TE OGH 1969/2/19 6Ob36/69

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Veröffentlicht am 19.02.1969
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Norm

JN §1
Steiermärkisches Landesstraßengesetz §50

Kopf

SZ 42/30

Spruch

Der Enteignungsbescheid und nicht das diesem zugrundeliegende gütliche Übereinkommen zwischen Enteigner und Enteignetem ist der maßgebende Rechtssatz.

Entscheidung vom 19. Februar 1969, 6 Ob 36/69.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Klägerin und ihr Gatte Alois K. sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaften EZ. 278 KG. R. Auf ihnen befindet sich eine Lohn- und Handelsmühle. Am 20. April 1966 beantragte das Amt der Steiermärkischen Landesregierung, diese Liegenschaften einzulösen und das Mühlengebäude aus Verkehrssicherheitsgrunden abzutragen. Zu der für 20. Oktober 1966 angeordneten mündlichen Verhandlung erschien als Liegenschaftseigentümer Alois K. "zugleich in Vertretung für die mitbesitzende Ehegattin Theresia K.". Bei dieser Verhandlung wurde, nachdem der Sachverständige Befund und Gutachten erstattet und die Summe der Gesamtablöse mit 230.000 S beziffert hatte, ein von Alois K. mit dem Beisatz "zugleich für Theresia K."

unterfertigtes Übereinkommen geschlossen. Danach verpflichteten sich die Liegenschaftseigentümer, die Liegenschaften lastenfrei in das Eigentum des Landes Steiermark zu übergeben, während sich dieses verpflichtete, ihnen eine Entschädigung von 230.600 S in der näher bezeichneten Weise zu leisten. Es erging der Bescheid vom 7. Februar 1967, womit die Gründeigentümer verpflichtet wurden, die näher bezeichneten Grund- bzw. Bauflächen nach den Bestimmungen des getroffenen Übereinkommens dauernd und lastenfrei in das Eigentum des Landes Steiermark gegen die vereinbarte Entschädigung abzutreten. In diesem Bescheid erfolgte zugleich die Beurkundung des getroffenen Übereinkommens.

Die Klägerin behauptet nunmehr, sie sei von der Verhandlung in dem Verwaltungsverfahren nicht verständigt worden, ihr Gatte sei auch nicht bevollmächtigt gewesen, für sie verbindliche Erklärungen abzugeben, und es sei ihr der vorbezeichnete Bescheid auch nicht zugestellt worden. Sie beantragt gegen das Land Steiermark die Feststellung, daß das in dem Verwaltungsverfahren geschlossene und im Bescheid vom 7. Februar 1967 beurkundete Übereinkommen ihr gegenüber rechtsunwirksam sei.

