TE OGH 1969/7/8 4Ob47/69

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Veröffentlicht am 08.07.1969
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Norm

Angestelltengesetz §8 (3)
Wehrgesetz §33a

Kopf

SZ 42/107

Spruch

Durch die Einberufung eines Angestellten zu einer Inspektion bzw. Instruktion nach § 33a Wehrgesetz werden die dienstrechtlichen Ansprüche des Einberufenen nicht berührt.

Entscheidung vom 8. Juli 1969, 4 Ob 47/69.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger ist als Konstrukteur im Unternehmen der beklagten Partei angestellt. Er gehört einer Reserveeinheit des Österreichischen Bundesheeres an und hat vom 28. Mai 1968 bis 31. Mai 1968 an einer Inspektion und Instruktion des Österreichischen Bundesheeres im Sinne des § 33a des Wehrgesetzes teilgenommen. Für diese Teilnahme erhielt er vom Bundesheer eine Entschädigung in der Höhe von 600 S netto ausbezahlt. Die beklagte Partei hat den auf diese vier Tage entfallenden Anteil an seinem Monatsgehalt in der Höhe von 920 S nicht bezahlt. Es besteht jederzeit die Möglichkeit der neuerlichen Teilnahme des Klägers an einer Inspektion und Instruktion.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung des ihm von seinem Gehalt abgezogenen Betrages von 920 S. Er habe gemäß § 8

(3) AngG. Anspruch auf Gehaltsfortzahlung, weil er ohne sein Verschulden an der Dienstverrichtung durch wichtige, seine Person betreffenden Gründe während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Leistung seiner Dienste verhindert worden sei. Die erhaltene Entschädigung von 600 S sei nicht der Ersatz eines Verdienstentganges, sondern stehe ihm als Entschädigung gemäß § 33a

(7) lit. c WehrG. unter Bedachtnahme auf seinen militärischen Dienstgrad als Zugsführer der Reserve zu. Er müsse von diesem Betrag alle Schäden an Ausrüstungsgegenständen ersetzen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Nach der Wehrgesetznovelle 1962 habe dem Wehrpflichtigen eine Entschädigung des regelmäßigen täglichen Erwerbs gebührt. Aus Gründen der Verwaltungsökonomie sei in der Wehrgesetznovelle 1966 diese Entschädigung pauschaliert worden, stelle aber noch immer eine Entschädigung für Verdienstentgang dar. Diese Sonderregelung habe § 8 (3) AngG. derogiert. Aber selbst wenn dem Kläger ein Anspruch gegenüber der beklagten Partei zustunde, müßte er sich die nach dem Wehrgesetz enthaltene Entschädigung auf seine Gehaltsansprüche anrechnen lassen.

Das Erstgericht hat, ohne Beweise aufzunehmen, die beklagte Partei schuldig erkannt, dem Kläger einen Betrag von 320 S s. A. zu bezahlen. Das Mehrbegehren von 600 S s. A. wurde abgewiesen. Das Erstgericht hielt die grundsätzliche Verpflichtung der beklagten Partei zur Weiterzahlung des Entgeltes gemäß § 8 (3) AngG. mangels anderer gesetzlicher Anordnung für gegeben, war aber der Ansicht, daß sich der Kläger den Betrag von 600 S abziehen lassen müsse, weil er diesen Betrag als Entschädigung für Verdienstentgang erhalten habe.

Gegen das Ersturteil haben beide Teile, soweit sie unterlegen sind, berufen.

Das Berufungsgericht gab beiden Berufungen nicht Folge und wies den im Berufungsverfahren von der beklagten Partei gestellten Zwischenantrag auf Feststellung, daß der Kläger gegenüber der beklagten Partei keinen Anspruch auf Entgelt für die durch die Teilnahme an einer Inspektion bzw. Instruktion des Österreichischen Bundesheeres entfallenden Arbeitsstunden habe, ab.

Das Berufungsgericht begrundete seine Entscheidung damit, daß gemäß § 33a (7) lit. c des Wehrgesetzes in der Fassung der Wehrgesetznovelle 1962 die Wehrpflichtigen der Reserve, die an Inspektionen oder Instruktionen teilnehmen, Anspruch auf Entschädigung für den nachgewiesenen Entgang des regelmäßigen täglichen Erwerbes hatten. Insoweit ein bestimmter Betrag als Erwerbsentgang nachgewiesen wurde, habe der volle Betrag des Entganges bis zum Höchstbetrag von 150 S, in allen anderen Fällen ein Betrag von 40 S für jeden in die Inspektions- und Instruktionszeit einzurechnenden Tag gebührt. Aus dieser Bestimmung ergebe sich der zwingende Schluß, daß der Entschädigungsbetrag nach der Wehrgesetznovelle 1962 den Charakter einer Verdienstentgangsentschädigung hatte.

