TE OGH 1969/11/27 1Ob196/69

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.11.1969
beobachten
merken

Norm

ABGB §33
ABGB §37
ABGB §1042

Kopf

SZ 42/179

Spruch

Kollisionsrechtliche Behandlung eines auf § 1042 ABGB. gegrundeten Ersatzanspruches für Unterhaltsleistungen für Kinder.

Entscheidung vom 27. November 1969, 1 Ob 196/69.

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Beklagte heiratete am 3. März 1964 die Tochter der Klägerin, Ane-Marie K. Diese Ehe ist am 3. März 1967 aus dem Verschulden des Mannes geschieden worden. Aus den vorehelichen Beziehungen der Ehegatten stammt die am 14. Oktober 1963 geborene Melanie Sonja Karina, die durch die nachfolgende Ehe ihrer Eltern die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes erlangt hat. In der Ehe (am 4. Februar 1965) wurde dann noch der minderjährige Oliver Thomas geboren.

Die in Dänemark wohnhafte Klägerin behauptete, für die beiden Kinder vorläufig in Erwartung des Rückersatzes für Unterhalt einschließlich hoher Ärztekosten Aufwendungen in der Höhe von 35.750 S gemacht zu haben, deren Rückersatz sie gemäß § 1042 ABGB. von dem in Salzburg wohnhaften Beklagten begehrt. Im einzelnen stellte sie folgende Ansprüche:

Unterhalt für Melanie Sonja für April bis einschließlich Juni 1964 und vom Mai 1965 bis einschließlich September 1967 a 500 S 16.500 S Unterhalt für Oliver Thomas vom Mai 1965 bis einschließlich September 1966 8.500 S Kosten für zwei Augenprothesen 1.050 S Sondergebühren, Rechnung der Landeskrankenanstalt Salzburg 700 S Zureise und Aufenthaltskosten für zwei ärztliche Behandlungen in Österreich 9.000 S zusammen 35.750 S

Das Erstgericht hat den Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 27.422.50 S samt 4% Zinsen seit 15. Februar 1968 zu Handen des Salzburger Anwaltes der Klägerin sowie zur Zahlung der mit 3331.01 S bestimmten Kosten verurteilt, das Mehrbegehren in Höhe von 8327.50 S s. A. abgewiesen und ist dabei von folgenden wesentlichen Tatsachen ausgegangen:

Vom Mai 1964 bis Juli 1964 befand sich das Enkelkind Melanie bei der Klägerin in Dänemark. Für den Unterhalt des Kindes und für einen Kinderwagen wendete die Klägerin 875 Kronen und 350 Kronen auf. Die Klägerin wendete für beide Kinder, die vom Februar 1965 bis Oktober 1965 bei ihr im Haushalt lebten, an Unterhalt 1600 Kronen und für Kleider und Krankenkasse 300 Kronen sowie für den Kindergarten für Melanie 850 Kronen auf. Für die Reise der Tochter nach Österreich lieh sie dieser 500 Kronen. Ferner zahlte die Klägerin im Jahre 1965/1966 an Fahrtkosten zum Augenarzt nach Österreich 1500 und 600 Kronen, zusammen 2100 Kronen, und im Frühjahr 1967 nochmals für Fahrtkosten nach Österreich und für eine Augenprothese 1500 Kronen.

In der Zeit, da die Kinder bei der Klägerin weilten, hat der Beklagte zum Unterhalt der Kinder nichts beigetragen.

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 3. März 1967 wurde die Ehe der Ane-Marie H. und des Beklagten aus dem Verschulden des Beklagten geschieden. Die Eheleute schlossen im Scheidungsverfahren einen Vergleich, in dem sie gegenseitig auf jeglichen Unterhalt, auch für den Fall geänderter Verhältnisse, insbesondere für den Fall von Krankheit und Not, verzichten und der Beklagte der geschiedenen Ehefrau den Betrag von 23.500 S zu bezahlen sich verpflichtet. Der Vergleich enthält in Pkt. 5. die Vereinbarung: "Hiemit sind alle wie immer gearteten Ansprüche aus gemeinsamer Lebens- und Wirtschaftsführung verglichen und bereinigt."

