TE OGH 1969/6/18 6Ob115/69

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Veröffentlicht am 18.06.1969
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Norm

ABGB §537
ABGB §615

Kopf

SZ 42/93

Spruch

Stirbt der Erbe vor Abgabe der Erbserklärungen, so ist, wenn ein Ersatzerbe bestimmt wurde, dieser und nicht der Erbeserbe zum Nachlaß berufen.

Entscheidung vom 18. Juni 1969, 6 Ob 115/69.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Erblasser Dr. Benö N. starb am 18. Mai 1968. Als allfälligen Erben hinterließ er seinen Bruder Ladislaus N., der am 7. September 1968 ohne eine Erbserklärung abgegeben zu haben, nachverstarb. Die Verlassenschaft des letzteren wird zu 8 A .../68 des Erstgerichtes gleichfalls abgehandelt. Weitere gesetzliche Erben des Dr. Benö N. wären Bela N. und Dr. Edith V., beides Nachkommen einer vorverstorbenen erblasserischen Schwester, ferner Ilona H. als Tochter der vorverstorbenen erblasserischen Schwester Amalia H.

Die Brüder Dr. Benö N. (Erblasser) und Ladislaus N. (nachverstorben) sollen ein mündliches Privattestament errichtet haben, in dem sie jeweils zugunsten des anderen Bruders eine Erbeinsetzung erklärten und zusammenfassend bestimmten, daß Ilona H. dann Erbin sein sollte, wenn beide vorgenannten Brüder sterben sollten.

Die gesetzlichen Erben Bela N. und Dr. Edith V. gaben zum Nachlaß des Dr. Benö N. auf Grund des Gesetzes bedingte Erbserklärungen ab, die zu Gericht angenommen wurden. Ilona H. gab auf Grund des mündlichen Privattestamentes zum ganzen Nachlaß gleichfalls eine bedingte Erbserklärung ab. Die nämlichen Personen gaben auf Grund der nämlichen Berufungsgrunde auch im Verlassenschaftsverfahren nach Ladislaus N. Erbserklärungen ab.

Das Erstgericht nahm die von Ilona H. auf Grund des mündlichen Testamentes abgegebene Erbserklärung zum Nachlaß des Dr. Benö N. zu Gericht an, stellte unter einem fest, daß die vorzitierten Erbserklärungen einander widerstreiten und ordnete eine Tagsatzung zur Verteilung der Parteirollen im Erbrechtsstreit an.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs der gesetzlichen Erben Bela N. und Dr. Edith V. Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, daß es die von Ilona H. auf Grund des mündlichen Testamentes abgegebene Erbserklärung zurückwies. Die weiteren auf der Voraussetzung der Annahme dieser Erbserklärung beruhenden Beschlüsse hob das Rekursgericht unter einem ersatzlos auf.

Das Rekursgericht führte aus, es ergebe sich unter der Voraussetzung der Gültigkeit des behaupteten mündlichen Testaments eindeutig, daß der Erblasser Dr. Benö N. seinen Bruder Ladislaus N. zum Erben eingesetzt habe. Dieser habe den Erbanfall erlebt und sei erst am 7. September 1968 verstorben. Sollte das Testament gültig sein, so sei Ladislaus N. Erbe seines Bruders Dr. Benö N., keinesfalls aber Ilona H., die ihre Erbserklärung gerade auf dieses Testament stütze. Das Testament sage doch, daß sie erst dann erben solle, wenn auch der andere (gemeint ist der Bruder Ladislaus N.) sterben solle. Ilona H. sei im Testament des Benö N. gar nicht primär bedacht worden. Das Erstgericht habe deshalb die Erbserklärung nicht entgegennehmen dürfen. Liege aber eine rechtmäßige Erbserklärung der Ilona H. auf Grund des Testamentes gar nicht vor, dann könne sie auch nicht mit den Erbserklärungen der gesetzlichen Erben in Widerspruch stehen. In keinem Falle könne Ilona H. nach Dr. Benö N. Testamentserbin sein, sie könne höchstens gesetzliche Erbin sein.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Ilona H. Folge und stellte die Entscheidung der I. Instanz wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Rekursgericht übersieht die Frage des Unterschiedes zwischen einer Transmission im weiteren Sinn (§ 537 ABGB.) und im engeren Sinne (§ 809 ABGB.). Nach letzterer Bestimmung geht der Nacherbe dem Erbeserben vor, wenn dieser vor Antritt der Erbschaft, also vor Abgabe der Erbserklärung gestorben ist. Es war früher strittig, ob unter Nacherbe im Sinn des § 809 ABGB. nur der fideikommissarische Substitut oder auch der gemeine Substitut (Ersatzerbe) zu verstehen ist (näheres s. bei Rappaport in Klang[1] II/1 211). Die nunmehrige Lehre und Rechtsprechung versteht darunter auch den Ersatzerben (Ehrenzweig[2] II/2 S.368, Weiss bei Klang[2] III 76, Wolf f[4] S. 343, Schell bei Klang[1] II/1 798, Gschnitzer, Erbrecht S. 73, JBl, 1947 S. 154, dagegen Rappaport a. a. O.). Der Oberste Gerichtshof schließt sich der nunmehr herrschenden Auffassung an. § 604 ABGB. nennt auch den gemeinen Substituten Nacherben. In der Überschrift zu den §§ 604 ff. ist von Nacherben und Fideikommissen, die es nicht mehr gibt, die Rede. Der heute gebräuchliche Ausdruck "Ersatzerbe" ist dem ABGB. nicht bekannt. Das Wort "Nacherbe" wird vielmehr im weiteren Sinn gebraucht als dies heute der Fall ist. Daraus, daß § 615 (1) ABGB. bestimmt, daß die gemeine Substitution erlischt, wenn der eingesetzte Erbe die Erbschaft angetreten hat, geht zwingend hervor, daß dies nicht schon dann der Fall ist, wenn er den Erblasser überlebt hat.

Es ist daher auf die im Revisionsrekurs aufgeworfene Frage, welche Bedeutung es hat, daß Ilona H. Erbin nach Ladislaus H. ist, nicht einzugehen. Daher braucht auch nicht untersucht zu werden, ob die Verlassenschaft des Transmittenten oder der Transmissar die Erbserklärung abzugeben hat. Bei Annahme der noch zu erörternden Gültigkeit des mündlichen Testaments wäre Ilona H. als Ersatzerbin zum Nachlaß berufen.

Wie das Erstgericht zutreffend angenommen hat, liegen zum Nachlaß des Dr. Benö N. widerstreitende Erbserklärungen vor, die alle zu Gericht anzunehmen waren und die Frage, ob Ilona H. auf Grund des in Anspruch genommenen mündlichen Testaments tatsächlich Erbin ist, kann nur im Erbrechtsstreit entschieden werden.

Anmerkung

Z42093

Schlagworte

Berufung, Tod des Erben vor Erbserklärung, Erbe, Tod vor Erbserklärung, Erbeserbe, Tod des Erben vor Erbserklärung, Erbschaft, Tod des Erben vor Erbserklärung, Erbserklärung, Tod des Erben vor, Ersatzerbe, Tod des Erben vor Erbserklärung, Tod des Erben vor Erbserklärung, Verlassenschaft, Tod des Erben vor Erbserklärung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0060OB00115.69.0618.000

Dokumentnummer

JJT_19690618_OGH0002_0060OB00115_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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