Das Erstgericht wies mit dem in das Urteil aufgenommenen Beschluß die vom Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück, da das Übereinkommen ein privatrechtlicher Vertrag sei, dessen Anfechtung im Rechtsweg zulässig sei, und erkannte im Sinne des Begehrens der Klägerin.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das Urteil und das ihm vorausgegangene Verfahren unter Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses als nichtig auf und wies die Klage zurück. Die von der Klägerin behaupteten Verstöße im Verwaltungsverfahren seien der Prüfung der Gerichte entzogen. Dazu komme, daß das Übereinkommen in den Enteignungsbescheid aufgenommen worden sei. Damit sei nur dieser der maßgebliche Rechtsakt. Der Verwaltungsakt könne aber nur im verwaltungsrechtlichen Rechtszuge angefochten werden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Klägerin macht das im Zuge eines anhängig gewesenen Enteignungsverfahrens abgeschlossene Übereinkommen über die Zahlung einer Entschädigung von 230.000 S an die Liegenschaftseigentümer zum Gegenstand ihres Feststellungsbegehrens. Da ihr in dem Verwaltungsverfahren aufgetretener Gatte von ihr nicht bevollmächtigt gewesen sei, sei sie in dem Verfahren nicht vertreten gewesen und das abgeschlossene Übereinkommen für sie nicht verbindlich. Was die primäre Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges für dieses Begehren betrifft, ist wesentlich, ob es sich bei diesem Übereinkommen um einen privatrechtlichen Vertrag handelt, wie das Erstgericht annahm, oder nicht, von welcher Auffassung das Berufungsgericht ausging. Zutreffend nahm dieses nun auf § 50 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 über die öffentlichen Straßen mit Ausnahme der Bundesstraßen (Landes-Straßenverwaltungsgesetz), wiederverlautbart durch LGBl. Nr. 154/1964 - der insoweit sinngemäß mit § 15 BStG. übereinstimmt - Bedacht. Darnach entscheidet über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang der Enteignung die näher bezeichnete Behörde (Abs. 1), wobei das Enteignungserkenntnis zugleich eine Bestimmung über die Höhe der Entschädigung zu enthalten hat (Abs. 2). Ein behördlicher Ausspruch über die Enteignung entfällt, wenn zwischen dem Enteigner und dem Enteigneten ein gütliches Übereinkommen zustande kommt. Die Rechtsnatur eines solchen Übereinkommens ist zweifelhaft (Krzizek, das öffentliche Wegerecht, S. 247 f.). In einem zum Oberösterreichischen Straßengesetz ergangenen Erkenntnis (vom 30. September 1957, Zl. 377/56) hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß ein im Zuge eines Enteignungsverfahrens abgeschlossenes Übereinkommen ein privatrechtlicher Vertrag sei, das diese Eigenschaft auch dann nicht verliere, wenn es in ein Protokoll oder einen Bescheid aufgenommen werde, weil darin nur eine Beurkundung des Übereinkommens zu erblicken sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber in der Folge diese Rechtsansicht in dieser Allgemeinheit nicht aufrechterhalten. In der späteren Entscheidung (vom 7. März 1963, Zl. 483/62, 1518/62) stellte er vielmehr auf die Erledigung des Verfahrens mit Bescheid ab. Wurde trotz Vorliegens entsprechender Vereinbarungen über den Enteignungsantrag mit Bescheid erkannt, so ist es für die rechtliche Natur der Erledigung ohne Bedeutung, aus welchem Grund die Behörde dennoch einen Bescheid erließ. Ist trotz des Übereinkommens, gleichgültig aus welchem Grund, ein Enteignungsbescheid ergangen, so ist dieser und nicht das Übereinkommen der maßgebliche Rechtsakt.

Darum handelt es sich aber im gegebenen Falle. Die Verwaltungsbehörde erließ trotz des Übereinkommens den Bescheid vom 7. Februar 1967, nach dessen Spruch die Liegenschaftseigentümer verpflichtet sind, die gegenständlichen Liegenschaften dauernd und lastenfrei in das Eigentum des Landes Steiermark gegen die vereinbarte Entschädigung abzutreten. Sie gab damit eine Willenserklärung ab, die in der Form, in der sie nach außen in Erscheinung tritt, Rechtswirkungen äußert. Dieser Verfügung, die unter der Bezeichnung eines Bescheides erlassen wurde, kommt auch nach ihrem Inhalt jedenfalls Bescheidcharakter zu. Ist aber von diesem Bescheid auszugehen, so kann die Klägerin Abhilfe dagegen nur im Verwaltungsverfahren suchen, der Rechtsweg ist für ihr Begehren ausgeschlossen.

Es ist für sie auch aus dem Hinweis auf § 50 (5) des oben zitierten Gesetzes und die damit statuierte Anwendbarkeit des Eisenbahnenteignungsgesetzes, in dessen Bestimmungen sie ihre Rechtsansicht begrundet findet, nichts zu gewinnen. Denn darnach sind dessen Bestimmungen auf gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung, auf deren Festsetzung durch Übereinkommen sowie auf die Wahrnehmung der Ansprüche, welche dritten Personen aus der Entschädigung auf Grund ihrer dinglichen Rechte zustehen, anzuwenden, während es sich vorliegend um keinen dieser Fälle handelt. Die Klägerin macht vielmehr die Frage der Wirksamkeit des im Verwaltungsverfahren geschlossenen Übereinkommens zum Gegenstand des Verfahrens.

Anmerkung

Z42030

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0060OB00036.69.0219.000

Dokumentnummer

JJT_19690219_OGH0002_0060OB00036_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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