TE OGH 1969/1/30 2Ob246/68

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Veröffentlicht am 30.01.1969
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Norm

ABGB §91

Kopf

SZ 42/18

Spruch

Auch wenn der Gatte aus der Ehewohnung weggezogen ist, kann er der Gattin einen ihr zumutbaren Wohnungswechsel auftragen.

Entscheidung vom 30. Jänner 1969, 2 Ob 246/68.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Unbestritten ist, daß die Streitteile miteinander verheiratet sind und der Kläger vor zwei Jahren die Beklagte verlassen hat.

Der Kläger begehrte nun das Urteil, die Beklagte schuldig zu erkennen, das von ihr benützte Haus in Wien-Mauer, X.-Gasse 32, von ihren Fahrnissen zu räumen. Er habe dieses Einfamilienhaus vor einigen Jahren erbauen lassen und müsse für aufgenommenen Kredit monatlich 3152 S an die Bausparkasse zurückzahlen. Er sei nicht in der Lage, das Haus weiter zu halten und zu finanzieren, zumal er einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1425 S an die Beklagte, weitere 900 S an das eheliche Kind Romana und 660 S an sein uneheliches Kind Petra M. zu leisten habe. Sein Einkommen betrage nur 7300 S monatlich. Er sehe sich daher gezwungen, sein Haus entweder zu verkaufen oder nutzbringend zu vermieten. Er habe seiner Frau eine Ersatzwohnung in Wien 7, Y.-Gasse 104/I/4, bestehend aus 2 1/2 Zimmern und Nebenräumen, vollkommen neu adaptiert, angeboten. Diese Wohnung könne binnen weniger Tage vom Kläger geräumt werden.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, die Wohnung in der X.-Gasse 32 sei nach wie vor als Ehewohnung anzusehen. Sie habe daher weiterhin Anspruch auf diese Wohnung, so lange, bis der Kläger allenfalls eine neue Ehewohnung anbiete. Die von ihm angebotene Wohnung sei jedoch nicht als Ehewohnung vorgesehen, weshalb für sie keine Folgepflicht bestehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, der Kläger habe die Beklagte eigenmächtig verlassen und sei auch nicht bereit, in die eheliche Wohnung zurückzukehren, weshalb auch an der angebotenen Wohnung ein neuer ehelicher Wohnsitz nicht begrundet werde. Die Beklagte benütze die Wohnung auf ehe- bzw. familienrechtlicher Basis, sodaß dem Räumungsbegehren des Klägers bei aufrechter Ehe das Benützungsrecht der Beklagten an der Wohnung entgegenstehe.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil mit Rechtskraftsvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es war der Ansicht, daß die Beklagte keinen Anspruch auf eine bestimmte Wohnung habe und daß ihr daher auch an dem dem Kläger allein gehörenden Haus keine Rechte zustunden. Daraus ergebe sich, daß der Ehemann die Räumung der Wohnung durch die Beklagte begehren könne, wenn er ihr eine den Umständen, d. h. dem Stande, den Vermögens- und Einkommensverhältnissen und dem Umfang der Familie entsprechende andere Wohnung zur Verfügung stelle und so seiner Unterhaltsverpflichtung nachkomme. Aus dem im § 91 ABGB. verankerten Leitungsrecht ergebe sich, daß dem Ehemann die Bestimmung des Wohnsitzes zukomme. Bei Meinungsverschiedenheiten über den Wohnsitz werde daher die Meinung des Ehemannes ausschlaggebend sein, wenn dadurch keine unbillige Beeinträchtigung der Rechtsstellung der Gattin eintrete. Das Räumungsbegehren sei daher schon dann gerechtfertigt, wenn der Kläger der Beklagten eine angemessene andere Wohnung zur Verfügung stelle, auch wenn er dort keinen neuen ehelichen Wohnsitz begrunde, weil er selbst nicht die Absicht habe, diese Wohnung zu benützen. Im übrigen wäre es Sache der Beklagten, im außerstreitigen Verfahren einen Beschluß zu erwirken, durch den der Kläger zur Rückkehr in die eheliche Wohnung verpflichtet werde. Die Berechtigung des Räumungsbegehrens sei daher davon abhängig, ob die angebotene Ersatzwohnung angemessen sei. Diese Frage sei aber vom Erstgericht nicht geprüft worden. Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, daß ein Ehegatte dem anderen die Benützung der ehelichen Wohnung nicht entziehen könne, müßte das Ersturteil aufgehoben werden. Die Ehefrau sei nämlich auch bei Auflösung der häuslichen Gemeinschaft, solange die Ehe dem Bande nach noch aufrecht sei, zur Beistandspflicht verhalten. Sie müsse daher den vom Gatten bestimmten neuen Wohnsitz akzeptieren, wenn dieses Verlangen entsprechend begrundet sei, d. h. wenn der Ehemann und mit ihm die Familie durch die hohen Kosten oder den Entfall von Einnahmen für die bisherige Wohnung in eine finanzielle Notlage kommen könnte. Das Gericht müsse sich daher auch mit der Frage befassen, wie hoch das Einkommen des Klägers sei, ob er über realisierbare Vermögenswerte verfüge, welche laufenden Zahlungen er zu leisten habe und welcher Art die von ihm angebotene Wohnung sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Rekurswerberin weist zunächst darauf hin, daß das Bezirksgericht L. mit rechtskräftigem Beschluß vom 14. Dezember 1965 dem Kläger den Auftrag erteilt habe, in die gegenständliche Wohnung zurückzukehren. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Umstand infolge nachträglicher Beischaffung des erwähnten Aktes durch das Berufungsgericht als gerichtskundig zu gelten hat, denn der Kläger hat nie bestritten, daß er keine Absicht habe, die eheliche Gemeinschaft mit der Beklagten wieder aufzunehmen. Er hat auch nicht behauptet, daß ein Antrag auf Bewilligung des abgesonderten Wohnortes gestellt worden sei.

