einschätzung der Firma A. überhaupt nicht hätte erfolgen können.

Sollte dies zutreffen, so könnte unter Umständen nach entsprechender beweismäßiger Klärung die Kausalität der Angaben des Klägers mit den nachträglich erfolgten Abgabenvorschreibungen bis in das Jahr 1952 zurück angenommen werden. Hiebei komme es vor allem darauf an, auf welche finanzrechtlichen Tatbestände sich die im Rückstandsausweis Beilage C enthaltene nachträgliche Abgabenforderung von 858.006.22 S beziehe, welche Tatbestände davon der Zeuge Hubert E. als mit der Information des Klägers kausal und welche er als nicht kausal bezeichnet habe.

Zur Überprüfung der Zeugenaussage des Hubert E. bedürfe es auch der Vorlage der bezüglichen bei der Finanzbehörde befindlichen Unterlagen, sofern dem kein gesetzliches Hindernis entgegenstehe.

Einer derartigen Vorlage der Unterlagen stehe nicht, wie die beklagte Partei meine, auf alle Fälle § 251 FinStrG. insofern entgegen, als diese Unterlagen nur mit Zustimmung der Steuerschuldnerin vorgelegt werden könnten, wobei im übrigen nach der Aktenlage bisher gar nicht versucht worden sei, die Zustimmung der Steuerschuldnerin einzuholen. Die beklagte Partei berufe sich nämlich für die Höhe der zugesagten Anzeigenbelohnung im Schreiben vom 29. Mai 1963, Beilage A, auf die Abgaben und Abgabenstrafen, die auf Grund der vom Kläger erteilten Informationen vorgeschrieben und eingehoben werden. Beziehe sie sich aber in einer privatrechtlichen Vereinbarung über die Höhe eines Anspruches auf urkundliche Unterlagen, die sich nur in ihren Händen befinden können, so treffe sie eine privatrechtliche Auskunftspflicht zur Ermittlung der Höhe der zugesagten Belohnung (§ 304 ZPO.). In diesem Fall gelte nicht ohne weiteres die Geheimhaltungspflicht des § 251 FinStrG. Denn nach § 251 (3) FinStrG. sei die Preisgabe von Verhältnissen oder Umständen vorgesehen, wenn ihr der zustimme, dessen Interessen geschützt werden sollen, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Preisabgabe bestehe oder, wenn sie im zwingenden öffentlichen Interesse gelegen sei. In den Fällen des § 251 (3) FinStrG. trete die Entbindung von der im § 251 (1) FinStrG. normierten Geheimhaltungspflicht kraft Gesetzes ein. In diesen Fällen erfolge daher auch keine bescheidmäßige Entbindung vom Steuergeheimnis. Der Ausnahmetatbestand des zwingenden öffentlichen Interesses in einem Zivilprozeß werde nach einem Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom 5. Mai 1959, Z. 30.883-21/1959, dann als verwirklicht anzusehen sein, wenn eine Gebietskörperschaft an dem Prozeß beteiligt sei und an dessen Ausgang ein unabweisliches rechtliches oder wirtschaftliches Interesse habe (siehe Lager - Komarek - Wais, Finanzstrafgesetz, Ausgabe 1963, zu § 251 FinStrG.). Ob ein zwingendes öffentliches Interesse an der Preisgabe im Sinne des § 251 (3) FinStrG. bestehe, habe nach dieser Gesetzesstelle jedenfalls das Gericht nach vorheriger Anhörung des Bundesministeriums für Finanzen zu entscheiden.

