Norm
Amtshaftungsgesetz §1Kopf
SZ 42/89
Spruch
Der Unfall eines zeitverpflichteten Soldaten im Rahmen seiner dienstlichen Teilnahme an einem Manöver - auch während einer Ruhepause - ist ein "Arbeitsunfall" im Sinne des § 333 ASVG.
Entscheidung vom 12. Juni 1969, 1 Ob 118/69.
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Der Kläger begehrte mit der vorliegenden Amtshaftungsklage a) die Feststellung, daß die beklagte Republik ihm gegenüber für alle Personenschäden zu haften habe, die er als Folge des am 31. Mai 1967 mitgemachten, Gegenstand des Strafverfahrens des Landesgerichtes für Graz bildenden Unfalles künftig erleiden werde und b) die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Schadenersatzbetrages in der Höhe von 80.600 S s. A. (80.000 S als Schmerzengeld und 600 S für Heilungskosten).
Nach dem Klagevorbringen sei der Kläger aktiver (zeitverpflichteter) Soldat des österreichischen Bundesheeres im Range eines Wachtmeisters. Am 31. Mai 1967 haben in der Gegend von P. Manöver des Bundesheeres unter Beteiligung von Panzertruppen stattgefunden; eines der dabei eingesetzten Panzerfahrzeuge, zu deren Besatzung auch die Präsenzdiener des Bundesheeres, Peter Th. und Dipl.-Ing. Wilfried R., gehörten, sei dem Fähnrich des Bundesheeres Helge E., einem aktiven Soldaten, unterstanden. Nach der Beendigung der Manöverhandlungen am 31. Mai 1967 wäre es Sache des Richtschützen Dipl.-Ing. R. gewesen, das mit einer Kartusche geladene Geschütz des Panzers zu entladen und die elektrische Zundanlage abzustellen. Dem Geschützführer Peter Th. wäre es oblegen, diese Tätigkeiten des Richtschützen zu überwachen und zu überprüfen und dem Fähnrich E. zu melden, daß Sicherheit vorhanden sei; dieser habe seinerseits die Pflicht gehabt, sich von der sachlichen Richtigkeit der ihm erteilten Meldung zu überzeugen. Keiner der genannten Manöverteilnehmer, die sich in Ausübung des Dienstes befunden und als Organe der beklagten Partei gehandelt haben, sei seinen Obliegenheiten nachgekommen, so daß es habe geschehen können, daß durch Dipl.-Ing. R., der versehentlich an einen Auslöseknopf angestoßen sei, das Geschützfeuer ausgelöst wurde. Durch die abgefeuerte Übungskartusche sei ein Unteroffizier getötet worden, während der von Schädelknochenteilen des getöteten Soldaten getroffene, zur Unfallszeit in Ruhestellung befindliche Kläger dabei ein Auge verloren habe. Das Verschulden der drei genannten Mitglieder der Besatzung des Panzers an dem Unfallgeschehen sei durch ein verurteilendes Erkenntnis des Landesgerichtes für Strafsachen Graz festgestellt.
Das Erstgericht wies - mit einem Versäumungsurteil nach den §§ 396, 398 (1) ZPO. - sowohl das Feststellungsbegehren wie auch das Leistungsbegehren ab. Es begrundete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Kläger nach seinen eigenen Klagsangaben zeitverpflichteter Soldat und damit Dienstnehmer im Sinne der Bestimmungen des ASVG. sei und ihm in dieser Eigenschaft gegen den belangten Rechtsträger ein Schadenersatzanspruch wegen einer im Dienst erlittenen Körperbeschädigung nur unter den Voraussetzungen des § 333 ASVG. zustehe, deren Vorliegen er selbst nicht behaupten könne.
Die Berufung des Klägers blieb erfolglos.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Revisionsgericht hat bereits wiederholt (SZ. XXXIII 63 = ZVR.
1961 Nr. 147, SZ. XXXIV 48 = EvBl. 1961 Nr. 301) die - auch vom
Schrifttum (Gehrmann - Rudolph - Teschner, ASVG., V A 9 S. 104) geteilte - Rechtsansicht ausgesprochen und hält daran auch weiterhin fest, daß für zeitverpflichtete Soldaten, die kraft Gesetzes zur Republik Österreich in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen (§ 10 Wehrgesetz, § 4 (2) ASVG.), die Bestimmungen des ASVG. über die Einschränkung der Schadenersatzpflicht des Dienstgebers gegenüber dem Dienstnehmer bei Arbeitsunfällen (§ 333 ASVG.) gelten.