Der Rekurs bringt ferner vor, der Kläger habe für sich und Vera M. eine Wohnung in dem ihm zur Hälfte gehörigen Haus Wien 7, Y.-Gasse 104, eingerichtet. Später sei er in das ebenfalls im Familieneigentum stehende Haus Y.-Gasse 108 gezogen, halte sich aber nach wie vor täglich mehrmals in der Wohnung bei Vera M. auf. Diese Behauptungen sind jedoch neues Vorbringen, auf das bei der Erledigung des Rekurses nicht eingegangen werden kann.

Die Rekurswerberin meint schließlich, das Räumungsbegehren des Klägers widerspreche überhaupt dem Wesen der Ehe. Dies ist aber nicht der Fall. Bei aufrechtem Bestand der Ehe hat die Ehegattin im Rahmen ihres Unterhaltsanspruches und bei Bedachtnahme auf ihre Folgepflicht wohl Anspruch auf Befriedigung ihres Wohnungsbedürfnisses in natura, sie kann aber nicht eine bestimmte Wohnung verlangen und muß sich gegebenenfalls auch mit einem nach den Umständen des Falles zumutbaren Ersatz der bisherigen Wohnung zufrieden geben (SZ. XXXVIII 78 S. 254). Der Ehegatte kann daher - auch wenn er die Ehewohnung verlassen hat - im Rahmen seines Leitungsrechtes (§ 91 ABGB.) eine Wohnungsänderung anordnen, doch muß diese Maßnahme der Ehegattin zumutbar sein. Sie wäre es nicht, wenn sich die Wohnungsänderung als grundloser Willkürakt darstellte oder wenn der Ehegattin dadurch eine nicht in der geminderten Leistungsfähigkeit des Gatten begrundeten Verschlechterung der Lebensverhältnisse aufgezwungen werden sollte.

Das Berufungsgericht hat also die Rechtslage grundsätzlich richtig beurteilt. Die Angemessenheit der neuen Wohnung und die Zumutbarkeit der Übersiedlung bilden jedoch gemeinsam die Voraussetzung für die Berechtigung des Räumungsbegehrens. Es müssen daher auch die finanziellen Beweggrunde des Klägers für die Ausübung des Leitungsrechtes geprüft werden.

Anmerkung

Z42018

Schlagworte

Ehegatte, aus der Ehewohnung weggezogener, Wohnungswechsel der Gattin, Ehewohnung, Auftrag des getrennt wohnenden Ehegatten an Ehegattin zum, Wohnungswechsel, Unternehmen, Eigentumserwerb an Warenlager und Bargeldbeständen, Wohnungswechsel der Ehegattin, Auftrag des getrennt wohnenden Ehegatten, zum -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0020OB00246.68.0130.000

Dokumentnummer

JJT_19690130_OGH0002_0020OB00246_6800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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