Sollte sich nach einer derartigen Entscheidung die Verpflichtung der Beklagten zur Vorlage - allenfalls nur einiger bestimmter - urkundlicher Unterlagen ergeben und würden diese Urkunden dann nicht vorgelegt, so würde das Gericht bei der Beweiswürdigung nach § 307

(2) ZPO. vorzugehen haben. Andererseits werde erst nach Vorlage urkundlicher Unterlagen der vom Kläger angebotenen Beweisführung durch Sachverständige nähergetreten werden können, weil ohne urkundliche Unterlagen nach der derzeitigen Beweislage einem Sachverständigen wohl eine Befundunterlage zur Abgabe eines vom Kläger beantragten Gutachtens fehlen würde.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Daß die Vorlage der Urkunden im Sinne des § 304 ZPO. an sich eine prozessuale Verpflichtung ist, ist entsprechend den Ausführungen des Rekurses durchaus richtig. Die Vorlage der Urkunden kann auch nicht erzwungen werden, es wäre gegebenenfalls bloß nach § 307 (2) ZPO. vorzugehen. Wenn aber auch die Vorlage der Urkunden im Prozeß an sich eine prozessuale Verpflichtung ist, so ist die Voraussetzung einer solchen prozessualen Verpflichtung gemäß § 304 (1) Z. 2 ZPO. doch, daß eine materielle Verpflichtung zur Vorlage der Urkunden überhaupt besteht ("wenn der Gegner nach bürgerlichem Recht zur ... Vorlage der Urkunde verpflichtet ist"). Aus dem Umstand, daß in dem Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 29. Mai 1963 eine Belohnung von 5% "jener Beträge an Abgaben und Abgabenstrafen, die auf Grund der vom Kläger erteilten Informationen vorgeschrieben und eingehoben werden", genannt wird, ist anzunehmen, daß die beklagte Partei deshalb grundsätzlich auch verpflichtet ist, die in ihren Händen befindlichen Unterlagen, soweit sie zur Überprüfung der Berechnung der Belohnung erforderlich sind, zur Verfügung zu stellen, allerdings nur, sofern nicht hiedurch gegen gesetzliche Bestimmungen, insbesondere § 251 FinStrG. verstoßen würde.

Es kann schließlich auch der im Rekurs vertretenen Ansicht nicht beigestimmt werden, daß die Bestimmungen des § 251 (3) FinStrG. deshalb, weil sie in Art. II dieses Gesetzes aufgenommen sind, in dem gerichtlich strafbare Handlungen, die keine Finanzvergehen sind, behandelt werden, lediglich in einem Strafprozeß zur Anwendung zu kommen haben; mit Recht hat das Berufungsgericht auf den in Lager - Komarek - Wais Ausgabe 1963 zu § 251 FinStrG. angeführten Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom 5. Mai 1959, Zahl 30.883- 21/1959, verwiesen, in dem ausdrücklich auf die Anwendung des Ausnahmetatbestandes des zwingenden öffentlichen Interesses im Sinne des § 251 FinStrG. in einem Zivilprozeß bezug genommen wird, und es bestehen nach der Ansicht des Obersten Gerichtshofes - entgegen der von Schobesberger in ÖJZ. 1968 S. 41 unten vertretenen Ansicht - an sich keine Bedenken, die Grundsätze dieses Erlasses gegebenenfalls in diesem Streitverfahren heranzuziehen. Entgegen der im Rekurs vorgetragenen Ansicht bestehen auch keine Bedenken, daß dann, wenn § 251 (3) FinStrG. in einem Zivilprozeß herangezogen wird, auch vor der - stets unter Bedachtnahme auf die besonderen Umstände des Einzelfalles - vom Gericht zu treffenden Entscheidung gemäß dem letzten Satz des § 251 (3) FinStrG. das Bundesministerium für Finanzen anzuhören sein wird.

Anmerkung

Z41089

Schlagworte

Anzeigerbelohnung, Urkundenvorlage durch Finanzverwaltung zwecks, Berechnung einer, Finanzverwaltung, Urkundenvorlage zwecks Berechnung einer, Anzeigerbelohnung, Urkundenvorlage durch Finanzverwaltung zwecks Berechnung einer, Anzeigerbelohnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1968:0050OB00138.68.0703.000

Dokumentnummer

JJT_19680703_OGH0002_0050OB00138_6800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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