Durch die Wehrgesetznovelle 1966 sei der Abs. 7 lit. c des § 33a des Wehrgesetzes wie folgt abgeändert worden: "Wehrpflichtige der Reserve, die an Inspektionen oder Instruktionen teilnehmen, haben Anspruch auf eine Entschädigung. Als Entschädigung gebührt Wehrmännern, Gefreiten und Korporälen ein Betrag von 125 S, Zugsführern ein Betrag von 150 S, Unteroffizieren ein Betrag von 155 S und Offizieren ein Betrag von 175 S für jeden in die Inspektions- und Instruktionszeit einzurechnenden Tag. Dauert die Inspektion oder die Instruktion, oder die Inspektion und die Instruktion zusammen, weniger als vier Stunden, wird der halbe Betrag gewährt".

Aus dem Wortlaut der Wehrgesetznovelle 1966 ergebe sich, daß entgegen der Wehrgesetznovelle 1962 der Gesetzgeber des Jahres 1966 nicht mehr zum Ausdruck brachte, für welchen Zweck Entschädigung gewährt werde. Da die Entschädigung nach der Wehrgesetznovelle 1966 am keinerlei Nachweis gebunden sei, gebühre sie jedermann, und zwar unabhängig davon, ob und in welcher Höhe er einen Erwerb gehabt habe, der ihm allenfalls durch die Teilnahme am Dienst entgangen sei. Die Höhe der Entschädigung richte sich nach dem Dienstgrad des Wehrpflichtigen, womit die Annahme, es handle sich um einen Ersatz für Verdienstentgang, ausgeschlossen werde. Dafür sprächen auch die Erläuternden Bemerkungen zur Wehrgesetznovelle 1966 (Nr. 47 der Beilagen zu den sten. Prot. des NR. XI GP.), wonach aus Gründen der Verwaltungsökonomie und aus Zweckmäßigkeitsgrunden die Entschädigung pauschaliert wurde. Es sei daher davon auszugehen, daß seit der Wehrgesetznovelle 1966 die Entschädigung für die Teilnahme an der Inspektion und Instruktion gewährt werde. Damit erweise sich die Annahme der beklagten Partei, daß § 8 (3) AngG. durch § 33a (7) WehrG. derogiert worden sei, als unrichtig. Die Dienstverhinderung durch 4 Tage sei - im Hinblick auf die ähnliche Bestimmung des § 1154b (1) ABGB. - noch als verhältnismäßig kurze Zeit im Sinne des § 8 (3) AngG. anzusehen. Der Charakter der Entschädigung als eines für die Teilnahme an der Inspektion und Instruktion gewährten Betrages schließe aber dessen Anrechnung auf den nach § 8 (3) AngG. dem Wehrpflichtigen zustehenden Anspruch nicht aus. Dieser Anspruch wurzle in der Fürsorgepflicht des Dienstgebers, sein Sinn sei, den Unterhalt des Dienstnehmers nicht zu beeinträchtigen. Wenn aber ein Dienstnehmer, wie es beim Kläger der Fall sei, einen finanziellen Vorteil ziehe, dann liege ein Fall vor, für den der Gesetzgeber die Vorschrift des § 8 (3) AngG. nicht geschaffen habe. Für eine Fürsorgepflicht des Dienstgebers bestehe in dem Maße kein Anlaß mehr, in dem der Dienstnehmer aus dem der Dienstverhinderung zu Gründe liegenden Verhältnis ein Entgelt erhalte. Der wehrpflichtige Dienstnehmer müsse sich die für die Teilnahme an der Inspektion und Instruktion erhaltene Entschädigung auf das ihm vom Dienstgeber gebührende Entgelt anrechnen lassen. Zum gleichen Ergebnis führe die analoge Anwendung des § 1155 (1) ABGB. Wenn sich der Dienstnehmer sogar in dem Falle, daß es aus Gründen, die beim Dienstgeber liegen, nicht zur Dienstleistung gekommen sei, das anderweitig Verdiente anrechnen lassen müsse, so habe dies erst recht für den Fall zu gelten, daß die Dienstleistung aus Gründen, die beim Dienstgeber (gemeint wohl: Dienstnehmer) liegen - wenngleich unverschuldet - unterblieben sind.