Im Zusammenhang mit dem Versuch, aufzuzeigen, daß er nicht das Opfer eines Arbeitsunfalles im Sinne der Begriffsbestimmung des ASVG. geworden und aus diesem Gründe die Sonderregelung des § 333 ASVG. unanwendbar sei, verweist der Kläger auf höchstgerichtliche Entscheidungen und Erkenntnisse, wonach ein Arbeitsunfall dann nicht angenommen werden könne, wenn sich der Versicherte bereits betriebsfremden Zwecken zugewendet und solcherart die Verbundenheit mit dem Betrieb aufgegeben habe.
Der Revisionswerber kann mit diesen Hinweisen - wie die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend bemerkt - für seinen Rechtsstandpunkt jedoch nichts gewinnen, weil er für seine Person im Zeitpunkt des Unfallsgeschehens seinen dienstlichen Aufgaben jedenfalls entsprochen hat. Der Begriff des Arbeitsunfalles wird nicht in der Bestimmung des § 333 (1) ASVG. erläutert, er erfährt seine Legaldefinition vielmehr in § 175 (1) ASVG., demzufolge darunter ein Unfall zu verstehen ist, welcher sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begrundenden Beschäftigung ereignet. Das in der Klageschrift geschilderte Geschehen steht nun zweifellos in dem vom Gesetzgeber geforderten Zusammenhang mit der Beschäftigung des Klägers als zeitverpflichteter Soldat und der im Rahmen dieser Tätigkeit erfolgten dienstlichen Teilnahme an dem abgehaltenen Manöver. Der verletzte Kläger hat sich nach der Klagsdarstellung jedenfalls nicht in ein betriebsfremdes Gebiet begeben, vielmehr seine Dienstpflichten erfüllt, sodaß die Annahme eines Arbeitsunfalles, von der beide Vorinstanzen ausgegangen sind, keinen rechtlichen Bedenken begegnen kann.
Militärische Manöver stellen Übungen dar, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und mit besonderen physischen Belastungen der daran teilnehmenden Verbände verbunden sind. Naturgemäß kann es während ihrer Dauer für die daran beteiligten Soldaten keine Freizeit in des Wortes herkömmlicher Bedeutung geben und eine während eines Manöverablaufes eingeschaltete Ruhestellung bedingt keine Aufgabe des örtlichen, zeitlichen oder ursächlichen Zusammenhanges mit der die Versicherung begrundenden Beschäftigung des am Manöver teilnehmenden zeitverpflichteten Wehrmachtsangehörigen. Wird also beachtet, daß die Manövertätigkeit das typische Beispiel einer permanenten Dienstbereitschaft darstellt, in der auch während einer Ruhestellung die funktionelle Einordnung jedes Teilnehmers in das militärische Gesamtkonzept gewahrt bleiben muß, dann zeigt sich, daß die Argumentation des Klägers, der Unfall habe sich nach Ablauf der Arbeitszeit ereignet, es fehle demnach an einem zeitlichen Zusammenhang mit seiner die Versicherung begrundenden Beschäftigung, einer Prüfung nicht standhält.
Anmerkung
Z42089Schlagworte
Amtshaftungsanspruch, kein - bei Unfall eines zeitverpflichteten, Soldaten bei Manöver, Arbeitsunfall im Sinn des § 333 ASVG., Arbeitsunfall im Sinn der § 333 ASVG., Manöverunfall eines, zeitverpflichteten Soldaten, Manöverunfall eines zeitverpflichteten Soldaten, Arbeitsunfall im Sinn, des § 333 ASVG., Soldat, zeitverpflichteter, Unfall bei Manöver, Arbeitsunfall im Sinn, des § 333 ASVG., Unfall eines zeitverpflichteten Soldaten bei Manöver, Arbeitsunfall im, Sinn des § 333 ASVG.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1969:0010OB00118.69.0612.000Dokumentnummer
JJT_19690612_OGH0002_0010OB00118_6900000_000