TE OGH 1969/9/17 6Ob201/69

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Veröffentlicht am 17.09.1969
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Norm

Tiroler Jagdgesetz, LGBl. Nr. 10/1959 §51 (4)

Kopf

SZ 42/131

Spruch

Der Gründeigentümer ist nicht verpflichtet, Maßnahmen des Jagdausübungsberechtigten zur Abwehr von Wildschäden zu dulden.

Entscheidung vom 17. September 1969, 6 Ob 201/69.

I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Der Beklagte ist Pächter der Genossenschaftsjagd L. Der Kläger und seine Gattin bewirtschaften dort ein Bauerngut. Der Kläger begehrt Zahlung von 8490.90 S als Ersatz für den Wildschaden, den er im Jahre 1966 an seinen Kartoffeläckern erlitten hat. Die Tatsache des Wildschadens und seine betragliche Höhe sind nicht strittig.

Im wesentlichen beruft sich der Beklagte darauf, daß er zur Verhinderung eines Wildschadens unter anderem auch auf den Kartoffeläckern des Klägers die Aufstellung eines Wildzaunes angeordnet habe. Dieser sollte zeitlich und örtlich so aufgestellt werden, daß eine Arbeitsbehinderung nicht eintrete. Durch diese Maßnahme sei auf jenen Äckern, auf denen ein Wildzaun aufgestellt worden sei, tatsächlich kein Wildschaden eingetreten. Der Kläger habe jedoch die Aufstellung eines Wildzaunes verboten und damit die vom Beklagten angeordneten Maßnahmen zur Abwehr von Wildschäden unwirksam gemacht. Damit habe der Kläger den Anspruch auf Ersatz des Wildschadens verwirkt. Außerdem habe der Kläger die Anmeldung des Wildschadens beim Bürgermeister unterlassen und auch dadurch den Anspruch auf Wildschadensvergütung verloren.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte fest, daß der Kläger den Wildschaden spätestens am 15. Oktober 1966 dem Gemeindeamt L. gemeldet hat. Weiter stellte es fest, daß die beiden Revierjäger des Beklagten auch im Jahre 1966 an der Grenze der Liegenschaft des Klägers einen Wildzaun aufstellen wollten, wobei sie das hiezu benötigte Material (Drahtmaschen) und die entsprechende Arbeitskraft unentgeltlich zur Verfügung gestellt hätten. Der Kläger weigerte sich, diesen Zaun aufstellen zu lassen.

Der für die Kartoffeläcker des Klägers in Aussicht genommene Zaun, zu dessen Aufstellung es wegen der Weigerung des Klägers nicht kam, wäre nicht mit einem Tor versehen gewesen, das Drahtgeflecht hätte eine Höhe von ca. 2 m erreicht. Der Zaun wäre rund um den ganzen Acker aufgestellt worden, sodaß der Kläger keine Möglichkeit gehabt hätte, mit seinen Maschinen auf sein Grundstück zu gelangen. Auch beim Grasmähen wäre er behindert gewesen,weil er auf einen halben Meter zum Zaun nicht hätte zufahren können.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß die Aufstellung des Wildzaunes mit einer Behinderung der Bewirtschaftung des Grundstückes verbunden gewesen wäre und daß dies der Hauptgrund gewesen sei, warum sich der Kläger gegen die Maßnahme der Revierjäger des Beklagten wehrte. Die in Aussicht genommene Aufstellung eines Wildzaunes in der vorgesehenen Weise könne nicht als rechtmäßige Maßnahme zur Abwehr von Wildschäden im Sinne des § 51 (4) des Tiroler Jagdgesetzes 1959 gewertet werden. Es handle sich vielmehr um einen Eingriff in die Eigentumsrechte des Klägers, der die ortsübliche Benützung des Grundstückes wesentlich beeinträchtige. Dem Gründeigentümer könne die vorgesehene Maßnahme nicht zugemutet werden. Der Kläger habe daher mit Recht die Anbringung des Wildzaunes an seiner Grundgrenze verboten. Daraus könne keinesfalls der Verlust seines Anspruches auf Schadenersatz abgeleitet werden.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung erster Instanz dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Rechtlich führte das Berufungsgericht aus:

Grundsätzlich habe der Jagdausübungsberechtigte allen entstandenen Wild- und Jagdschaden gemäß § 50 (1) des Tiroler Jagdgesetzes LGBl. Nr. 10/59 zu ersetzen. Nach § 51 (4) dieses Gesetzes gehe der Anspruch auf Ersatz des Wildschadens verloren, wenn der Geschädigte vom Jagdausübungsberechtigten zur Abwehr von Wildschäden rechtmäßig getroffene Maßnahmen unwirksam mache. Die zitierte Bestimmung sei hier nicht unmittelbar, wohl aber mittelbar von Bedeutung, denn sie zeige, daß der im Schadenersatzrecht geltende und aus § 1304 ABGB. abgeleitete Grundsatz der Schadensminderungspflicht auch (und besonders) in diesem Bereich zu gelten habe. Daraus ergebe sich, daß der Beschädigte allenfalls einen Teil seines Ersatzanspruches oder unter Umständen den ganzen Anspruch verlieren könne, wenn er trotz gegebener Möglichkeiten die Beschädigung oder die Vergrößerung des Schadens nicht gehindert habe. Dies müsse zu dem Schluß führen, daß der Kläger verpflichtet gewesen wäre, die vom Beklagten zur Vermeidung eines Wildschadens angeordnete Maßnahme zu dulden. Wäre der Kläger in der Bewirtschaftung seines Grundstückes hiedurch tatsächlich behindert worden, so rechtfertige dies nicht die Untersagung der gesamten Maßnahme, sondern allenfalls den Anspruch auf ein Entgelt für die erlittene Erschwernis. Übrigens sei die Behinderung sicher nicht so groß wie der Kläger dies darzustellen versuche.