Der Zwischenantrag auf Feststellung sei, weil der von der beklagten Partei negierte Anspruch des Klägers, wenn auch in umfänglich geringerem Maße bestehe, abzuweisen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge, der Revision des Klägers hingegen Folge und verurteilte die Beklagte zur Zahlung des Betrages von 920 S.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Da der Kläger bei der beklagten Partei, einem Formkaufmann (§ 6 HGB., § 61 GesmbHG.), als Konstrukteur höhere, nichtkaufmännische Dienste leistet, ist auf das Dienstverhältnis, das zwischen den Streitteilen besteht, das Angestelltengesetz anzuwenden, was an sich zwischen den Parteien nicht strittig ist. Strittig ist, welchen Einfluß auf das Dienstverhältnis die Tatsache hat, daß der Kläger im Mai 1968 zu einer viertägigen Inspektion und Instruktion im Sinne des § 33a WehrG. einberufen wurde.

Für die Einberufung eines Dienstnehmers zum Präsenzdienst (§§ 28 und 52 des Wehrgesetzes) gelten die Bestimmungen des Arbeitsplatzsicherungsgesetzes vom 28. Juli 1956, BGBl. Nr. 154. Dieses Gesetz bestimmt in seinem § 3, daß für die Dauer des Präsenzdienstes die Verpflichtung des Dienstnehmers zur Leistung der Dienste und die Verpflichtung des Dienstgebers zur Entrichtung jedweder hiefür aus dem Dienstverhältnis gebührenden Leistungen ruht.

Für die Einberufung eines Dienstnehmers zur Ableistung freiwilliger Waffenübungen trifft das Bundesgesetz vom 15. Dezember 1960, BGBl. Nr. 311 Bestimmungen, die im § 2 insbesondere einen Anspruch gewisser Präsenzdienender gegen den Bund auf Entschädigung für den während der Dauer der freiwilligen Waffenübung entgangenen Arbeitslohn aus nicht selbständiger Tätigkeit vorsieht, während Bedienstete in bestimmten Zweigen der öffentlichen Verwaltung Anspruch auf Fortzahlung der Dienstbezüge haben (§ 21 lit. c.).

Der Einfluß einer Einberufung zu einer Inspektion oder Instruktion im Sinne des § 33a WehrG. auf einem bestehenden Dienstvertrag ist jedoch vom Gesetzgeber nicht geregelt worden, obwohl der Einfluß einer solchen Einberufung auf den sozialversicherungsrechtlichen Schutz im Bundesgesetz vom 11. Dezember 1968, BGBl. Nr. 23/1969, geregelt wurde. Daraus kann der Schluß gezogen werden, daß dem Gesetzgeber nicht etwa ein Reaktionsversehen unterlaufen ist, sondern daß er offenbar der Meinung ist, eine solche höchstens vier Tage im Jahr (§ 33a (1) WehrG) zulässige Einberufung habe die dienstrechtlichen Ansprüche des Einberufenen nicht zu berühren. Eine analoge Anwendung der in den beiden vorhergehenden Absätzen genannten Gesetze auf Wehrpflichtige der Reserve während einer Inspektion oder Instruktion kann überdies auch deshalb nicht stattfinden, weil nach den Erläuternden Bemerkungen zu § 33a WehrG. (Nr. 759 der Beil. zu den sten. Prot. des NR., IX. GP.) solche Wehrpflichtige nicht den Status eines Soldaten haben. Entgegen der Meinung der beklagten Partei ist demnach eine Derogation der Bestimmungen des § 8 (3) AngG. durch Wehrgesetzgebung nicht erfolgt.

Die beklagte Partei ist der Meinung, der Anwendung des § 8 (3) AngG. stunde entgegen, daß die Einberufung des Klägers zu einer Inspektion und Instruktion vier Tage dauerte, also keineswegs verhältnismäßig kurze Zeit im Sinne dieser Gesetzesstelle. Auch hier kann der Rechtsansicht der beklagten Partei nicht gefolgt werden. Die Untergerichte haben zufolge der einen gleichen Sachverhalt regelnden Vorschrift des § 1154 lit. b (1) ABGB. eine Frist, die eine Woche nicht übersteigt, mit Recht noch als eine verhältnismäßig kurze Zeit angesehen, während welcher der Dienstnehmer im Sinne der genannten Gesetzesstelle und damit auch ein Dienstnehmer, auf den § 8 (3) AngG. Anwendung findet, bei unverschuldeter Dienstverhinderung seine Entgeltsansprüche behält. Die Vorschrift des § 27 Z. 4 AngG. analog anzuwenden, besteht kein Anlaß, einerseits, weil diese Gesetzesstelle von einer den Umständen nach erheblichen Zeit spricht, also einen anderen Wortlaut hat, andererseits aber auch, weil diese Bestimmung davon handelt, wann eine Dienstverweigerung einen Entlassungsgrund abgibt, also von einem völlig anderen Sachverhalt.