Der Beklagte bestritt zunächst die Vaterschaft zur Tochter Melanie und bestritt auch die Verpflichtung zur Leistung des Unterhaltes. Im Verfahren 11 C .../67 des Bezirksgerichtes Salzburg am 27. Dezember 1967, erkannte der Beklagte die Vaterschaft schließlich an und verpflichtete sich mit Vergleich vom selben Tage, ab 1. Oktober 1967 einen monatlichen Unterhalt von 300 S für das Kind zu bezahlen.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 29. Dezember 1966 wurde der Beklagte, der als ehelicher Vater des Sohnes Thomas Oliver nur unzureichend für dessen Unterhalt sorgte, zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 500 S ab 20. September 1966 für dieses Kind verpflichtet.

Der Beklagte, seine geschiedene Frau und die Kinder sind österreichische Staatsbürger.

Diesen Sachverhalt unterzog das Erstgericht der folgenden rechtlichen Beurteilung:

Der Beklagte habe weder erwiesen, daß die Klägerin die Aufwendungen aus verwandtschaftlicher Zuneigung für die Kinder gemacht habe, noch daß die Kinder gegen seinen Willen bei der Klägerin gewesen seien. Mangels dieses Gegenbeweises stehe der nach § 1042 ABGB. zu vermutende Forderungswille der Klägerin fest. Nach seinen Einkommensverhältnissen und Sorgepflichten könne der Beklagte allerdings nicht mehr als 500 S monatlich an Unterhalt für die Tochter Melanie erbringen, ausgenommen die unerwartet auftretenden beziehungsweise aufgetretenen Bedürfnisse, wie sie die Kosten der augenärztlichen Behandlung samt der Anschaffung von Augenprothesen, die Kosten für zusätzliche Kleidung oder die Unterbringung in einem Kindergarten u. a. darstellen.

Danach fielen von den Leistungen der Klägerin die folgenden unter die Ersatzpflicht nach § 1042 ABGB.; der Unterhalt für das Kind Melanie für die Monate Mai, Juni und Juli 1964 in Höhe von insgesamt 1500 S, der Ersatz für die Anschaffung eines Kinderwagens in Höhe von 1207.50 S, der Unterhalt für beide Kinder für die Zeit von Mitte Februar 1965 bis einschließlich Oktober 1965 in Höhe von 8500 S, die Kosten für die Anschaffung zusätzlicher Kleider und für Krankenkasse in Höhe von 1035 S, der Ersatz des Aufwandes für den Kindergarten für die mj. Melanie in Höhe von 2760 S sowie der Ersatz des Aufwandes an zusätzlichen Bedürfnissen durch Zureise zum Augenarzt für Mutter und Tochter plus Heilungskosten und Augenprothese in Höhe von 12.420 S, insgesamt 27.422.50 S.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge. Es verurteilte den Beklagten nur zur Zahlung von 25.752.50 S s. A. und wies das Mehrbegehren ab.

Das Berufungsgericht billigte die Feststellungen des Erstgerichtes.

In rechtlicher Beziehung führte es aus:

Die Klägerin mache einen Rückforderungsanspruch geltend, sie habe den Aufwand, den sie ersetzt verlangt, in Dänemark gemacht. Die Bereicherung dessen, der den Aufwand nach dem Gesetz hätte tragen sollen, sei dagegen in Österreich eingetreten. Hier habe sich der unterhaltspflichtige Beklagte im fraglichen Zeitraum aufgehalten. Von diesem Anknüpfungstatbestand ausgehend könne nur österreichisches Recht zur Anwendung kommen (siehe Walker, Verdroß - Droßberg - Satter in Klang[2] I/1 S. 245, auch SZ. XXX 79).