Die Weigerung des Klägers, einen Wildzaun aufstellen zu lassen, sei nicht begrundet und der Kläger habe sich den Eintritt des Wildschadens selbst zuzuschreiben.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Klägers Folge gegeben, die Urteile der Untergerichte aufgehoben und die Rechtssache an das Gericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Grundsätzlich steht es dem Gründeigentümer frei, nach seinem Ermessen Maßnahmen des Jagdausübungsberechtigten zur Abwehr von Wildschäden zu gestatten oder zu verbieten. Die vom Berufungsgericht angenommene Duldungspflicht besteht in diesem Sinn nicht. Wohl aber kann ein Verbot einer zweckdienlichen und zumutbaren Maßnahme zur Abwehr drohender Wildschäden durch den Gründeigentümer im Sinne des § 51 (4) des Tiroler Jagdgesetzes, LGBl. Nr. 10/59, zum Verlust des Ersatzanspruches führen. Daß ein Wildzaun der in Aussicht genommenen Art zweckdienlich und erfolgversprechend ist, bedarf keines weiteren Wortes der Begründung. Dagegen reicht die vorliegende Aktenlage nicht aus, um die Zumutbarkeit für den Gründeigentümer und damit die allfällige Verwirkungsfolge des Verbotes abschließend beurteilen zu können. Die Parteien haben diesbezügliche Vorbringen erstattet, doch wurden keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Der Beklagte hat sich ausdrücklich darauf berufen, daß der Wildzaun zeitlich und örtlich so aufgestellt werden sollte, daß eine Arbeitsbehinderung nicht eingetreten wäre. Das Prozeßvorbringen des Klägers weist in die entgegengesetzte Richtung. Das Berufungsgericht hat erwogen, daß die Behinderung des Klägers "sicher nicht so groß sei, wie der Kläger dies darzustellen versuche", ohne daß diese Meinungsäußerung in den bisherigen Feststellungen gedeckt wäre. Um die Behinderung beurteilen zu können, muß man wissen, welche landwirtschaftlich notwendigen Arbeiten am Kartoffelacker während der Zeit der Einzäunung notwendig gewesen wären. Mit dem Hinweis auf die zeitliche Aufstellung wollte der Beklagte offenbar einwenden, daß er den Zaun vor Beginn der Kartoffelernte entfernen wollte. Das Erstgericht hat zwar festgestellt, daß der beabsichtigte Zaun nicht mit einem Tor versehen gewesen wäre, doch wurde nicht erörtert, ob der Kläger gegen die beabsichtigte Maßnahme solche Einwände erhoben hat, deren Erfüllung eine Kombination der Abwehr von Wildschäden und der Gewährleistung der landwirtschaftlichen Bearbeitung des Gründes geboten hätte, oder ob er ohne Rücksicht auf das schutzwürdige Bedürfnis des Jagdausübungsberechtigten, Maßnahmen zur Verhinderung von Wildschäden zu ergreifen, ein bedingungsloses Verbot ausgesprochen hat. Daß ein Tor nicht vorgesehen war, schließt nicht aus, daß der Gründeigentümer die Anbringung eines solchen Tores verlangt und damit seinen eigenen Zutritt zum Grund sichert. Die Parteien werden gemäß § 182 ZPO. in den aufgezeigten Richtungen zu einem entsprechenden Vorbringen anzuhalten sein.

Nur wenn der Jagdausübungsberechtigte auf einer solchen Maßnahme beharrt haben sollte, die dem Gründeigentümer bei Abwägung der Interessen insgesamt nicht zumutbar gewesen sein sollte, hätte er den Wildschaden zu ersetzen. Sollte aber der Gründeigentümer das Verbot ausgesprochen haben, ohne daß seine schutzwürdigen Interessen die auch in seinem Interesse gelegene Abwehr von Wildschäden überwogen hätten, dann hätte er den Schadenersatzanspruch gemäß § 51

(4) des Tiroler Jagdgesetzes verwirkt. Zwischen einer tatsächlich getroffenen und unwirksam gemachten Maßnahme und einer in Aussicht genommenen, aber vom Gründeigentümer verbotenen Maßnahme besteht diesbezüglich kein Unterschied.

Die vorliegenden Feststellungsmängel nötigen zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung.

Anmerkung

Z42131

Schlagworte

Jagdberechtigter, Maßnahmen des - zur Abwehr von Wildschäden, keine, Duldungspflicht des Gründeigentümers, Wildschaden, Maßnahmen des Jagdberechtigten zur Abwehr von -, keine, Duldungspflicht des Gründeigentümers

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0060OB00201.69.0917.000

Dokumentnummer

JJT_19690917_OGH0002_0060OB00201_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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