Der Revision der beklagten Partei kann daher nicht Folge gegeben werden.

Hingegen ist die Revision des Klägers begrundet. Die beklagte Partei findet es unbillig, daß der Kläger während der vier Tage dauernden Inspektion und Instruktion seine vertraglichen Entgeltansprüche behalten und daneben einen Anspruch auf die Entschädigung nach § 33a

(7) lit. c WehrG. haben sollte. Die Untergerichte, die offenbar der gleichen Ansicht sind, haben in Anwendung des § 1155 (1) ABGB. dem Kläger auf sein vertragliches Entgelt angerechnet, was er nach § 33a

(7) lit. c WehrG. vom Bund als Entschädigung erhalten hat.

Eine solche Anrechnung hat nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht stattzufinden. Zunächst regelt § 1155 (1) ABGB. einen anderen Sachverhalt, nämlich den Entfall von Dienstleistungen aus Gründen, die auf Seite des Dienstgebers vorliegen, also einen Fall, der hier nicht vorliegt. Für den mit diesem Rechtsstreit gleichliegenden Fall des § 1154b (1) ABGB., Entfall der Dienstleistung aus Gründen, die in der Person des Dienstnehmers liegen, ist eine Anrechnung des anderweitig Verdienten nicht vorgesehen. Auch § 8 AngG. kennt nur in Abs. 7 eine Anrechnungsvorschrift, nämlich ein Anrechnungsverbot, wonach Beträge, die der Angestellte für die Zeit der Verhinderung auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Versicherung bezieht, auf seine Geldbezüge nicht angerechnet werden dürfen. Wenn es überhaupt zur analogen Anwendung ähnlicher Vorschriften kommen soll, so müßte wohl § 8 (7) AngG. sinngemäß angewendet werden, und Bezüge, die der Kläger auf Grund anderer öffentlichrechtlicher Vorschriften bezieht, müßten gleichfalls von der Anrechnung ausgeschlossen werden.

Bis zur Wehrgesetznovelle 1966 konnte ein zu einer Inspektion oder Instruktion einberufener Angestellter eine Entschädigung nach § 33a

(7) lit. c WehrG. nur beziehen, wenn er einen Verdienstentgang nachgewiesen hatte, was ihm aber zufolge der Vorschrift des § 8 (3) AngG. bei richtiger Gesetzesanwendung nicht möglich gewesen wäre, weil er während einer höchstens vier Tage dauernden Inspektion oder Instruktion jedenfalls Anspruch auf Fortbezahlung seiner Bezüge hatte. Bis zur Wehrgesetznovelle 1966 konnte daher das hier strittige Anrechnungsproblem nicht entstehen. Seit der Wehrgesetznovelle 1966 ist aber die nach § 33a (7) lit. c WehrG. gewährte Entschädigung nicht mehr an den Nachweis eines Verdienstentganges gebunden; der Einberufene hat demnach auf diese Entschädigung Anspruch, gleichgültig, ob er in Arbeit steht oder nicht, gleichgültig wie hoch sein allfälliges Einkommen oder sein allfälliges Vermögen ist. Hätte der Gesetzgeber die Anrechnung der Entschädigung auf das Arbeitsentgelt zum Nachteil des Dienstnehmers und zum Vorteil des Dienstgebers gewünscht, hätte er dies zufolge der Anrechnungsbeschränkung des § 8 (7) AngG. ausdrücklich normieren müssen. Hat er das nicht getan, kommt die Entschädigung nach § 33a

(7) lit. c WehrG. dem Dienstnehmer voll zugute, dem sie ja der Bund bedingungslos gewährt.

Anmerkung

Z42107

Schlagworte

Angestellter, Teilnahme an einer Inspektion bzw. Instruktion nach § 33a, WehrG., Inspektion nach § 33a WehrG., Teilnahme eines Angestellten an einer, Instruktion nach § 33a WehrG., Teilnahme eines Angestellten an einer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0040OB00047.69.0708.000

Dokumentnummer

JJT_19690708_OGH0002_0040OB00047_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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