Die vom Erstgerichte für die Bemessung des Rückersatzes zugrunde gelegte Unterhaltshöhe von 500 S pro Monat und Kind müsse im Hinblick auf die Verhältnisse in Dänemark, im Hinblick auf das Alter der Kinder und im Hinblick auf die Vermögens- und Einkommenslage des Beklagten als angemessen angesehen werden. Daß sich der Beklagte im späteren Vergleiche vor dem Bezirksgericht zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 300 S für die mj. Melanie verpflichtet habe, sei für die Bemessung des Unterhaltes für die gegenständliche Zeit ohne Belang. Die Motive, welche die Parteien zur Einigung auf den monatlichen Betrag von 300 S veranlaßten (wenn auch offenbar zumindest zum Teil darin begrundet, daß der Beklagte aus dem Restaurationsbetrieb in Salzburg keine hinreichenden Einkünfte zog), seien nicht festgestellt. Zudem dürfe nicht übersehen werden, daß der Beklagte Eigentümer einer Liegenschaftshälfte in Gmunden sei, die er allenfalls zur Bestreitung des Unterhalts seiner ehelichen Kinder hätte heranziehen müssen. Es liege kein Hinweis dafür vor, daß alle zusätzlichen Leistungen der Klägerin (Krankenkasse, Kleidung, Kosten des Kindergartens usw.) für die mj. Melanie, wie sie vom Erstgericht festgestellt wurden, nicht notwendig oder von solcher Art gewesen seien, daß sie mit dem monatlichen Unterhaltsbetrag von je 500 S hätten abgegolten werden können. Gleiches gelte hinsichtlich der mit der Behandlung des Augenleidens der mj. Melanie zusammenhängenden Kosten einschließlich der Reisekosten. Auch diese könnten mit dem laufenden Unterhalt von monatlich je 500 S keineswegs bestritten werden. Daß die geschiedene Gattin des Beklagten die Reisen ohne zwingenden Anlaß und nicht ausschließlich zum Wohle des Kindes durchgeführt hätte, sei nicht festgestellt. Wenn die Tochter der Klägerin eigens wegen der Operation der Tochter Melanie zu Prof. Dr. Böck nach Wien fuhr, so spreche nichts dafür, daß dies ohne besonderen Grund erfolgt wäre, etwa nur um dem Beklagten höhere Kosten zu verursachen, zumal es sich offenbar um einen schwerwiegenden Eingriff handelte, der zweckmäßig durch eine ärztliche Kapazität vorgenommen wurde.

Der Berufung sei allerdings dahin beizupflichten, daß die Klägerin unter dem Titel des Ersatzes für Augenprothesen, Behandlung im Krankenhaus Salzburg sowie Zureise und Aufenthalt die Beträge von 1050 S, 700 S und 9000 S, insgesamt 10.750 S begehrte. Das Erstgericht habe, indem es der Aussage der Klägerin folgte, hiefür die Beträge von 1500 und 600 und nochmals 1500 Dänenkronen, d. s. 5175 S, 2070 S und 5175 S insgesamt 12.420 S angenommen und zugesprochen. Es habe also einen Betrag von 1670 S mehr als unter diesem Titel begehrt waren, zuerkannt. In Bezug auf diesen Teilbetrag sei der Berufung sohin Folge zu geben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Untergerichte haben die Rechtssache nach österreichischem Recht entschieden. Die beklagte Partei hat zwar in erster Instanz eingewendet, daß nicht österreichisches Recht, sondern dänisches Recht anzuwenden sei, sie hat aber die Anwendung österreichischen Rechts durch die Untergerichte nicht weiter bekämpft. Trotzdem muß die Rechtssache auch in der Richtung geprüft werden, ob für ihre Beurteilung nicht auch dänisches Recht in Betracht kommt (vgl. Fasching III S. 273, IV S. 328).

Das Berufungsgericht hat für die Anwendung österreichischen Rechts die in Klang[2] I/1 S. 243 geäußerte Meinung herangezogen, Bereicherungsansprüche und Ansprüche aus nützlicher Verwendung seien nach dem Recht des Orts zu beurteilen, an dem der Schuldner zur Zeit des Eintritts der Tatsache, aus der das Schuldverhältnis abgeleitet wird, seinen Wohnsitz hatte (ähnlich SZ. XXXII 149). Darnach wäre allerdings österreichisches Recht anzuwenden. Diese am angeführten Ort vertretene Meinung beruht auf der Annahme, daß alle Arten von Bereicherungsansprüchen einheitlich anzuknüpfen seien, was nach heutiger Auffassung jedoch nicht zutrifft. Auf die Entscheidung SZ. XXX 79 können sich die Untergerichte für die von ihnen vertretene Rechtsansicht nicht berufen, weil dort im Gegenteil erklärt wird, daß hinsichtlich der Frage der Kondiktion das Recht des Orts in Betracht kommt, an welchem sich die Bereicherung vollzogen hat. Es soll hier nicht darauf eingegangen werden, welche Arten von Bereicherungsansprüchen nicht nach dem Recht des Orts zu beurteilen sind, wo sich die Bereicherung vollzogen hat (vgl. hiezu insbesondere Kegel IPR [1] S. 215, Raape IPR [5] S. 527, Schnitzer IPR [4] II S. 682). Denn im vorliegenden Fall könnte eine Anknüpfung an das der Bereicherung irgendwie zugrundeliegende Geschäft schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil zwischen der Klägerin als Großmutter der Kinder, die die in Frage stehenden Aufwendungen verursachten und dem Beklagten keinerlei vertragliche (Pflegschaftsvertrag) Beziehungen bestanden.

Nach Stanzl in Klang[2] IV/1 S. 923, 935 soll für Ansprüche nach § 1042 ABGB. kollisionsrechtlich das Recht des Orts anzuwenden sein, wo sich die Bereicherung vollzogen hat, wo der Aufwand gemacht wurde (vgl. hiezu insbesondere die Ausführungen Zweigerts, Bereicherungsansprüche im Internationalen Privatrecht, Süddeutsche Juristenzeitung 1947 S. 247 f.).

Stanzl begrundet seine Meinung mit der Verwandtschaft der Ansprüche nach den §§ 1041, 1042 ABGB. mit Bereicherungsansprüchen. Hiebei anerkennt er aber auch, daß in besonderen Fällen andere Rechte, wie etwa jenes des Geschäftsherrn oder das gemeinsame Heimatrecht der Parteien in Betracht kommt. Für die Anknüpfung an das Recht des Geschäftsherrn, hier also des Beklagten, spricht in einem Fall wie dem vorliegenden nun vorzüglich die Tatsache, daß unmittelbar das Gesetz (§ 1042 ABGB.) den Entstehungsgrund der Obligation bildet, dessen Regelung inhaltlich auf eine Art Legalzession des Anspruchs des Berechtigten (hier der ehelichen Kinder) gegenüber dem Verpflichteten auf den, der den Aufwand macht, hinausläuft (vgl. die bei Stanzl a. a. O. zu § 1042 ABGB. unter C II - V angeführten Fälle, in denen der Gesetzgeber den Aufwandersatz ausdrücklich durch Legalzession des Anspruchs des Berechtigten gewährt). Wegen dieser Verwandtschaft des Ersatzanspruches nach § 1042 ABGB. mit einer durch Legalzession erworbenen Forderung scheint es angemessen, kollisionsrechtlich die gegenständliche Forderung wie eine kraft Gesetzes abgetretene Forderung zu behandeln und das Zessionsstatut heranzuziehen, das hier mit dem Statut des Rechtsgrundes der zedierten Forderung (Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber seinem Vater - s. auch die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 30. Oktober 1958, BGBl. 295/1961) zusammenfallen würde (vgl. SZ. XXXIII 43, SZ. XXXVII 68). Es ist also hier österreichisches Recht anzuwenden, das ja unmittelbar den gegenständlichen Anspruch gewährt. Dadurch werden auch die bei Anknüpfung an das Recht des Orts der Handlung, wo sich die Bereicherung vollzogen hat, möglichen unliebsamen Folgen vermieden, daß das Recht verschiedener Staaten anzuwenden wäre, wenn, wie hier, der Aufwand in verschiedenen Staaten (Dänemark und Österreich) gemacht wurde. Legt man nun mit den Untergerichten österreichisches Recht zugrunde, so kann der Beklagte mit seiner Revision nicht durchdringen.

Anmerkung

Z42179

Schlagworte

Aufwandersatz nach § 1042 ABGB., Unterhaltsleistung für Kinder„ internationales Privatrecht, Internationales Privatrecht, Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB. für, Unterhaltsleistungen für Kinder, Unterhaltsleistung für Kinder, Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB.„ internationales Privatrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0010OB00196.69.1127.000

Dokumentnummer

JJT_19691127_OGH0002_0010OB00196_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten